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Aktueller Online-Flyer vom 27. April 2024  

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Krieg und Frieden
Warum von und zu die Bundeswehr verkleinern und keine Wehrpflicht mehr will
Geschäftsfeld: Krieg
Von Emma Orisz

Armeen dezimieren ihren Personalbestand - nicht etwa aus Vernunftsgründen oder aus einem frisch entdeckten Pazifismus, sondern selbstverständlich aufgrund einer wirtschaftlichen “Notwendigkeit”. Tätigkeiten, die einst in Armeehand waren, werden ausgegliedert r an Unternehmen der Kriegsdienstleisterbranche überführt. Die wiederum freuen sich über die hochqualifizierten Ex-SoldatInnen, die ihren Job bei Armeen verloren haben und auf dem zivilen Arbeitsmarkt keinerlei Chancen sehen. Somit bleiben diejenigen, die einst für eine Flagge gemordet oder beim Morden geholfen haben, in ihrem Metier, nur dass sie nun für Cash morden. Ob unser Freiherr von und zu Guttenberg deshalb die Zahl der Bundeswehrsoldaten heftig runterfahren und die Wehrpflicht abschaffen will? Die Kriegsdienstleister-Branche dürfte sich schon jetzt die Hände reiben und Daumen drücken, dass er das schafft. Emma Orisz hat zu diesem Thema nach Auffassung der NRhZ-Redaktion auf ihrem Blog die richtigen Fragen gestellt.
 

Freiherr von und zu Guttenberg - Wem
sollen seine Sparmaßnahmen bei der
Bundswehr am Ende nützen?  
Quelle: www.bmwi.de
Ihre Fragen werden keinswegs dadurch relativiert, daß an der Handlungsfähigkeit und „Seriosität“ des Kriegs-dienstleisters Asgaard mittlerweile Zweifel angemeldet wurden, die Knuth Mellenthin in mehreren junge Welt-Artikeln zum Ausdruck gebracht hat (1)(2)(3), die aber der Wichtigkeit des von Emma Orosz begonnenen Diskurses keinen Abbruch tun. Entdeckt haben wir Emma Orisz und ihren Blog, wo sie unter „no(s)way!“ am 08.06.2010 22:26 unter dem Thema Militarismus Weltweit mitteilt, warum sie die Medienaufmerksamkeit bezüglich des „privaten Sicherheits- und Militärunternehmens“ ASGAARD German Security Group (SGS) zum Anlass nahm, „den antimilitaristischen Diskurs um das bisher viel zu sehr missachtete Problem der privatisierten Kriegsführung, die auch hierzulande auf dem Vormarsch ist, zu erweitern“. Sie beginnt mit dieser Überschrift:     
 
Neoliberaler Militarismus – eine Bestandsaufnahme

Das Phänomen des Söldnertums ist nicht neu. So zieht sich die Idee einer Armee, die nicht für ihr „Vaterland“ sondern für die jeweiligen Geldbeutel der engagierten Individuen in den Krieg zieht, seit Jahrtausenden durch die Geschichte.

Während der großen Abrüstungswelle nach dem Kalten Krieg entdeckte die kapitalistische Wirtschaft viele nun arbeitslose SoldatInnen als gut qualifizierte Arbeitskräfte für sich und gebar die Idee der privaten Sicherheits- und Militärdienstleister (im Folgenden: Kriegsdienstleister). Die alte Idee des Söldnertums wurde in die neoliberale Gegenwart übersetzt.

