NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

zurück  
Druckversion

Globales
Abgeordnete Hanin Soabi: „Sie wollten viele Tote, um uns zu terrorisieren“
Der Angriff auf das Hilfsschiff
Von Jonathan Cook

Die arabische Abgeordnete des israelischen Parlaments, Hanin Soabi, die an Bord eines Schiffes der internationalen Hilfsflottille war, die am Montag vergangener Woche angegriffen wurde, als man versuchte, humanitäre Hilfe nach Gaza zu bringen, hat Israel angeklagt, mit Absicht Friedensaktivisten zu töten – als gezielte Methode, künftige Konvois abzuschrecken. Israelische Schiffe hätten bereits ein paar Minuten, bevor die Kommandosoldaten sich von einem Hubschrauber direkt über ihnen abseilten, das Flaggschiff „Mavi Marmara“ umrundet und das Feuer darauf eröffnet.
 

Hanin Soabi
Quelle: www.jcook.net.
Anschließend seien die erschrockenen Passagiere unter Deck gezwungen worden, indem man  sie mit Wasser bespritzte. Soabi sagte, sie habe keinerlei Provokation oder Widerstand der Passagiere wahrgenommen, die alle unbewaffnet gewesen seien. Bereits Minuten nach Beginn des Überfalls seien drei Leichen in den Hauptraum des Oberdecks der „Mavi Marmara“ gebracht worden, in dem sie zusammen mit den meisten anderen Passagiere eingesperrt wurden. Zwei hätten Schusswunden im Kopf gehabt, was für sie nach Hinrichtungen ausgesehen habe. Zwei andere Passagiere seien langsam verblutet, nachdem die israelischen Soldaten Mitteilungen ignoriert hatten, die sie in hebräischer Sprache aus einem Fenster gehalten hatten, auf denen sie selbst medizinische Hilfe herbeigerufen habe, um deren Leben zu retten. Sie sagte, sie habe sieben weitere Passagiere gesehen, die schwer verwundet waren.
 
„Israel hatte Tage um diese Operation zu planen“, sagte Hanin Soabi in einer Pressekonferenz in Nazareth. „Sie wollten viele Tote, um uns zu terrorisieren und um die Nachricht zu senden, daß auch in Zukunft kein Hilfskonvoi versuchen sollte, die Belagerung von Gaza zu durchbrechen.“ Sie sprach gestern Morgen (A.d.Ü: der Originalartikel erschien am 2. Juni), möglicherweise aufgrund ihrer parlamentarischen Immunität früher freigelassen, während die meisten anderen der hunderte Aktivisten noch in israelischer Abschiebehaft waren.
 
Drei andere FührerInnen der arabischen Minderheit in Israel, einschließlich Scheich Raed Salah, eines spirituellen Führers, wurden inhaftiert, als ihre Schiffe im Hafen Ashdod andockten. Rechtsanwälte sagten, sie könnten nach israelischem Gesetz bis zu 30 Tagen ohne Anklage festgehalten werden.
 
Entgegen dem, was Israels Führung behauptet, sagte Soabi, daß bei einer Durchsuchung durch die Soldaten, nachdem sie die Kontrolle über die Marmara übernommen hatten, keinerlei Waffen gefunden wurden. Es sei von vitalem Interesse, daß die Welt, anstatt Israel zu erlauben, mit einer Untersuchung durch das eigene Militär die Wahrheit zu übertünchen, eine unabhängige Untersuchung durch die Vereinten Nationen fordere.
 
Soabi sprach, während PalästinenserInnen sowohl innerhalb Israels als auch in den besetzten Gebieten nach einem Aufruf ihrer politischen Führer in einen Generalstreik getreten waren. Ein Statement der wichtigsten politischen Körperschaft für die palästinensischen Bürger Israels nannte den Überfall auf die Flotte Staatsterrorismus.
 
Demonstrationen in den meisten der israelischen Städte und Dörfer in Israel verliefen friedlich. Lokale AnalystInnen beschrieben die Stimmung als wütend, gleichzeitig gedrückt – und das nicht zuletzt wegen der Razzien gegen die palästinensischen Proteste während des israelischen Angriffs auf Gaza vor 18 Monaten. Gleichzeitig wurde für die Polizei eine hohe Bereitschaftsstufe ausgerufen und tausende zusätzliche Offiziere wurden in den Norden Israels befohlen. Dort leben die meisten PalästinenserInnen.
 
