NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 19. August 2025  

zurück  
Druckversion

Globales
Kriegsvorbereitende Propaganda gegen den Iran mit Horst Mahler
Eine gelungene Infektion
Von der Gruppe Arbeiterfotografie

Im Iran sei eine Konferenz über den Holocaust unter Beteiligung des Holocaust-Leugners Horst Mahler geplant. So drängt es sich uns auf, wenn wir die Medien konsumieren.

Die Bild-Zeitung macht es am 23.1.2006 auf einer reißerisch aufgemachten Seite zum Thema. 'ap' verbreitet es unter Bezugnahme auf 'Bild', und tags darauf finden wir diese Meldung unverändert z.B. in der 'taz'.

"Deutsche Neonazis sollen von den Sicherheitsbehörden gehindert werden, an der von Irans Präsident Ahmadinedschad geplanten anti-israelischen 'Holocaust-Konferenz' teilzunehmen. Nach iranischen Berichten ist u.a. der Ex-RAF-Terrorist und Neonazi Horst Mahler (70/Foto) als Teilnehmer im Gespräch... FDP-Generalsekretär Dirk Niebel zu BILD: 'Eine von der iranischen Staatsmacht veranstaltete Konferenz der Holocaust-Leugner mit deutscher Beteiligung wäre eine Schande für Deutschland...'" So lesen wir es in der Bild-Zeitung vom 23.1.2006 auf Seite 2 in einem Text mit der Überschrift 'Ausreiseverbot für deutsche Neonazis?'

Daraus wird die ap-Meldung vom gleichen Tag: "Der Iran plant eine Konferenz über wissenschaftliche Belege für den Holocaust. Laut Bild soll auch der einstige RAF-Terrorist und heutige Neonazi Horst Mahler als Konferenzteilnehmer im Gespräch sein." Und diese Meldung lesen wir dann einen Tag später, am 24.1.2006, in der 'taz'. Und bei n-TV wird daraus am 26.1.2006: "Der frühere Linksterrorist und jetzige NPD-Anwalt Horst Mahler und andere Rechtsextremisten wollen dem [Bild-Zeitungs-]Bericht zufolge an der Tagung teilnehmen." Jetzt ist aus 'als Teilnehmer im Gespräch sein' bereits konkretes 'Teilnehmen wollen' geworden.

Aber auch die Bild-Zeitung hat diese 'Information' möglicherweise irgendwo her. Wir müssen weiter suchen, um die eigentliche Quelle zu finden.

CNN verbreitete bereits am 16.1.2006: "Iran, whose president has labeled the attempt by Nazi Germany to exterminate Jews during World War II a 'myth' and called for the destruction of Israel, announced Sunday [also am 15.1.2006] it will hold a conference on the Holocaust. 'There will be a conference that will research the topic of the Holocaust and all its dimensions in the future,' according to a statement on the state-run Islamic Republic News Agency (IRNA)." Eine solche Meldung können wir bei IRNA allerdings nicht finden, zumindest keine englischsprachige. Über Horst Mahler und über ein Forum für Holocaust-Leugner lesen wir in dieser CNN-Meldung nichts.

Reuters meldete am 15.1.2006: "Iran plant nach Angaben des Aussenministeriums eine Holocaust-Konferenz. 'Das iranische Aussenministerium hat entschieden, eine Konferenz über den Holocaust abzuhalten, um dessen Ausmass wissenschaftlich zu bewerten und seine Konsequenzen zu diskutieren', sagte ein Ministeriumssprecher. Wo die Konferenz stattfinden soll, sagte er nicht. 'Dies ist eine seltsame Welt. Es ist möglich, alles zu diskutieren bis auf den Holocaust', sagte der Sprecher. Es gebe unbeantwortete Fragen zum Völkermord, auf die die Europäer Antworten geben müssten." Das klingt wie die CNN-Formulierung 'research the topic of the Holocaust and all its dimensions in the future' relativ neutral. Auch sie deutet nicht darauf hin, daß es um die Leugnung des Holocaust gehen soll, sondern eher darauf, daß die Instrumentalisierung des Holocaust untersucht werden soll.

Dann entdecken wir einen Artikel auf Seite 41 im Feuilleton der FAZ vom 14.1.2006. Dort heißt es: "Auf der Liste der möglichen Teilnehmer scheinen allerdings eher fragwürdige 'Experten' auf: Dort stehen neben Irving der vom deutschen RAF-Terroristen zum Neonazi gewandelte Horst Mahler, der zum Christentum konvertierte Journalist Israel Shamir, der amerikanische Revisionist Arthur Butz und sein französischer Kollege Robert Faurisson. Beide hätten die Äußerungen Ahmadinejads in Briefen gutgeheißen, meldet die iranische Nachrichtenagentur Irna." Horst Mahler ist also einer derjenigen die hier 'aufscheinen'. Was ist das für ein Sachverhalt: 'aufscheinen'? Ist er nun eingeladen oder nicht? Das erfahren wir auch hier nicht.

Doch etwas können wir der FAZ vom 14.1.2006 entnehmen. Der Satz "Die regimetreue 'Vereinigung islamischer Journalisten des Iran' sei von der Regierung beauftragt worden, eine internationale Holocaust-Konferenz zu organisieren, heißt es im Internetnachrichtenportal Adnkronos International" vermittelt uns, wer die Konferenz organisieren soll, und führt uns zu der italienischen Nachrichtenagentur 'Adnkronos International' (AKI).

'Bild'-Ausschnitt von 23. Januar
'Bild'-Ausschnitt von 23. Januar
Foto: arbeiterfotografie.com



Tatsächlich, dort gab es bereits am 5.1.2006 eine Meldung. Sie ist mit "Iran: Holocaust Conference soon in Tehran" überschrieben. Und in einer Bildunterschrift werden wir auf das eingeschworen, was als der weltweite Konsens zu gelten hat: "President Ahmadinejad has denied the Holocaust and called for Israel to be 'wiped off the map' (auf deutsch: "Präsident Ahmadinedschad hat den Holocaust geleugnet und ruft dazu auf, Israel dem Erdboden gleich zu machen"). Unter den Namen möglicher Gäste seien der israelische Journalist Israel Shamir, Horst Mahler, der Franzose Robert Faurisson und der Amerikaner Arthur Butz, wird uns vermittelt. Und dann lesen wir, Mehdi Afzali, Sprecher der 'Association of Islamic Journalists', dessen Äußerungen von AKI wiedergegeben werden, habe es abgelehnt, die Namen der revisionistischen Historiker, zu denen bezüglich ihres Erscheinens bei der Konferenz Kontakt aufgenommen wurde, herauszugeben. ("however refused to supply the names of the revisionist historians who have been contacted to appear in the conference in Tehran"). Was schliessen wir daraus? Wir fragen uns, wie es ohne Informationsquelle möglich ist, Namen wie den von Horst Mahler zu nennen. Aber auch ohne Informationsquelle läßt sich schon mal eine Behauptung in die Welt setzen. Als Ort der Konferenz gilt in der AKI-Meldung wie selbstverständlich Teheran. Zehn Tage später bleibt der Ort gemäß Reuters-Meldung offen.

Was wir an anderer Stelle erfahren, ist, daß wissenschaftliche Vertreter der deutschen Bundesregierung und Großbritanniens Premier Tony Blair eingeladen seien. Das will die 'Financial Times Deutschland' laut ihrer Ausgabe vom 30.1.2006 von Mohammad Ali Ramin, der dort als 'wissenschaftlicher Berater' des iranischen Präsidenten bezeichnet wird, erfahren haben. Er habe "nach eigenen Angaben die Idee zu dem Projekt" geliefert und solle es federführend betreuen. Horst Mahler und andere Personen ähnlicher Funktion werden auch in diesem Artikel nur als mögliche Teilnehmer ins Spiel gebracht: "Einem möglichen Konferenzgast, dem Neonazi und Holocaust-Leugner Horst Mahler, haben brandenburgische Behörden [...] vorsorglich für ein halbes Jahr den Reisepass entzogen", schreibt die 'Financial Times Deutschland'. Einer Äußerung von Mohammad Ali Ramin scheint diese 'Information' nicht zu entspringen. Explizit erfahren wir im Hinblick auf Horst Mahler also nichts.