Heute stehen rund 1,5 Mio. Menschen für private Armeen unter Waffen, der Großteil dieser modernen SöldnerInnen kommt aus ärmeren Ländern wie Nepal, Uganda oder Chile, doch die weit über 1.000 Kriegsdienstleistungs-unternehmen weltweit, die in etwa 100 Ländern tätig sind, setzen zusätzlich auf gut qualifizierte ehemalige SoldatInnen oder PolizistInnen aus NATO-Staaten. Durch die hohen Verdienstmöglichkeiten von bis zu 2.000 US-$/Tag bei Kampfeinsätzen in Krisenregionen wie Irak und Afghanistanerfreut sich der SöldnerInnenberuf bei ausscheidenden SoldatInnen zunehmender Beliebtheit.
Gut in Erinnerung dürfte dank all der medialen Aufmerksamkeit der US-amerikanische Kriegsdienstleister „Blackwater“ (Heute: „Xe“) sein. Blackwater war in diverse Affären verwickelt und stellt zusammen mit anderen Unternehmen rund die Hälfte der US-Truppen im Irak.
Für die Staaten, die Militärdienstleister engagieren, bieten diese viele Vorteile; zum einen genießen die Militärunternehmen eine gewisse rechtliche Immunität. So sind zum Beispiel Söldnerfirmen, die durch die US-Regierung im Irak engagiert werden, durch ihre Arbeitsverträge sowie besondere Abkommen zwischen den USA und dem Irak vor kriegsvölkerrechtlicher und strafrechtlicher Verfolgung geschützt. In Afghanistan werden Kriegsdienstleister gerne eingesetzt um Tätigkeiten zu verüben, die das ISAF-Mandat überschreiten. So sind sie unter dem Schutz der NATO-Kräfte federführend daran beteiligt, die Opiumfelder, die eine der Haupteinnahmequellen der Taliban darstellen, zu vernichten. Außerdem hilft der Einsatz von Kriegsdienstleistern dem sie engagierenden Akteur, bei der Verschleierung der Opferstatistiken. Getötete SöldnerInnen tauchen in den Veröffentlichungen der Zahlen von gefallenen SoldatInnen nicht auf - der Öffentlichkeit wird ein verzerrtes Bild der Tatsachen präsentiert.

Blackwater – dunkle Abgründe im Irak

Blackwater Söldner im Irak
So verdient man als SöldnerInnen sein/ihr Geld
Quelle: Blackwater
 
Besonders anschaulich wird das Phänomen dieses Rechte-immunen Kriegsdienstleisters am Beispiel diverser Vorfälle, in die das Unternehmen Blackwater im Irak verwickelt war. So erschoss zum Beispiel ein alkoholisierter Blackwater-Söldner im Dezember 2006 den Leibwächter des irakischen Vizepräsidenten, ohne sich bisher dafür vor einem Gericht verantworten zu müssen.

Im September 2007 verübten Blackwater-MitarbeiterInnen nach einem vermeintlichen Angriff auf ihren Konvoi ein Massaker, bei dem 17 ZivilistInnen getötet und 24 schwer verletzt wurden. In Folge dieses Vorfalls versuchten die irakischen Behörden Blackwater die Lizenz für Aktivitäten auf irakischem Boden zu entziehen; es stellte sich jedoch heraus, dass es keine Lizenz gab, die ihnen hätte entzogen werden können. Durch das „Memorandum 17“ der US-Verwaltung im Irak operieren Blackwater-MitarbeiterInnen in einer legalen Grauzone - immun gegen irakisches Recht und unbehelligt von US-amerikanischen Gerichten.

Schlußendlich gelang es den irakischen Behörden durch die große mediale Öffentlichkeit die US-Regierung zum Abzug der Blackwater-SöldnerInnen zu bewegen. Blackwater änderte nach diesen image-schädigenden Vorfällen den Namen in „Xe“ und konzentriert sich nun statt auf den Irak auf Afghanistan.

Wer zahlen kann, ist sicher!

Doch nicht nur in den NATO-Kriegsregionen sind SöldnerInnen im Einsatz. So schützen in Lateinamerika Großgrundbesitzer sich und ihr Eigentum durch das Engagement von Privatarmeen. In diversen Krisenregionen mit hohen Profitchancen, beispielweise dem Sudan, schützen sich Konzerne durch den Einsatz von Kriegsdienstleistern. Es ist schwer an Zahlen zu gelangen, die die wirtschaftliche Bedeutung dieser Kriegsbranche darstellen. Die US-Regierung scheint noch am transparentesten, und so tauchte die Zahl von 113,4 Mrd. US $ als Etat für „andere [militärische] Dienstleistungen“ auf, die die USA 2006 aufbrachten.

Krieg & Geld? Nicht ohne Deutschland!

Sicher, deutsches Engagement darf bei einem so blutigen und profitablen Geschäftsfeld nicht fehlen. Und so erweist die Bundeswehr - finanziert durch die braven SteuerzahlerInnen - der Kriegsdienstleisterbranche einen guten Dienst, indem sie ausscheidenden SoldatInnen einen Berufsförderungsdienst zukommen lässt, der es ihnen ermöglichen soll, im zivilen Leben wieder Fuß zu fassen. Dieser Berufsförderungsdienst bezahlt den SoldatInnen diverse Aus- und Fortbildungen, so auch diejenigen, die es ihnen ermöglichen in der privaten Kriegswirtschaft Fuß zu fassen.

Dadurch werden deutsche Ex-SoldatInnen bei Kriegsdienstleistern gefragte ArbeitnehmerInnen. In den letzten zwei Jahren stieg die Zahl derjenigen deutschen Ex-SoldatInnen, die eine Fortbildung für die Kriegsdienstleister-Branche in Anspruch nahmen, um 80%. Immerhin erwartet deutsche Ex-SoldatInnen mit sechs bis acht Jahren „Berufserfahrung“ ein Einkommen von 200.000 bis 300.000 US $ jährlich. Der ehemalige Offizier und Politologe, Franz Hutsch, der sich intensiv mit deutschen SöldnerInnen befaßt hat, beschreibt in seinem Buch “Exportschlager Tod”, in dem er das Leben von SöldnerInnen untersucht, die unterschiedlichen Motivationen, aufgrund derer deutsche Ex-SoldatInnen die private Kriegsbranche gewählt haben. Führend ist dabei vor allem die finanzielle Gier. So zitiert er einen Söldner der angibt, sein hübsches Eigenheim nach wenigen Jahren im Beruf abbezahlt zu haben.

Eine andere, nicht so starke doch existente Motivation von SöldnerInnen ist laut Hutsch ein rechtsradikales und islamophobes Weltbild. Viele dieser neofaschistischen Individuen seien schon im Jugoslawienkrieg aktiv gewesen, leiteten ihre “Heldengeschichten” aus dem  deutschen Faschismus ab und ließen sich nun gezielt für den Irak oder Afghanistan anheuern um “Mohammedaner” zu töten.

Kriegsdienstleister-Service mit neofaschistischer Symbolik

Darstellung des dt. Kriegsdienstleisters, Runenschrift, Knarren & Dlandfahne
Alte Symbole für das erneuerte Deutschland
Quelle: Website Asgaard, Montage: Autorin
 
ASGAARD GSG, das führende deutsche Unternehmen in der Kriegsdienstleister-Branche, dürfte diese neofaschistischen Gewaltfetischisten besonders ansprechen. So setzt das Unternehmen schon bei der Namenwahl auf germanische Mythologie. Asgaard war einst der Wohnort der Asen, eines germanischen Göttergeschlechts, dessen Stammvater der Gott Odin war, den Adolf Hitler besonders verehrte. Die von dem Unternehmen verwendete Schreibweise ist deshalb besonders aus der Neonazi-Szene bekannt. Eine Nachfrage des Tagesspiegel, ob die Schreibweise auf einen “rechtsextremen Hintergrund schließen lasse”, ließ der Asgaard-Geschäftsführer Thomas Kaltegärtner unkommentiert, sprach von einem „nordischen kämpferischen Volk“ und betonte, Deutschland habe eine lange Geschichte, „nicht nur das Dritte Reich“.

Im Mai 2010 berichteten NDR-Info und Tagesschau, dass über „100 ehemalige Bundeswehrsoldaten […] schon bald in den Bürgerkrieg in Somalia eingreifen“ sollten. Denn der somalische Politiker Ahmad Darman, der sich selbst als gewählten Präsidenten der Republik Somalia bezeichne, habe Ende 2009 einen Vertrag mit Asgaard geschlossen, der „von der strategischen Beratung und Planung zur Sicherheit bis hin zur operativen Umsetzung und Durchführung aller Maßnahmen [reiche], die notwendig sind, um Sicherheit und Frieden wiederherzustellen”. Viele Kritiker halten diesen Deal für schwer umsetzbar und gehen davon aus, dass beide Seiten trotz des wahrscheinlichen Nichteintretens ihres Planes doch die große Publicity forcieren wollten. Und Asgaard braucht Aufmerksamkeit, denn dieses sympathische Unternehmen will in den nächsten Jahren expandieren und Tochterfirmen in Nigeria, Afghanistan, Dubai, Kroatien, Marokko, Somalia, Tschad und Pakistan aufbauen. Andere deutsche Kriegsdienstleister sind “Praetoria” und “Praesidia Defense”.

Wo kann eine emazipatorische Kritik ansetzen?

Während die bürgerliche Presse die Aufweichung des staatlichen Machtmonopols als Hauptgefahr bei der zunehmenden Privatisierung des Krieges sieht, sollte emanzipatorische Kritik darüber hinausgehen. Es ist nötig, auch anhand des perversen Beispiels einer Kriegsbranche die widerliche “Logik” des entfesselten, neoliberalen Kapitalismus darzustellen und dann anhand dessen eine schlagfertige Kritik zu formulieren.

