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Aktueller Online-Flyer vom 18. April 2024  

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Arbeit und Soziales
Wo ist Kristina Schröder, wenn man sie mal braucht? – Gunnar Heinsohn - Teil 2
Selbstbestimmung: nicht für alle
Von Dr. Maryam Dagmar Schatz

Wir verorteten die Opfer von Rassismus immer unter den MigrantInnen, dort, wo die Rechten die Träger des antideutschen Rassismus vermuten. Doch es gibt auch Deutsche, die „deutschenfeindlich“, rassistisch ausgegrenzt werden: die Hartz-4-Empfänger. Gegenüber den Frauen, die von Hartz 4 leben, kommt noch eine zutiefst frauenfeindliche Komponente hinzu: die Verweigerung der sexuellen Selbstbestimmung und die Verweigerung der Bestimmung über die eigene Fortpflanzung.


Der Berufszyniker | Quelle: scharf-links
Wir nahmen immer an, die Opfer von Rassismus seien MigrantInnen. Im Migrationsmilieu, wo die Rechten die Träger des antideutschen Rassismus vermuten und nicht nur eine christdemokratische Nachwuchshoffnung dringenden Handlungsbedarf vermutet, werden auch die TrägerInnen des von rechtsextremen Portalen angeprangerten angeblichen antideutschen Rassismus ausgemacht.

„Deutschenfeindlichkeit“ mit rassistischen Untertönen gibt es tatsächlich und sie hat Tradition. Seine TrägerInnen sind Deutsche. Die, die es betrifft, sind auch Deutsche. Das entlarvt das rechtsextreme Geschwätz von der angeblichen Deutschenfeindlichkeit der MigrantInnen, die nicht nur das Rassistenportal „PI“, sondern auch Frau Ministerin Schröder, vormals Köhler meinten, so dringend entlarven zu müssen, als das, was es ist: rassistisches, dummes Geschwätz. Kaschiert wird von diesen Behauptungen, dass ein Teil unserer Gesellschaft systematisch ausgegrenzt und seiner elementaren Menschenrechte beraubt werden soll: die Hartz-4-Empfänger. Gegenüber den Frauen, die von Hartz 4 leben, kommt mit der Verweigerung der Selbstbestimmung in sexuellen und Fortpflanzungsfragen noch eine zutiefst frauenfeindliche Komponente hinzu.

Rassismus gegen Hartz-4-Empfänger

So hat Professor Dr. Dr. Gunnar Heinsohn sich am 16. März in der Frankfurter Allgemeinen mit einem Gastbeitrag in die Hartz-4-Debatte eingemischt, der sich nahtlos in den bereits entgleisten Hartz-4-Diskurs à la Sarrazin und Westerwelle einfügt (die Westerwelle’sche „spätrömische Dekadenz“ lasse ich mal außen vor). Um zu verdeutlichen, wie sehr der Diskurs gegenüber den Hartz-4-Empfängern auch und besonders bei Gunnar Heinsohn ins Rassistische abgeglitten ist, möchte ich an dieser Stelle die Rassismusdefinition nach Albert Memmi (1) wiederholen. Der außerdem frauenfeindliche Charakter von Heinsohns Vorschlägen wird ebenfalls gezeigt.

Die Rassismusdefinition von Albert Memmi:
„Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen. (2)“


Untermenschen: heute schon wieder?
Quelle: Deutsches historisches Museum
Als ich im Artikel (3) der Linken Zeitung zur Illustration das berühmte Titelbild des SS-Hetzpamphlets „Der Untermensch“ sah, dachte ich zunächst, daß das wohl ein wenig übertrieben sei. Doch ich dachte, es ist bestimmt kein Fehler, mal zu schauen, ob das Pamphlet selber hier weiterhilft: Unterschiede?

Aber ja doch, man findet bereits auf der ersten Seite das Leitthema:
„Denn es ist nicht alles gleich, was Menschenantlitz trägt – weh' dem, der das vergisst“, heißt es da, mitten in einer Beschreibung der - nicht nur - biologischen Minderwertigkeit des „Untermenschen“. Um allerdings keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, ist anzumerken, dass dieses Pamphlet (4), das der ideologischen Rechtfertigung des Vernichtungskrieges an der Ostfront diente, allerdings relativ schnell wieder zurückgezogen wurde. Selbstverständlich will ich hier nicht behaupten, dass zurzeit in Deutschland irgendjemand die Vernichtung von Bevölkerungsgruppen plane. In dieser Schrift läßt sich jedoch der gleiche Dualismus feststellen, die gleiche Gegenüberstellung von - um es mal gelinde auszudrücken - wertvoll und wertlos, wie in den Äußerungen Sarrazins und Heinsohns, nur, daß die Autoren des „Untermenschen“ die - damals schon bekannte - Konzeption vom IQ, also der objektiv messbaren Intelligenz, nicht benutzten: die Nazis hielten sie für eine jüdische Erfindung, zumal die Juden bei diesen Tests immer besser abschnitten als die „Arier“. Deswegen war das Konzept auch Hitler suspekt.