Am Montag kam es in der Altstadt von Jerusalem, in der Nähe der al-Aqsa-Moschee, zu  Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei, ebenso in der nordisraelischen Stadt Umm al-Fahm, nachdem unwahre Gerüchte die Runde gemacht hatten, daß Scheich Salah, der Vorsitzende der wichtigsten Islamischen Bewegung, bei der israelischen Marineoperation getötet worden sei.
 
Schon vor dem Angriff auf die Flottille wappnete sich die palästinensische Minderheit, die ein Fünftel der israelischen Bevölkerung ausmacht, gegen eine starke Gegenreaktion seitens Regierung und jüdischer Öffentlichkeit wegen der Teilnahme ihrer AnführerInnen an der Flottille. Als die Schiffe die Segel gesetzt hatten, fragte Israels populärste Internet-Nachrichtenseiten, Ynet, ob Soabi „eine Abgeordnete im Dienst von Hamas“ sei.
 
Doch jetzt, konfrontiert mit den schwerwiegenden diplomatischen Reaktionen auf Israels Tötung von Friedensaktivisten, warnten AnführerInnen der PalästinenserInnen Israels, daß man in den nächsten Tagen noch heftigerer Kritik ausgesetzt werde.
 
Am 1. Juni begannen die ersten Angriffe auf Soabi und verlangten den Widerruf ihrer parlamentarischen Immunität und ihren Hinauswurf aus dem Parlament. Danny Danon, ein Mitglied der Likud-Partei von Premierminister Netanyahu, rief dazu auf, sie „wegen Verrat vor Gericht zu stellen“.
 
In ihrem Statement zum Angriff auf die Flottille sagte Soabi, dass am Montag (A.d.Ü. den 31.5.) mindestens 14 israelische Boote ihr Schiff 130 km weit auf See, in internationalen Gewässern, umzingelt hätten. Die Passagiere seien durch den Lärm und die Konfusion, als das Kommando sich auf das Deck abseilte, von Angst ergriffen worden. „Ich habe nicht geglaubt, daß wir mehr als fünf Minuten überleben würden“, sagte sie.
 
Taleb as-Sana, eine andere palästinensische Abgeordnete, unterstützte Soabis Darstellung, daß die Behauptungen Israels, nach denen man lediglich auf die Beine der Passagiere geschossen habe, falsch seien. „Ich selber habe die Verwundeten im Hospital besucht und alle hatten Schußwunden am Kopf und am Körper“, sagte er.
 
Adalah, ein juristisches Zentrum für Israels Arabische Minderheit, berichtete, daß neun Rechtsanwälten eingeschränkter Zugang zu den Hunderten von Aktivisten „unter sehr schwierigen Bedingungen“ erlaubt wurde, um deren Aussagen aufzunehmen. Anwälte und Menschenrechtsgruppen versuchen ebenfalls in Erfahrung zu bringen, wer verletzt wurde und wo diese Menschen behandelt werden.
 
Gaby Rubin, eine der Sprecherinnen für Adalah sagte: „Nach unserer Ansicht versucht Israel mit Absicht, diese Arbeit zu behindern und eine allgemeine Informationssperre durchzusetzen.“ (PK)

Quelle dieses Artikels: http://www.maannews.net/eng/ViewDetails.aspx?ID=289018
 

Jonathan Cook
Quelle: www.jcook.net.
Jonathan Cook ist ein Schriftsteller und Journalist, der in Nazareth lebt und dessen Artikel nicht nur von vielen englischsprachigen Medien übernommen werden, sondern auch von vielen anderen beispielsweise ins Polnische, Italienische, Französische und Spanische übersetzt werden. Mit seiner Erlaubnis bringen wir diesen Artikel, von dem eine vorherige Fassung unter Anderem hier zu finden ist: http://www.thenational.ae/apps/pbcs.dll/article?AID=/20100602/FOREIGN/706019813&SearchID=73392539163614<br.
 
Zu seinem neuesten Buch, das besonders gut zur aktuellen Situation passt, „Disappearing Palestine“, gibt es weitere Informationen hier: http://www.amazon.de/Disappearing-Palestine-Israels-Experiments-Despair/dp/1848130317/ref=sr_1_2?ie=UTF8&s=books-intl-de&qid=1275833017&sr=8-2
Cooks website: www.jcook.net.


Online-Flyer Nr. 253  vom 09.06.2010

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE