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Globales
Bisher kein Thema in "unseren Medien"
Anschläge gegen irakische Akademiker und Ärzte
Von Klaus von Raussendorff
Am 28. Januar diesen Jahres wurde Professor Abdul Razaq al-Na'as von der Universität Bagdad ermordet. Zwei Autos blockierten seinen Eingang. Bewaffnete feuerten auf ihn.
"Dr. al-Na'as war ein bekanntes Gesicht in den Fernsehsendern al-Jazeera and al-Arabiya. Er hatte oft die weitere Anwesenheit der US-geführten Truppen im Irak verurteilt und die aus ethnischen Gruppen zusammengesetzte Interim-Regierung und ihre Milizen kritisiert. Sein Fall erinnert an die Ermordung des Hochschullehrers Dr. Abdullateef al-Mayah. Dieser, ein prominenter Menschenrechtsaktivist, wurde ermordet, nur 12 Stunden, nachdem er auf al-Jazeera die Korruption der von den USA ernannten Regierung kritisiert hatte." So die im Exil lebende irakische Schrifstellerin Haifa Zangana ("Death of a professor - There is now a systematic campaign to assassinate Iraqis who speak out against the occupation" in "The Guardian" v. 28. Feb. 06)
Die "Washington Post" berichtete im Januar über den Fall eines führenden irakischen Kardiologen, Dr. Omar Kubasi, jetzt im Exil in Amman. "Kubasi verließ Bagdad, nachdem er und neun weitere Ärzte Briefe erhalten hatten, die in einer kindlichen Schrift geschrieben waren und besagten, dass sie getötet würden, falls sie ihre Arbeit in ihrem Heimatland Irak nicht einstellen würden. Er und seine Kollegen waren bereits vorher Ziel von Drohungen gewesen, aber die letzte enthielt eine ominöse Dringlichkeit."
Die "Salvador-Option" wird Wirklichkeit
"Bis heute sind 220 medizinische Fachkräfte ermordet worden. Das BRussels-Tribunal und die Spanische Kampagne gegen die Besatzung und für die Souveränität des Irak (CEOSI) haben mit Hilfe von Irakern eine Liste von über 190 ermordeten irakischen Akademikern zusammengestellt." So das Abschlusskommuniqué eines internationalen Seminars mit Teilnehmern aus acht Ländern, das von CEOSI am 22./23. April 2004 in Madrid organisiert wurde.
Andere Zahlenangaben liegen weit höher. In den Zahlen nicht enthalten sind die Intellektuellen, die Anschläge überlebt haben. Und die Zahl der Getöteten nimmt Woche für Woche zu. So wurden am 20. April in Baquba drei weitere Professoren beim Verlassen der Universität niedergeschossen. Schätzungsweise 3000 Akademiker, Ärzte und Intellektuelle sind seit der Besatzung unter dem Druck ständiger Bedrohung, physischer Gewalt, Entführungen und Aktionen von Todesschwadronen ins Exil gegangen.
"Die ,Salvador-Option' wird Wirklichkeit" hatte Max Fuller, Autor und Aktivist der Kolumbien-Solidaritätskampagne in Großbritannien, bereits letzten Sommer einen Artikel überschrieben. (http://globalresearch.ca/articles/FUL506A.html v. 2. Juni 2005) Am 8. Januar 2005 hatte "Newsweek" gemeldet, die Regierung der USA erwäge eine "Salvador-Option" zur Bekämpfung des Aufstands im Irak. In den 80er Jahren hatte die US-Armee unter den Präsidenten Carter und Reagan das salvadorianische Militär zur Bekämpfung der FMLN Guerillas ausgebildet und materiell unterstützt. http://www.msnbc.msn.com/id/6802629/site/newsweek/. "Salvador-Option" bedeutet Todesschwadronen. Fuller wies darauf hin, dass die Todesschwadronen des irakischen Innenministeriums von Agenten der CIA ausgebildet wurden, die ihre in Vietnam und El Salvador angewandten Fähigkeiten einbrachten. Fuller sieht im Irak dasselbe Muster wie in anderen aus dem Hintergrund gesteuerten US-amerikanischen Operationen zur Aufstandsbekämpfung. "Im Irak erfolgt der Krieg in zwei Phasen. Die erste Phase ist abgeschlossen: die Zerstörung des bestehenden Staates, der nicht den Interessen des britischen und amerikanischen Kapitals entsprach. Die zweite Phase besteht im Aufbau eines neuen Staates, der an diese Interessen gebunden ist, und in der Zerschlagung jedes abweichenden Sektors der Gesellschaft."
Das Land "schwach und kontrollierbar" machen
Haifa Zangana meint in dem zitierten "Guardian"-Artikel: "Wie viele Iraker glaube ich, dass diese Morde politisch motiviert sind und im Zusammenhang damit stehen, dass die Besatzungstruppen keine nennenswerte gesellschaftliche Unterstützung im Lande finden. Um die Ziele der Besatzung zu erreichen, müssen unabhängige Geister eliminiert werden. Wir meinen, dass wir Zeugen eines wohlüberlegten Versuchs sind, das intellektuelle Leben im Irak zu zerstören."
Auch die Journalistin Iman Ahmad Khamas, die zusammen mit drei irakischen Ärzten an dem Seminar in Madrid teilnahm, weist auf die Milizen hin. Für die Situation, in der die irakische intellektuelle Elite extrem verwundbar geworden ist, trügen vor allem die US-amerikanischen Besatzungstruppen die Verantwortung. "Gemäß internationalen Abkommen sind diese letztlich für unsere Sicherheit verantwortlich," so die Autorin und ehemalige Dozentin für Literatur an der Universität Bagdad, die weiter in ihrem heimatlichen Bagdad lebt. Sie ist davon überzeugt, dass Intellektuelle liquidiert werden, um das Land "schwach und kontrollierbar" zu machen. "Wir verlieren so 20 bis 30 Jahre Ausbildung". (El Pais v. 28. April 06 http://www.elpais.es)
"Die Ermordung irakischer Akademiker und medizinischer Fachkräfte ist Teil eines bewussten Versuchs, den Irak an der Wiedererlangung seines rechtmäßigen, unabhängigen und souveränen Status zu hindern." So die Schlussfolgerung der an dem Madrider Seminar teilnehmenden Organisationen, darunter die Iraq-Tribunal-Initiative, Deutschland (http://iraktribunal.de).
Schon am 14. Juli 2004 hatte der lang gediente Korrespondent Robert Fisk aus dem Irak berichtet: "Die Mitarbeiter der Universität vermuten, dass es eine Kampagne gibt, den Irak seiner Akademiker zu berauben, um die Zerstörung der kulturellen Identität des Irak zu vollenden, die mit dem Einmarsch der US-Armee in Bagdad begann." Laut Angaben der UN-Universität wurden 84 Prozent der irakischen Einrichtungen der Hochschulbildung niedergebrannt, geplündert oder zerstört. Das irakische Bildungssystem war eines der besten in der Region; einer der bedeutendsten Aktivposten des Landes war seine gut ausgebildete Bevölkerung. (Siehe die ausführliche Dokumentation unter: http://www.brusselstribunal.org/Academics.htm)
Wer sind die Mordgehilfen?
Niemand ist im Irak bisher strafrechtlich verfolgt, geschweige denn verhaftet worden. Niemand hat für diese Morde die Verantwortung übernommen. Das Besatzungsrecht bestimme, so Haifa Zangana mit bitterer Ironie, dass alle ausländischen Soldaten, Diplomaten oder Unternehmen, die in die Ermordung von irakischen Zivilisten verwickelt sind, Immunität vor Verhaftung oder gerichtlicher Verfolgung im Irak genießen.
Als ein Mann wie John Negroponte , der als Karrierediplomat in den 80er Jahren auf dem Höhepunkt der Aufstandsbekämpfung in Zentralamerika US-Botschafter in Honduras war, im Juni 2004 die Leitung der US-Botschaft in Bagdad übernahm, kam die "Salvador-Option" in Fahrt. Negroponte, der heutige "Director of Intelligence", eine Art US-Oberbehörde aller 15 Geheimdienste, gilt als erfahrener Spezialist für die Vorbereitung und Anleitung von außergerichtlichen Tötungen. Auch andere Veteranen aus dem "schmutzigen Krieg" der USA wurden im Irak eingesetzt. Sie beaufsichtigten die Operationen des irakischen Innenministeriums. So James Steele, der frühere Leiter der Operationen gegen den Aufstand in El Salvador, und Steve Casteels, der an den Anti-Guerilla- und Anti-Rauschgift-Operationen in Kolumbien, Peru und anderswo mitwirkte.
Es gebe sicher eine Vielzahl von operierenden Gruppen, meint Sandy English, aber alles deute auf ein führende Rolle der Todesschwadronen hin, die von Unterstützern der pro-amerikanischen Regierung, besonders im Innenministerium, organisiert werden. Sie arbeiteten mit schiitisch-fundamentalistischen Milizen wie den Badr-Brigaden zusammen. (Sandy English, "Hundreds of Iraqi academics and professionals assassinated by death squads", 6. März 06 http://www.wsws.org/articles/2006/mar2006/acad-m06_prn.shtml) "Sie werden
auch die Männer in Schwarz genannt," schreibt Mutahana Hareth Al-Dari, ein Sprecher der Irakischen Vereinigung Muslimischer Gelehrter in der ägytischen Wochenzeitung Al-Ahram Weekly Online. "Niemand wagt sie zu identifizieren, obgleich jeder weiß wer sie sind. Es sind Gruppen, die von einigen politischen Parteien zusammengestellt werden, die sich im Innenministerium eingerichtet haben."
Auf die Spur des Täterkreises deutet auch der Anschlag auf die Goldene Moschee in Samarra am 22. Februar, der offensichtlich wie andere derartige Anschläge zu dem Zweck unternommen wurde, Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten zu schüren. Sogar der irakische Bauminister Jassem Mohammed Jaafar musste nach einer Untersuchung einräumen, dass dies "das Werk von Spezialisten war. Löcher wurden in die vier Hauptsäulen des Mausoleums gebohrt und mit Sprengstoff gefüllt. Dann wurden die Ladungen mit einander verbunden, sowie mit einer anderen, die direkt unter der Kuppel platziert war. Die Drähte wurden dann mit einem Zünder verbunden, der aus der Entfernung gezündet wurde" (http://www.uruknet.info/?p=m20998)
Iman Ahmad Khamas berichtete in Madrid von Fällen, wo Besatzungstruppen und schiitische Milizen Hand in Hand gearbeitet hätten. So als schiitische Milizen beim Versuch, in den Bagdader, vorwiegend sunnitischen Stadtteil Adhamiya einzudringen, von den Einwohner mit Waffengewalt zurückgeschlagen wurden, woraufhin die US-Truppen eingriffen, um gegen die sunnitischen Kämpfer vorzugehen. Andernorts würden die Besatzer seelenruhig der Zerstörung von sunnitischen Moscheen zusehen.
Was kann getan werden?
Anfang des Jahres wurde ein internationaler dringender Appell lanciert. Darin wird insbesondere der Sonderberichterstatter für extralegale, summarische oder willkürliche Exekutionen beim Hohen Kommissar der UN für Menschenrechte (UNHRC) in Genf aufgefordert, tätig zu werden. Dieser hat das klare Mandat, Fälle aufzugreifen und nachdrücklich von den irakischen und Besatzungsbehörden zu fordern, irakische Akademiker wie auch andere Zivilpersonen zu schützen. Der Appell wurde bisher von über 8000 Personen unterzeichnet, aus Deutschland zum Beispiel vom Vorstand der deutschen Sektion von IPPNW, und kann weiter im Internet (http://www.petitiononline.com/Iraqacad/petition.html) unterzeichnet werden (bisherige Unterzeichner aus Deutschland: http://www.iraktribunal.de/dokus/appell_okt2005.htm).
Die Teilnehmer des Madrider Seminars haben nun dazu aufgerufen, das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte zu drängen, seiner Verpflichtung nachzukommen, das Leben und die Menschenrechte irakischer Ärzte und Akademiker sowie aller irakischen Zivilisten zu schützen. Sie appellieren an Abgeordnete, das Problem in Parlamenten zur Sprache zu bringen. In Spanien will die Autonome Universität Madrid mit anderen spanischen Universitäten von der UNESCO eine Untersuchung fordern. Schließlich sollen Verbindungen zwischen irakischen Akademikern im Exil und im Irak und ihren Kollegen an Universitäten weltweit aufgebaut werden.