•    Gegenüberstellung in „Der Untermensch“: „... auch hochstehende Völker...Mittel- und Westeuropas...die hier Reiche gründeten und Kultur brachten...versuchten, Licht in die Finsternis zu bringen... Katharina II., und wie sie alle heißen, riefen den deutschen Bauern und deutschen Offizier, den europäischen Gelehrten, Arzt und Ingenieur (S.3) – Schlecht genutzter, fruchtbarer Schoß der Schwarzen Erde, die ein Paradies sein könnte, ein Kalifornien Europas, und in Wirklichkeit verwahrlost, bis zum heutigen Tage gekennzeichnet mit dem Stempel einer Kulturschande ohne Beispiel gezeichnet - eine ewige Anklage gegen den Untermenschen und sein Herrschaftssystem ist. (S 3.)

•    Gegenüberstellung bei Sarrazin: Über „gute Migranten“: „Das würde mir gefallen, wenn es osteuropäische Juden wären mit einem um 15 Prozent höheren IQ als dem der deutschen Bevölkerung...“ Die guten Migranten können allerdings nicht ausgleichen: „dass vierzig Prozent aller Geburten in der Unterschicht stattfinden.“ - Daraus folgt: „Hier werden Trends verstärkt sichtbar, die ganz Deutschland belasten. So dass das Niveau an den Schulen kontinuierlich sinkt, anstatt zu steigen.“ (5)

•    Gegenüberstellung bei Heinsohn: „Der Königsweg wäre qualifizierte Einwanderung. Denn „skilled immigrants“ böten die optimale Problemlösung“ Klar, die Ausbildung bezahlen wohl am besten die Herkunftsländer. Macht man aber nicht, sondern begnügt sich mit den „Niedrigleistern des Auslands“, den Bildungsschwachen, und was hat man davon? „...und deren Nachwuchs schleppt die Bildungsschwäche weiter...“ -  Was Herr Professor Heinsohn dann in seinem „Gastbeitrag“ der angeblich überbordenden staatlichen Unterstützung zuschreibt.

Beide Herren unterschlagen in ihrer Überbewertung des IQ und seiner Gleichsetzung mit der tatsächlichen intellektuellen Leistungsfähigkeit, daß die Messung „des“ Intelligenzquotienten von seinen Anfängen bis heute immer in der Kritik stand, unter anderem weil er nämlich einen kräftigen „Bias“, eine Verzerrung, hat: weiße US-Amerikanische Männer schneiden für gewöhnlich am besten ab, Frauen im Schnitt schlechter als Männer, bei einigen Parametern - wie den kognitiven Fähigkeiten - sogar deutlich schlechter.(6)  Auch britische Forscher, was die WELT genüsslich vermeldete, fanden, daß „Männer intelligenter als Frauen“ seien. Erstens im Schnitt um fünf Zähler, bei den Spitzenwerten sind dreimal mehr Männer als Frauen vertreten. Wie wenig das isolierte Konzept der messbaren Intelligenz taugt, kann man übrigens an den Meßergebnissen der Angeklagten des Nürnberger Prozesses sehen: bei allen mit Ausnahme von Julius Streicher wurde ein überdurchschnittlicher IQ gemessen. Es gab auch. eine Studie, die nachgewiesen hat, daß solche standardisierten Prüfungen eigentlich nur mit anderen standardisierten Prüfungen korrelieren - mit realen Leistungen und Fähigkeiten aber nicht, und als Letztes muss man den „stereotyoe threat“ nennen: eine Besorgnis, daß jemand, der oder die bei einem Untersucher ein negatives Stereotyp auslöst, auch in einem standardisierten Test schlechter abschneidet. Dieses Phänomen ist für Schwarze und Frauen bereits durch statistische Metaanalysen (Zusammenfassung vieler Studien) nachgewiesen.