Zeit-Online kommt das Verdienst zu, sich bei Mahler selbst zu erkundigen. Dort lesen wir am 3.2.2006: "Auf Nachfrage teilte Mahler mit, er würde 'eine Einladung zwar nicht dementieren', von einer schriftlichen Anfrage zu sprechen, sei jedoch 'eine Überinterpretation'." Es sieht also ganz so aus, als sei hier eine Behauptung lanciert oder suggeriert, die eine Konferenz, von der nur vage Planungen bekannt sind, und damit die Politik des Iran insgesamt in ein bestimmtes (revisionistisches) Licht rücken soll.

Was wir jetzt immer noch nicht wissen, ist, auf welche Weise Namen wie der von Horst Mahler in Umlauf gebracht worden sind. Aber wir dürften der Antwort näher kommen: Horst Mahler und die anderen Personen ähnlicher Funktion haben selber dafür gesorgt. Sie haben an den iranischen Präsidenten geschrieben und diese Schreiben parallel iranischen Nachrichtenagenturen zukommen lassen. Und die haben dies in verschiedenen Meldungen verbreitet. In einer Meldung vom 4.1.2006 heißt es: "In a letter to Iran's President Mahmoud Ahmadinejad, German lawyer Horst Mehler denied the Holocaust, saying that it was aimed to damage the German people. 'Mr Ahmadinejad has helped the revisionists. The Holocaust has never happened and is considered the biggest lie throughout history. The Germans should fight the fabricated story of the Holocaust to protect their country,' said Mehler in his letter." (Auf deutsch: "In einem Brief an den iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedschad hat der deutsche Rechtsanwalt Horst Mehler den Holocaust geleugnet und sagt, daß es beabsichtigt war, dem deutschen Volk Schaden zuzufügen. 'Herr Ahmadinedschad hat den Revisionisten geholfen. Der Holocaust hat nie stattgefunden und ist als größte Lüge der ganzen Geschichte zu betrachten. Die Deutschen sollten die erfundene Geschichte vom Holocaust bekämpfen, um ihr Land zu schützen', sagt Mahler in seinem Brief.") Plumper geht es kaum. Mit dem von Horst Mahler formulierten Schwachsinn wird auf diese Weise der iranische Präsident in Verbindung gebracht. Das dürfte Absicht gewesen sein.

In einer weiteren IRNA-Meldung vom gleichen Tag wird der Gedanke einer Konferenz zum Thema Holocaust aufgebracht: "An Australian-based analyst of Middle East issues, Mohammad Hejazi, called for a conference to be held in Tehran on the matter..."

Erstaunlich ist, daß die iranischen Nachrichtenagenturen dies alles verbreiten - und das noch dazu mit dem Vokabular und ähnlich entstellender Tendenz, wie das in den westlichen Medien geschieht. Das wird schon in der Überschrift einer der Meldungen deutlich. Mit "World scholars back Ahmadinejad's denial of Holocaust" ("Internationale Wissenschaftler stützen Ahmadinedschads Leugnung des Holocaust") ist sie betitelt. Es stellt sich die Frage, wie das möglich ist. Dafür muß es in der iranischen Gesellschaft eine gewisse Basis geben. Und auch bei IRNA sowie bei der iranischen Nachrichtenagentur MEHR, die den Brief Mahlers bereits am 24.12.2005 veröffentlicht hatte, muß es Personen geben, die für diese Art der Darstellung - aufgrund welcher Motive oder Grundeinstellungen auch immer - empfänglich sind.

Alles in allem: Die Operation 'Horst Mahler' ist gelungen - so wie es gelungen ist, die manipulierten Äußerungen des iranischen Präsidenten über seine angebliche Leugnung des Holocaust und seinen angeblichen Aufruf, Israel dem Erdboden gleich zu machen, in Umlauf zu bringen - so in Umlauf zu bringen, daß der Bundestag mit allen Parteien incl. der Linkspartei sie verurteilt. Die Linke, die Friedensbewegung und andere, die für sich in Anspruch nehmen, kritisch zu denken, haben sich infizieren lassen. Personen in der Funktion eines Horst Mahler sind dabei von unschätzbarem Wert.



Online-Flyer Nr. 41  vom 25.04.2006

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE


Im Hoheitsgebiet der NATO
Von Arbeiterfotografie