Armeen dezimieren ihren Personalbestand - nicht etwa aus Vernunftsgründen oder aus einem frisch entdeckten Pazifismus, sondern selbstverständlich aufgrund einer wirtschaftlichen “Notwendigkeit”. Tätigkeiten, die einst in Armeehand waren, werden ausgegliedert und an Unternehmen der Kriegsdienstleisterbranche überführt. Diese wiederum freut sich über die hochqualifizierten Ex-SoldatInnen, die ihren Job bei Armeen verloren haben und auf dem zivilen Arbeitsmarkt keinerlei Chancen sehen. Somit bleiben diejenigen, die einst für eine Flagge gemordet oder beim Morden geholfen haben, in ihrem Metier, nur dass sie nicht mehr zwingend für eine Flagge sondern primär für's Cash morden.

Das Erschreckende daran ist, dass dieser Kreislauf aus gängiger ökonomischer Sicht grundsätzlich Sinn macht und zwar für alle Beteiligten. Auch für die Ex-SoldatIinnen, die als SöldnerInnen ein Vielfaches ihres bisherigen Gehalts verdienen könnn. Unter den Tisch gekehrt werden dabei nach gewohnter kapitalistischer Kurzsichtigkeit die unglaublichen  menschlichen und politischen Folgen:

Das Söldnerindividuum sieht sich aus wirtschaftlicher Sicht gezwungen, seinen blutigen Soldatenberuf weiterzuführen. Durch seine kapitalistische Sozialisation sieht er/sie es gegebenenfalls sogar als “vernünftig” an seinen/ihren Job zu verrichten. Dabei nimmt er/sie sowohl die an anderen verübten Gräuel als auch den eigenen Tod und den psychischen Suizid, des Verdienstes wegen in Kauf.

Schon jetzt ist bei vielen Unternehmen eine steigende Tendenz bei den Ausgaben für “Sicherheit” zu verzeichnen. Während heute noch meist staatliche Armeen (selbstverständlich mit privatwirtschaftlicher Unterstützung) Kriege führen, um sich beziehungsweise der “heimischen” Wirtschaft beispielsweise Rohstoffe zu sichern, ist zu befürchten, dass diejenigen “Global Player”, die es sich leisten können, selbst per Krieg versuchen werden, gewisse (wirtschaftliche) Ziele zu erreichen. Auch die Niederschlagung von Arbeitskämpfen o.ä. könnte eines Tages dazu zählen - durch von den Unternehmen engagierte Privatarmeen.

Doch der widerlichste Punkt ist zweifellos, dass private Kriegsdienstleister, nach kapitalistischer Logik auf Profit aus sind und folglich eher versuchen werden, Konflikte anzuheizen anstatt sie zu beenden. In wieweit sie sich hier von einer unter dem Einfluß einer mächtigen Waffenlobby stehenden staatlichen Armee unterscheiden, wäre zu untersuchen. Unter Beachtung der Geldsummen, um die es bei Rüstungsgeschäften geht, ist es allerdings ganz klar, dass auch ein noch so “humanistischer”, westlicher Staat wohl wenig dagegen hätte, wenn ein “heimisches” Unternehmen Kriege auf der anderen Seite der Welt anheizte, solange es zuhause Steuern bezahlt, die Rüstungsindustrie unterstützt und das BIP nach oben schnellen lässt.

Besonders deutlich wird an diesem Punkt mal wieder wie absurd und reaktionär die kapitalistische ”Logik” ist und wie sehr sich Nationalstaaten, Regierungen und Parlamente doch damit identifizieren können.

Dieser Artikel aus dem noch jungen Blog von Emma Orisz www.nosway.blogsport.de versteht sich als informativer und inspirierender Teil eines zeitgemäßen antimilitaristischen Diskurses innerhalb emanzipatorischer Bewegungen. Es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit und das soll gerade dadurch zur selbständigen Recherche anregen. Die Gedankenfetzen für eine emanzipatorische Kritik sind bewusst kurz gehalten und wollen Antworten und Ergänzungen forcieren! (PK)
 
(1) http://www.jungewelt.de/2010/05-26/063.php
(2) http://www.jungewelt.de/2010/05-28/019.php
(3) http://www.jungewelt.de/2010/06-01/027.php


Online-Flyer Nr. 254  vom 16.06.2010

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