Grünes Politkfeld: Hundescheiße
Quelle: Gärtnerblog
Als eine wesentliche Variable gilt der sozioökonomische Status - wen wundert's. So könnte man auch mühelos erklären, warum TürkInnen bei diesem nicht für sie gemachten Test schlechter abschneiden, wenn es denn so ist. Die Sau, die da durchs mediale Dorf getrieben wurde, ging so: TürkInnen haben im Schnitt einen IQ von nicht mehr als 85 (7), was genetisch bedingt ist, oder von Inzucht herrührt. Die unsäglichen Theorien von Herrn Weiss wurden auch von Medien wie der „WELT“ nachgebetet.

Um die Bedeutung derartiger Behauptungen zu begreifen, muss man wissen, dass unterhalb von 85 der „Schwachsinn“ anfängt. Dazu gehören dann, wie im Blog der PI-Kommentatorin und Pax-Europa-Sympathisantin „Kybeline“, natürlich die „Gebärmaschinen“ (8), auf die wir noch zurückkommen werden.

An dieser Stelle seien noch einige der aktuellen Scheußlichkeiten erwähnt, die verschiedenen PolitikerInnen zu Hartz-4-Empfängern so einfallen, wobei nicht wirklich erstaunen kann, dass mittlerweile auch eine Abgeordnete der Grünen es mit einem Vorschlag in die Medien schaffte (9) den sie so nie gemacht habe. Claudia Hämmerling will, so sagt sie auf ihrer Website, nicht vorgeschlagen haben, Hartz-4-EmpfängerInnen als Hundekot-KontrolleurInnen einzusetzen, sondern sie habe vorgeschlagen, Stellen in Ordnungsämtern mit Hartz-4-EmpfängerInnen zu besetzen (10): „Mein Vorschlag war und ist, zusätzliche Stellen in den Ordnungsämtern zu schaffen, um die Präsenz und Kontrollen zu verbessern, damit nicht länger alle Art von Abfällen im öffentlichen Raum entsorgt wird und Hundehalter künftig die Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiner selbst beseitigen...sondern es sollte die Möglichkeit geben, diese Stellen in der Verwaltung von außen zu besetzen...Die Idee ist: Öffentlicher Job statt Hartz IV.“

Das haben wir jetzt verstanden: nicht einfach Hundekot-Kontrolle, sondern einen „öffentlichen Job“ zur Hundekot-Kontrolle. Grün wirkt

Uns' Thilo, der mit der Taz-Redakteurin und Autorin Ulrike Herrmann, die wohl soeben ihr gerade erschienenes Buch „Hurra, wir dürfen zahlen“ promotet, ins Medienkaufhaus Dussmann nahe Bahnhof Friedrichstraße traf (11), gab wieder mal sein Bestes. Er behauptete unter anderem: 140 Euro monatlich für Nahrungsmittel reichten aus, Armut sei ein Verhaltensproblem...

Verhütungsignoranz und Frauenbefreiung


Zurück zum Thema „Gebärmaschinen“, „Geburtenjihad“ (12), usw. - Die „Gebärmaschinen“ zeichnen sich angeblich aus durch „Verhütungsignoranz“, wie weiland in Europa, als die bösen Männer gerade die Hexen ausgerottet hatten. (13) „Ununterbrochen herrscht youth bulge...Die Verhütungsignoranz schlägt die Aristokratie ebenso wie die einfachen Leute.“ Das gilt nicht nur für Europa, das durch diese „Geburtlichkeit“ „nach vorne gepeitscht wird“ (ebd. S. 77). Der Youth Bulge oder Söhneüberschuss, der die überzähligen Söhne zwingt, Krieg zu führen oder Terroristen zu werden. Gegengesteuert wurde, so ein gewisser Herr Mause im Jahre 1977, durch Kindesmord, der „vor dem 16. Jahrhundert [in Europa] nur sporadisch bestraft worden ist.“ Dann zitiert Herr Professor Dr. Dr. Heinsohn sich selber mit einer Feststellung aus dem Jahr 1979 über das 16. Jahrhundert: „In der Tat wird die Lebensheiligkeit als jüdisches - und dann auch vom Christentum angenommenes - Fundament der abendländischen Zivilisation erst jetzt wirklich durchgesetzt.“ Das erklärt natürlich die Pogrome, Kreuzzüge und Gewalttätigkeiten vor dem 16. Jahrhundert. Hinterher, als die Christen fest auf dem „jüdischen Fundament“ standen, kam das alles dann nicht mehr vor und Christen und Juden bauten gemeinsam das jüdisch-christliche Europa. Ich hatte das zwar irgendwie anders in Erinnerung, aber da werde ich mir wohl was Falsches gemerkt haben.

