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Aktueller Online-Flyer vom 06. Mai 2024  

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Lokales
Präventions- und Aufklärungskampagne des „Arbeitskreis K.o.-Tropfen Köln“
„K.o.cktail? – Unsichtbare Drogen im Glas!“
Von Irmgard Kopetzky

„K.o.-Tropfen“ werden im jüngsten Weltdrogenbericht vom Februar 2010 als „eines der größten Probleme der Drogenszene“ bezeichnet, da sie „viel zu leicht erhältlich“ seien. In Köln hat nun am 21. April nach mehr als einem Jahr intensiver Kooperation der „Arbeitskreis K.o.-Tropfen“ unter dem Motto "K.o.cktail? - Unsichtbare Drogen im Glas" das Ergebnis seiner Arbeit vorgelegt und eine Präventions- und Aufklärungskampagne gestartet. Hier ein Bericht von Irmgard Kopetzky vom Notruf Köln e.V. – Die Redaktion

Nach etwas mehr als einem Jahr intensiver Kooperation liegt nun das Ergebnis vor: Flyer, Plakate und Postkarten sowie die ausführliche und informative Homepage www.ko-tropfen-koeln.de. Der „Arbeitskreis K.o.-Tropfen“ ist ein multiprofessioneller Zusammenschluss unterschiedlicher Institutionen aus Köln. Beteiligt sind: Drogenhilfe Köln gGmbH, Frauenberatungsstelle FrauenLeben e.V., Landeskoordination Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW, Landschaftsverband Rheinland (LVR), LOBBY FÜR MÄDCHEN e.V., Notruf für vergewaltigte Frauen e.V.
 
Anstoß für die Kooperation war ein Fachaustausch im November 2008, zu dem das Aktionsbündnis „Gemeinsam gegen Männergewalt an Frauen“ eingeladen hatte. Viele InteressentInnen aus ganz verschiedenen Arbeitsbereichen kamen zusammen, informierten sich und diskutierten wichtige Fragestellungen rund um das Thema „Gewalt nach dem Einsatz von K.o.-Tropfen“. Schnell waren zwei Schwerpunkte klar:
a) Die Versorgung von Betroffenen in Köln muss dringend verbessert werden.
b) Wichtig ist eine effektive und fundierte Präventions- und Aufklärungsarbeit zum Thema.
 
Häufig unbemerkt verabreicht
 
K.o.-Tropfen (Knock-out – engl. für „jemanden außer Gefecht setzen“) sind laut Weltdrogenbericht vom Februar 2010 nicht nur „eines der größten Probleme der Drogenszene“ weil sie „viel zu leicht erhältlich“ seien. Stark zugenommen hat nach Darstellung des internationalen Drogenkontrollgremiums auch der Missbrauch von K.o.-Mitteln für kriminelle Zwecke. K.o.-Tropfen werden dabei unbemerkt verabreicht, um einen anderen Menschen in einen willen- und hilflosen Zustand zu versetzen. Sie kommen an unterschiedlichen Orten zum Einsatz: sowohl auf Partys und in Diskos als auch im privaten Rahmen oder am Arbeitsplatz. Betroffen sind häufig Mädchen und Frauen aller Altersgruppen, die unter dem Einfluss von K.o.-Tropfen – in einigen Fällen auch über einen längeren Zeitraum hinweg – vergewaltigt oder sexuell missbraucht werden. Opfer werden aber auch Jungen und Männer (hier v.a. Schwule) im Rahmen von Raub- oder Sexualdelikten.
 
Auch Partydrogen GHB und GBL
 
Bei den verwendeten Wirkstoffen handelt es sich um Mixturen aus Benzodiazepinen, Chloralhydrat, Muskelrelaxantien und Barbituraten, häufig und in zunehmendem Maße aber um die Partydroge GHB und deren Vorläufersubstanz GBL, auch Liquid Ecstasy genannt. Die Wirkung ist zunächst enthemmend oder euphorisierend. Eine falsche Dosierung kann aber lebensgefährlich sein: zu hohe Dosierung oder auch der Mischkonsum von GBL/GHB mit Alkohol können zu einer Atemlähmung führen und tödlich sein. Ralf Wischnewski, Mitarbeiter der Drogenhilfe Köln und dort zuständig für Prävention in der Partyszene: „Die Drogenhilfe Köln beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Drogen GHB und GBL, die auch als K.o.-Tropfen eingesetzt werden. Über unser Internetprojekt ‚partypack.de’ erhalten wir seit Jahren Anfragen von Opfern von K.o.-Tropfen und Konsumenten von Liquid Ecstasy.“
 
Deutliche Hinweise auf die Verabreichung von K.o.-Tropfen sind unter anderem: Erinnerungsstörungen oder -verluste, ein anhaltender Dämmerzustand bzw. das Gefühl, wie „in Watte gepackt“ zu sein“, Gefühle der Willen- und Reglosigkeit, starke Übelkeit und Erbrechen nach dem „Aufwachen“, oft tagelange Konzentrationsstörungen. Betroffene berichten häufig davon, zwar Alkohol getrunken zu haben, aber nicht in solchen Mengen, dass derartige Folgen erklärbar seien. Eine 25-jährige Betroffene: „Ich weiß, was ich vertrage und es ist völlig unmöglich, dass ich nach drei Gläsern Bier bereits so außer Gefecht gesetzt bin!“
 
Kurze Nachweisdauer
 
Problematisch ist die kurze Nachweisdauer – nicht nur im Hinblick auf eine Anzeige, sondern auch, weil die Betroffenen für eine wirksame Verarbeitung des Geschehens Klarheit darüber brauchen, wie es zu dem Zustand kommen konnte. GBL/GHB ist im Blut beispielsweise nur ca. 6 Stunden, im Urin ca. 8-12 Stunden nach der Verabreichung nachweisbar. Da die Wirkung aber bis zu vier Stunden anhalten kann und viele Betroffene zunächst überhaupt nicht realisieren, was ihnen passiert ist, vergeht meistens viel mehr Zeit, bis sie sich an die Polizei, Beratungsstellen oder ÄrztInnen/ Krankenhäuser wenden.


Aktive im „Arbeitskreis K.o.-Tropfen“ (v.l.n.r.) Irmgard Kopetzky, Waltraud Theisen-Cremer vom LVR, Almut Dietrich – Landeskoordinatorin Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW, Ralf Wischnewski von der Drogenhilfe Köln
Quelle: Notruf Köln e.V.
 
Verlässliche Zahlen zum Ausmaß des Einsatzes von K.o.-Tropfen bei sexualisierter Gewalt gibt es bislang nicht. Die Dunkelziffer ist vermutlich sehr hoch. Viele Betroffene scheuen vor einer Anzeige oder dem Gang zu einer Beratungsstelle zurück, weil sie vermuten, dass ihnen „sowieso niemand glaubt“ oder ihnen selbst bzw. ihrem Alkoholkonsum die Schuld an den Übergriffen gegeben wird. Ich selbst weiß aus meiner langjährigen Beratungserfahrung als Sozialpädagogin beim Kölner Notruf für vergewaltigte Frauen: Viele Betroffene glauben, den erlebten ‚Filmriss’ selbst herbeigeführt zu haben, etwa weil sie Alkohol getrunken haben. Oft kommt ihnen gar nicht in den Sinn, dass ihnen gegen ihr Wissen Drogen verabreicht wurden.
 
Ziele und Forderungen
 
Dringend notwendig sind: Information über und Sensibilisierung für das Thema durch die großflächige Verbreitung und Finanzierung von Printmaterialien (Flyer, Plakat, Postkarte) sowie die laufend Aktualisierung der bereits oben erwähnten Website. Almut Dietrich, Landeskoordinatorin der Anti-Gewalt-Arbeit für Lesben und Schwule in NRW betont: „Schwule Männer werden bisher nicht als Vergewaltigungsopfer im Zusammenhang mit K.o.-Tropfen wahrgenommen. Ein Ziel der Kampagne ist deshalb, sowohl die schwule Szene als auch Polizei und Gesundheitswesen über dieses Thema zu informieren."
 
Die Abnahme und Asservierung von Blut und/oder Urin sollte nach jeder Anzeige, bei der es auch nur vage Hinweise auf den Einsatz von K.o.-Tropfen gibt, routinemäßig erfolgen. Maßgabe sollte sein: lieber einmal zu viel Blut/ Urin abnehmen, als einmal zu wenig!
 
Potentiell Betroffenen soll eine kostenfreie Untersuchung auch ohne Anzeige ermöglicht werden; zum einen, um bei einer späteren Anzeige mehr in der Hand zu haben, zum anderen, damit sie für sich selbst Klarheit darüber erlangen, was ihnen widerfahren ist.
 
Der Zugang zu GBL und anderen Substanzen muss erschwert werden. Um das unbemerkte Verabreichen einzuschränken, sollte in der Gesetzgebung außerdem das „Outing“ einschlägiger Substanzen festgeschrieben werden, z.B. durch Einfärben oder die Zusetzung eines bitteren Geschmacks.
 
Alle gesellschaftlich relevanten Akteure – Institutionen, Einrichtungen, aber auch Gastronomie und Politik – müssen Verantwortung übernehmen.
 
Schulungen für relevante Berufsgruppen – z.B. Polizei, Gesundheitswesen und Rechtssprechung – sollen angeboten und finanziert werden.
Spendenaufruf

Die Nachfrage nach dem Informationsmaterial (Plakat, ein umfangreicher Informationsflyer und eine Postkarte) sowie das Interessen an der im Internet frisch freigeschalteten Webseite www.ko-tropfen-koeln.de ist enorm. Die Webseite bietet Opfern von K.o.-Tropfen 7 Tage die Woche und 24 Stunden am Tag wichtige und hilfreiche Informationen und Unterstützung. Deshalb suchen wir dringend noch Spenderinnen und Spender. Spendenkonto: Notruf Köln e.V., Sparkasse KölnBonn, Kto. 3242955, BLZ 37050198, Betreff: K.o.-Kampagne. Spenden sind natürlich steuerlich absetzbar.(PK)
 
Mehr Informationen im Weltdrogenbericht: Report of the International Narcotics Control Board for 2009 - http://www.incb.org/pdf/annual-report/2009/en/AR_09_English.pdf


Online-Flyer Nr. 247  vom 28.04.2010

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