Online-Flyer Nr. 42 vom 02.05.2006
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Globales
Bisher kein Thema in "unseren Medien"
Anschläge gegen irakische Akademiker und Ärzte
Von Klaus von Raussendorff
Am 28. Januar diesen Jahres wurde Professor Abdul Razaq al-Na'as von der Universität Bagdad ermordet. Zwei Autos blockierten seinen Eingang. Bewaffnete feuerten auf ihn.
"Dr. al-Na'as war ein bekanntes Gesicht in den Fernsehsendern al-Jazeera and al-Arabiya. Er hatte oft die weitere Anwesenheit der US-geführten Truppen im Irak verurteilt und die aus ethnischen Gruppen zusammengesetzte Interim-Regierung und ihre Milizen kritisiert. Sein Fall erinnert an die Ermordung des Hochschullehrers Dr. Abdullateef al-Mayah. Dieser, ein prominenter Menschenrechtsaktivist, wurde ermordet, nur 12 Stunden, nachdem er auf al-Jazeera die Korruption der von den USA ernannten Regierung kritisiert hatte." So die im Exil lebende irakische Schrifstellerin Haifa Zangana ("Death of a professor - There is now a systematic campaign to assassinate Iraqis who speak out against the occupation" in "The Guardian" v. 28. Feb. 06)
Die "Washington Post" berichtete im Januar über den Fall eines führenden irakischen Kardiologen, Dr. Omar Kubasi, jetzt im Exil in Amman. "Kubasi verließ Bagdad, nachdem er und neun weitere Ärzte Briefe erhalten hatten, die in einer kindlichen Schrift geschrieben waren und besagten, dass sie getötet würden, falls sie ihre Arbeit in ihrem Heimatland Irak nicht einstellen würden. Er und seine Kollegen waren bereits vorher Ziel von Drohungen gewesen, aber die letzte enthielt eine ominöse Dringlichkeit."
Die "Salvador-Option" wird Wirklichkeit
"Bis heute sind 220 medizinische Fachkräfte ermordet worden. Das BRussels-Tribunal und die Spanische Kampagne gegen die Besatzung und für die Souveränität des Irak (CEOSI) haben mit Hilfe von Irakern eine Liste von über 190 ermordeten irakischen Akademikern zusammengestellt." So das Abschlusskommuniqué eines internationalen Seminars mit Teilnehmern aus acht Ländern, das von CEOSI am 22./23. April 2004 in Madrid organisiert wurde.
Andere Zahlenangaben liegen weit höher. In den Zahlen nicht enthalten sind die Intellektuellen, die Anschläge überlebt haben. Und die Zahl der Getöteten nimmt Woche für Woche zu. So wurden am 20. April in Baquba drei weitere Professoren beim Verlassen der Universität niedergeschossen. Schätzungsweise 3000 Akademiker, Ärzte und Intellektuelle sind seit der Besatzung unter dem Druck ständiger Bedrohung, physischer Gewalt, Entführungen und Aktionen von Todesschwadronen ins Exil gegangen.
"Die ,Salvador-Option' wird Wirklichkeit" hatte Max Fuller, Autor und Aktivist der Kolumbien-Solidaritätskampagne in Großbritannien, bereits letzten Sommer einen Artikel überschrieben. (http://globalresearch.ca/articles/FUL506A.html v. 2. Juni 2005) Am 8. Januar 2005 hatte "Newsweek" gemeldet, die Regierung der USA erwäge eine "Salvador-Option" zur Bekämpfung des Aufstands im Irak. In den 80er Jahren hatte die US-Armee unter den Präsidenten Carter und Reagan das salvadorianische Militär zur Bekämpfung der FMLN Guerillas ausgebildet und materiell unterstützt. http://www.msnbc.msn.com/id/6802629/site/newsweek/. "Salvador-Option" bedeutet Todesschwadronen. Fuller wies darauf hin, dass die Todesschwadronen des irakischen Innenministeriums von Agenten der CIA ausgebildet wurden, die ihre in Vietnam und El Salvador angewandten Fähigkeiten einbrachten. Fuller sieht im Irak dasselbe Muster wie in anderen aus dem Hintergrund gesteuerten US-amerikanischen Operationen zur Aufstandsbekämpfung. "Im Irak erfolgt der Krieg in zwei Phasen. Die erste Phase ist abgeschlossen: die Zerstörung des bestehenden Staates, der nicht den Interessen des britischen und amerikanischen Kapitals entsprach. Die zweite Phase besteht im Aufbau eines neuen Staates, der an diese Interessen gebunden ist, und in der Zerschlagung jedes abweichenden Sektors der Gesellschaft."
Das Land "schwach und kontrollierbar" machen
Haifa Zangana meint in dem zitierten "Guardian"-Artikel: "Wie viele Iraker glaube ich, dass diese Morde politisch motiviert sind und im Zusammenhang damit stehen, dass die Besatzungstruppen keine nennenswerte gesellschaftliche Unterstützung im Lande finden. Um die Ziele der Besatzung zu erreichen, müssen unabhängige Geister eliminiert werden. Wir meinen, dass wir Zeugen eines wohlüberlegten Versuchs sind, das intellektuelle Leben im Irak zu zerstören."
Auch die Journalistin Iman Ahmad Khamas, die zusammen mit drei irakischen Ärzten an dem Seminar in Madrid teilnahm, weist auf die Milizen hin. Für die Situation, in der die irakische intellektuelle Elite extrem verwundbar geworden ist, trügen vor allem die US-amerikanischen Besatzungstruppen die Verantwortung. "Gemäß internationalen Abkommen sind diese letztlich für unsere Sicherheit verantwortlich," so die Autorin und ehemalige Dozentin für Literatur an der Universität Bagdad, die weiter in ihrem heimatlichen Bagdad lebt. Sie ist davon überzeugt, dass Intellektuelle liquidiert werden, um das Land "schwach und kontrollierbar" zu machen. "Wir verlieren so 20 bis 30 Jahre Ausbildung". (El Pais v. 28. April 06 http://www.elpais.es)
"Die Ermordung irakischer Akademiker und medizinischer Fachkräfte ist Teil eines bewussten Versuchs, den Irak an der Wiedererlangung seines rechtmäßigen, unabhängigen und souveränen Status zu hindern." So die Schlussfolgerung der an dem Madrider Seminar teilnehmenden Organisationen, darunter die Iraq-Tribunal-Initiative, Deutschland (http://iraktribunal.de).
Schon am 14. Juli 2004 hatte der lang gediente Korrespondent Robert Fisk aus dem Irak berichtet: "Die Mitarbeiter der Universität vermuten, dass es eine Kampagne gibt, den Irak seiner Akademiker zu berauben, um die Zerstörung der kulturellen Identität des Irak zu vollenden, die mit dem Einmarsch der US-Armee in Bagdad begann." Laut Angaben der UN-Universität wurden 84 Prozent der irakischen Einrichtungen der Hochschulbildung niedergebrannt, geplündert oder zerstört. Das irakische Bildungssystem war eines der besten in der Region; einer der bedeutendsten Aktivposten des Landes war seine gut ausgebildete Bevölkerung. (Siehe die ausführliche Dokumentation unter: http://www.brusselstribunal.org/Academics.htm)
Wer sind die Mordgehilfen?
Niemand ist im Irak bisher strafrechtlich verfolgt, geschweige denn verhaftet worden. Niemand hat für diese Morde die Verantwortung übernommen. Das Besatzungsrecht bestimme, so Haifa Zangana mit bitterer Ironie, dass alle ausländischen Soldaten, Diplomaten oder Unternehmen, die in die Ermordung von irakischen Zivilisten verwickelt sind, Immunität vor Verhaftung oder gerichtlicher Verfolgung im Irak genießen.
Als ein Mann wie John Negroponte , der als Karrierediplomat in den 80er Jahren auf dem Höhepunkt der Aufstandsbekämpfung in Zentralamerika US-Botschafter in Honduras war, im Juni 2004 die Leitung der US-Botschaft in Bagdad übernahm, kam die "Salvador-Option" in Fahrt. Negroponte, der heutige "Director of Intelligence", eine Art US-Oberbehörde aller 15 Geheimdienste, gilt als erfahrener Spezialist für die Vorbereitung und Anleitung von außergerichtlichen Tötungen. Auch andere Veteranen aus dem "schmutzigen Krieg" der USA wurden im Irak eingesetzt. Sie beaufsichtigten die Operationen des irakischen Innenministeriums. So James Steele, der frühere Leiter der Operationen gegen den Aufstand in El Salvador, und Steve Casteels, der an den Anti-Guerilla- und Anti-Rauschgift-Operationen in Kolumbien, Peru und anderswo mitwirkte.
Es gebe sicher eine Vielzahl von operierenden Gruppen, meint Sandy English, aber alles deute auf ein führende Rolle der Todesschwadronen hin, die von Unterstützern der pro-amerikanischen Regierung, besonders im Innenministerium, organisiert werden. Sie arbeiteten mit schiitisch-fundamentalistischen Milizen wie den Badr-Brigaden zusammen. (Sandy English, "Hundreds of Iraqi academics and professionals assassinated by death squads", 6. März 06 http://www.wsws.org/articles/2006/mar2006/acad-m06_prn.shtml) "Sie werden
auch die Männer in Schwarz genannt," schreibt Mutahana Hareth Al-Dari, ein Sprecher der Irakischen Vereinigung Muslimischer Gelehrter in der ägytischen Wochenzeitung Al-Ahram Weekly Online. "Niemand wagt sie zu identifizieren, obgleich jeder weiß wer sie sind. Es sind Gruppen, die von einigen politischen Parteien zusammengestellt werden, die sich im Innenministerium eingerichtet haben."
Auf die Spur des Täterkreises deutet auch der Anschlag auf die Goldene Moschee in Samarra am 22. Februar, der offensichtlich wie andere derartige Anschläge zu dem Zweck unternommen wurde, Konflikte zwischen Schiiten und Sunniten zu schüren. Sogar der irakische Bauminister Jassem Mohammed Jaafar musste nach einer Untersuchung einräumen, dass dies "das Werk von Spezialisten war. Löcher wurden in die vier Hauptsäulen des Mausoleums gebohrt und mit Sprengstoff gefüllt. Dann wurden die Ladungen mit einander verbunden, sowie mit einer anderen, die direkt unter der Kuppel platziert war. Die Drähte wurden dann mit einem Zünder verbunden, der aus der Entfernung gezündet wurde" (http://www.uruknet.info/?p=m20998)
Iman Ahmad Khamas berichtete in Madrid von Fällen, wo Besatzungstruppen und schiitische Milizen Hand in Hand gearbeitet hätten. So als schiitische Milizen beim Versuch, in den Bagdader, vorwiegend sunnitischen Stadtteil Adhamiya einzudringen, von den Einwohner mit Waffengewalt zurückgeschlagen wurden, woraufhin die US-Truppen eingriffen, um gegen die sunnitischen Kämpfer vorzugehen. Andernorts würden die Besatzer seelenruhig der Zerstörung von sunnitischen Moscheen zusehen.
Was kann getan werden?
Anfang des Jahres wurde ein internationaler dringender Appell lanciert. Darin wird insbesondere der Sonderberichterstatter für extralegale, summarische oder willkürliche Exekutionen beim Hohen Kommissar der UN für Menschenrechte (UNHRC) in Genf aufgefordert, tätig zu werden. Dieser hat das klare Mandat, Fälle aufzugreifen und nachdrücklich von den irakischen und Besatzungsbehörden zu fordern, irakische Akademiker wie auch andere Zivilpersonen zu schützen. Der Appell wurde bisher von über 8000 Personen unterzeichnet, aus Deutschland zum Beispiel vom Vorstand der deutschen Sektion von IPPNW, und kann weiter im Internet (http://www.petitiononline.com/Iraqacad/petition.html) unterzeichnet werden (bisherige Unterzeichner aus Deutschland: http://www.iraktribunal.de/dokus/appell_okt2005.htm).
Die Teilnehmer des Madrider Seminars haben nun dazu aufgerufen, das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte zu drängen, seiner Verpflichtung nachzukommen, das Leben und die Menschenrechte irakischer Ärzte und Akademiker sowie aller irakischen Zivilisten zu schützen. Sie appellieren an Abgeordnete, das Problem in Parlamenten zur Sprache zu bringen. In Spanien will die Autonome Universität Madrid mit anderen spanischen Universitäten von der UNESCO eine Untersuchung fordern. Schließlich sollen Verbindungen zwischen irakischen Akademikern im Exil und im Irak und ihren Kollegen an Universitäten weltweit aufgebaut werden.
Online-Flyer Nr. 42 vom 02.05.2006
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