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Aktueller Online-Flyer vom 19. April 2024  

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Sport
U23 Juniorinnen verpassen Sieg nach 2:0 Führung gegen USA
WM Flair mit College Girls
Von Bernd J.R. Henke

Die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) musste sich im Georg-Gassmann-Stadion in der Universitätsstadt Marburg mit einem 2:2 (2:1) gegen die USA begnügen. Schon im fünften Aufeinandertreffen verpassten die deutschen U23 Juniorinnen einen Sieg. Die College Girls aus den Vereinigten Staaten bestachen durch physische Stärke. In ihren goldfarbenen Trikots brillierten sie durch technische Fertigkeiten und gut organisierte Raumaufteilung. Außer der erfahrenen Torfrau Kelsey Davis (Chicago Red Stars) aus der Profilliga WPS bestand der 18er-Kader der Amerikanerinnen ausschließlich aus Spielerinnen der amerikanischen Colleges. US-Trainer Bill Irwin bestand darauf, während der zehntägigen Deutschland-Reise neue hoffnungsvolle Namen und Gesichter zu präsentieren.
 
Vor 1200 Zuschauern brachten die Leverkusenerin Lisa Schwab (43.) und Marie Pollmann vom Herforder SV (44.) die deutsche Mannschaft in Führung. Mariah Nogueira (45.) und Sarah Hagen (82.) trafen für die US-Auswahl. Mit Isabel Kerschowski, Josephine Henning, Carolin Schiewe und Stefanie Draws hatte die deutsche Mannschaft vier Potsdamer Champions League 2010-Gewinnerinnen dabei, die noch am Pfingstmontag zu Hause auf dem Luisenplatz vor dem Brandenburger in Potsdam frenetisch von den Fans gefeiert wurden. Die zweikampfstarke Isabel Kerschowski verstand es, in Bestform die Amerikanerinnen im Mittelfeld und in der Offensive meisterhaft in Bedrängnis zu bringen. Die robuste Josephine Henning und die links- und rechtsfüßige Verteidigerin Verena Faißt ( SC Freiburg) formierten mit der groß gewachsenen Caroline Schiewe (Turbine Potsdam) mit gutem Stellungsspiel die deutsche Defensive.
 
WM-Botschafterin
 
Die sympathische WM-Botschafterin und Rekordnationalspielerin Sandra Minnert, die gemeinsam mit Bundestrainerin Sylvia Neid aufmerksam von der Tribüne des Marburger Georg-Gassmann-Stadion aus den deutschen Nachwuchs sichtete, äußerte: „Zäh angefangen“ habe das Spiel, in den ersten Minuten zerfahren, aber nach zwanzig Minuten besser ins Spiel kommend, wäre das deutsche Sturmspiel sukzessiv schneller geworden und hätte die US-Auswahl gegen Ende kolossal unter Druck gesetzt. Kurz vor Halbzeit gelang der deutschen Mannschaft ein imposanter schneller Doppelschlag, den zunächst die Leverkusenerin und Bundesligaaufsteigerin Lisa Schwab aus zentraler Position laufend (43.) aus 16 Metern ins rechte untere Eck des US-Kastens zur 1:0 Führung begann. Der Herforderin und Liga-Aufsteigerin, Marie Pollmann, gelang aus vollem Lauf auf halbrechter Seite im Duell mit der amerikanischen Abwehr (44.) sechzig Sekunden danach frei vor Torhüterin Kelsey Davis das 2:0.
 
Hochklassig
 
Trainerin Ulrike Ballweg frohlockte, dem ersten Sieg scheinbar nahe, aber nur eine Minute. Dann kam die kalte Dusche - nicht nur durch den einsetzenden Regen; nein das Stanford College-Girl Mariah Nogueira (45.) setzte sich mit einem Alleingang gegen die wie gelähmt wirkende deutsche Hintermannschaft durch und überwand last not least auch die zuverlässige A-Nationalmannschaft-Torfrau Lisa Weiß (SG Essen-Schönebeck). Drei Tore in drei Minuten in einem kampfbetonten Spiel mit bester Raumdeckung beider Teams - das war hochklassig herausgespielt von beiden Sturmreihen. Die Amerikanerinnen waren stärker in der Physis, die Deutschen etwas stärker im Defensivspiel. In der Halbzeit setzte starker Regen ein, der im zweiten Durchgang den Spielfluss beeinträchtigte.
 
Trainingseinheiten
 
Während der Teepause im trockenen VIP-Raum bemerkte ein Spielbeobachter aus der Marburger Stadtverwaltung, dass die agilen Amerikanerinnen gegen die männliche C-Jugend der TSG Wieseck am Pfingstmontag in Gießen gespielt hätten. Sein Kollege berichtete von einem Fußballspiel der deutschen U23-Auswahl gegen eine männliche U15 Auswahl am selben Tag. Nach zwischenzeitlicher 2:0-Führung empfand die Bundestrainerin das Remis natürlich als „sehr ärgerlich“, zeigte sich auf der anderen Seite aber zufrieden mit dem Lehrgang ihrer Mannschaft. Für die U23 gibt es wenig Turniere und auch weniger Lehrgänge, dennoch ist die Auswahl für Ulrike Ballweg unverzichtbar. „Es gibt einfach Spielerinnen, die zu alt sind für die U20, aber noch nicht reif für die A-Nationalmannschaft. Auch denen muss eine Plattform mit internationalem Niveau geboten werden. Die Bundesliga ist da nicht ausreichend.“
 
College-Fußball
 
Von den 18 Millionen Amerikanern, die Fußball spielen, sind 78 % jünger als achtzehn. In den Neunzigerjahren galt Fußball als College- und Hochschulsport mit der schnellsten Wachstumsrate im Land. Experten führen die Beliebtheit dieses Sports unter Kindern auf die Tatsache zurück, dass nahezu jeder ihn spielen kann. Es gibt Mannschaften für Mädchen, Jungen, ältere Kinder und Jugendliche. Diese große Beteiligung von Kindern und Jugendlichen trägt dazu bei, die Sportart noch beliebter zu machen. Viele Amerikaner beginnen, sich für Fußball zu interessieren, weil ihre Kinder Fußball spielen. Das hat zur Entstehung des Ausdrucks "soccer mom" geführt. Er bezieht sich auf die große Gruppe von Müttern, die ihre Kinder zu den Fußballspielen bringen und ihnen beim Spielen zusehen. Diese Gruppe hat so an Bedeutung gewonnen, dass sie als informelle politische Interessengruppe anerkannt sind. Aus dem deutschen Sportsystem kennen wir die Unterteilung der Vereine in ein Ligasystem. Leistungsorientiertes Sporttreiben findet bei uns meist in traditionellen Vereinen statt, die in unterschiedlich leistungsstarken Ligen jährlich in Verbandsspielen um Auf- bzw. Abstieg kämpfen.
 
Fußballstipendien                                                                                                                            
 
Dieser traditionelle Vereinssport existiert in den USA jedoch nicht. Der amerikanische Sportbetrieb findet vielmehr fast ausschließlich an den Colleges bzw. den Unis statt. Gespielt wird zwar auch in verschieden Ligen, jedoch erfolgt die Einteilung der Mannschaften in die Ligen weniger nach Leistungsstärke, sondern vielmehr nach der Größe der jeweiligen Hochschule. Unterteilt werden die Divisionen in: NCAA (National Collegiate Athletic Association) I,II und III und NAIA (National Association of Intercollegiate Athletics). Fußball ist eine sehr beliebte Sportart an den US Universitäten und Colleges. Hunderte Universitäten und Colleges vergeben ein Fußballstipendium bzw. Fußballstipendien an gute Fußballerinnen für die Teilnahme an den Uni-Wettkämpfen und womöglich nationalen Meisterschaften der jeweiligen Division. Dazu gehören auch Stanford, Minnesota, Auburn, Georgetown, Wisconsin-Milwaukee, Texas A & M, Florida State, California, Michigan, Notre Dame, Portland, die alle Spielerinnen für den US18er-Kader für die Deutschlandreise gestellt hatten.
 
Rhythmus
 
Die Auswahl von Bundestrainerin Ulrike Ballweg musste sich trotz zwischenzeitlicher 2:0-Führung am Ende mit dem Unentschieden zufrieden geben. „Wir konnten den Rhythmus nicht halten“, so die Fußballlehrerin, deren Mannschaft mit der Halbzeitpause aus dem Tritt geriet. Zur Pause wurde die Essener Torfrau Lisa Weiß durch die FC Bayern-Frau Kathrin Längert vereinbarungsgemäß ausgewechselt. „Die Halbzeit hat uns gebremst, danach kamen wir nie mehr wirklich in Tritt“, so Ballweg, die in den zweiten 45 Minuten eine überlegene US-Mannschaft sah. Dass ihr Team dennoch weiter lange die Führung behaupten konnte, lag auch an einer sehr gut aufgelegten Kathrin Längert, die verstärkt gefordert wurde, dem aber gut standhielt.
 
Freundschaftswechsel                                                                                                                                        
 
Die Bundestrainerin schöpfte ihr komplettes Wechselkontingent aus, was dem Spielfluss ebenfalls nicht zuträglich war - jedoch von vornherein so beabsichtigt war. „Wir wussten, dass viele Spielerinnen nach der Saison müde sind“, erklärte Trainerin Ulrike Ballweg nach dem Spiel. Für Marisa Ewers (Hamburger SV) in der Verteidigung kam in der 76. Minute Stephanie Bunte (VFL Wolfsburg) und für die beste Spielerin auf dem Platz, Isabel Kerschowski im offensiven Mittelfeld, wurde Susanne Hartel (SC Freiburg) ins Spiel genommen. Zeitgleich brachte der US Coach Lauren Barnes (UCLA) die Spielerin Lauren Fowlkes (Notre Dame). Kurz nach ihrer Einwechslung schoß Lauren Fowlkes gefährlich auf das Tor, Torhüterin Längert pariert aber glänzend. Der Spielfluss im Freundschaftsspiel litt natürlich noch stärker, da beide Mannschaften wieder wechselten. Für Lisa Schwab kam die pfeilschnelle Stürmerin Nicole Banecki (FC Bayern München), die im Zusammenspiel mit technisch versierten Vereinskollegin der Münchnerin Julia Simic noch einige gefährliche Angriffe zustande brachte. Für die Zweikampf starke Juliane Maier (SC Freiburg) wechselte Ballweg die Wolfsburgerin Anna Blässe ein. Die Amerikaner nahmen Tori Huster (Florida State) vom Feld und brachten Elli Reed (Portland).
 
Ausgleich                                                                                                                                              
 
Der Ausgleich für die Amerikanerinnen in der 82. Minute war völlig verdient, erzielt wurde er von Sarah Hagen (Wisconsin-Miwaukee) per Kopf. „In der zweiten Halbzeit sind wir nicht mehr ins Spiel gekommen und konnten auch keinen Druck mehr ausüben. Insofern ist das Unentschieden letztendlich leistungsgerecht", sagte Ulrike Ballweg. Der deutschen U23- Mannschaft fehlte die Durchschlagskraft nach vorne. Auffällig war auch die Passungenauigkeit in der zweiten Hälfte des Spieles. Der starke Regen hatte sicherlich auch seine Schuld daran. So fiel der Anspruch zu gewinnen Ende der zweiten Halbzeit sprichwörtlich ins Wasser. Es war am Ende ein Vorbereitungsspiel mit permanenter Regendusche. Die Marburger Zuschauer trugen es mit Gelassenheit. Nicht alle Tage kommt eine Fußball-Nationalmannschaft in die mittelhessische Universitätsstadt an der Lahn. Die öffentlichen Sportanlagen sind jedermann ganztägig offen und zugänglich, trotzdem in einem sehr guten gepflegten Zustand. Vorbildhaft für andere Städte, wo der unorganisierte Freizeitsportler keinen Zugang zu Sportanlagen erhält. Das Marburger Sportamt fördert auch jugendliche Trendsportarten, die noch nicht olympisch sind.
 
Statistik                                                                                                                                                   
 
Im direkten Vergleich der beiden U23-Auswahlteams führen die US-Girls nun mit drei Siegen und zwei Unentschieden. Dem deutschen Nachwuchs gelang noch kein Erfolg gegen die USA. Ob zweimal beim Nordic Cup (0:4 und 0:3), in La Manga (1:1) oder in Wangen (0:1) - gegen die US-Nationalmannschaft gab es für die U23 bisher wenig zu ernten. Nach dem Spiel gegen Deutschland steht für die U23 US College Girls am 29. Mai ebenfalls in Marburg noch ein Vergleich mit der U20 Südkoreas auf dem Programm. Unter den Zuschauern waren viele Mädchenfußball-Mannschaften aus dem Marburger Land. „Der Frauenfußball hat enormes Potenzial“, erklärte kürzlich WM-Botschafter für Dresden Matthias Sammer. Das unterstreichen allein schon die mehr als eine Million weiblichen Mitglieder im DFB. Die Vormacht der Männer in den DFB-Gremien ist aber ungebrochen.
 
Soccer is a kick in the grass and girls play, too
 
In den Vereinigten Staaten machte sich der Frauenfußball das Interesse der Männer zunutze. Ein Slogan lautete: „Beim Fußball geht's zur Sache und Mädchen spielen's auch" (Soccer is a kick in the grass and girls play, too). Fußball ist in den Vereinigten Staaten bei Mädchen genauso beliebt wie bei Jungen. Mehr als 40 Prozent der Fußballspieler in den Vereinigten Staaten sind Frauen. Fußball ist auch der beliebteste College-Sport unter Frauen. 2001 spielten 18.188 Frauen in den drei College-Ligen, verglichen mit 17.788, die Leichtathletik belegten. In einigen Fällen sind Fußballerinnen bekannter als ihre männlichen Kollegen. Die Weltfußballspielerin Mia Hamm wurde in einer Umfrage eines politischen Magazins zu einer der faszinierendsten Frauen in der Politik und Gesellschaft gekürt. (PK)
 
 
 
 
 
 
 
 


Online-Flyer Nr. 251  vom 28.05.2010

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