Die „Mohammedaner“ waren da natürlich außen vor, klar. Deren Prophet hatte zwar die Kindstötung schon tausend Jahre zuvor verboten... Nein! Ich merke, ich verplaudere mich, also zurück zur Verhütungsignoranz!

Aus einer Mischung von „Verhütungsignoranz“ und Eroberungswillen resultiert also der Youth Bulger, der, so Heinsohn, heutzutage in den islamischen Ländern zu verorten ist, wofür eine Reihe von „Stellen“ als Beleg dienen kann, so, wie die Überschrift „Islamische Länder tragen das Siegesbanner der Fortpflanzung“ (S.24) - “Siegesbanner“ keinesfalls als Zitat gekennzeichnet. Und wie kommt man zu überzähligen Söhnen? „Wer mit überzähligen Söhnen losschlagen will, der muss zuvor nicht nur den eigenen Frauen eine vernichtende Niederlage bereitet, sondern die Sexualität insgesamt auf ein grausames Vermehrungsprogramm herabgedrückt haben.“ (S.87). Hier ist dann der Anschlusspunkt zu denjenigen Feministinnen, die die Frauenunterdrückung um so lieber bekämpfen, je weiter weg sie ist, allerdings für den Kampf gegen die frauenspezifische Unterdrückung im eigenen Land nur dann ein offenes Ohr und eine helfende Hand haben, wenn es die eigene Klasse/Schicht betrifft.

Frauen werden rational, so Heinsohn, „wenn sie selbst über ihren Leib gebieten können...sind beide Geschlechter entschieden unfreiwillig am Werk, wenn einmal die gewünschte Kinderzahl überschritten wird.“ Sagt Heinsohn in „Söhne und Weltmacht“. (S.87)
Halten wir fest: Die Verweigerung sexueller Autonomie, auch und insbesondere in Fragen der Fortpflanzung ist Unterdrückung. Sagt Heinsohn in „Söhne und Weltmacht“.

Rassismus gegen Hartz-4-Empfängerinnen


Minderwertig-heute schon wieder? | Quelle: Bismarckgymnasium Bonn

Wie ersichtlich, hat die Überschrift nicht das Binnen-I, denn es geht hier um den Rassismus gegen Frauen, die Hartz-4 beziehen. - Während das, was Leuten wie Sarrazin eingefallen ist, sich auf beide Geschlechter beziehen lässt, wendet sich der Heinsohn'sche „Gastbeitrag“ in der FAZ vom 17. März diesen Jahres besonders den Frauen zu. (14) Im Widerspruch zu seinen Äußerungen in „Söhne und Weltmacht, scheint er jetzt auf einmal vorauszusetzen, daß nicht nur Migrantinnen, sondern auch Hartz-4-Empfängerinnen die volle Verfügungsgewalt über ihre Empfängnisfähigkeit und - Verhütung haben. - In Anlehnung zum berüchtigten Sarrazin-Zitat (15): "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert," schreibt er hier: „Während deutsche Frauen außerhalb von Hartz IV im Durchschnitt nur ein Kind haben und leistungsstarke Migrantinnen sich diesem Reproduktionsmuster nähern, vermehrt sich die vom Sozialstaat unterstützte Unterschicht stärker - mit allen Folgeproblemen.“

Dieser Satz unterteilt nicht nur die MigrantInnen, sondern auch die deutschen UreinwohnerInnen in erwünschte und weniger Erwünschte, was in Deutschland ja schon mal der Fall war, wie nebenstehendes Bild illustriert (16). Ich stimme Friedhelm Grützner in seinem Aufsatz (17) auf den Nachdenkseiten zu, wenn er schreibt: „Historische Parallelen sind stets fragwürdig. Besonders problematisch werden sie, wenn die deutsche NS-Vergangenheit bemüht wird, um in denunziatorischer Absicht aktuelle Geschehnisse zu kommentieren.“ Ich stimme ihm NICHT zu, wenn er schreibt: „Ich lasse mal die empirisch höchst fragwürdige These von Heinsohn, dass die  'Unterschicht' bewusst und in zweckrationaler Absicht zur Unterhaltssicherung vermehrt Kinder in die Welt setzt, beiseite,“ den genau darum geht es: um die Beschuldigung, Hartz-4-Empfängerinnen setzen - als Form der Lebensunterhaltsicherung - Kinder in die Welt: Heinsohn schreibt, indem er zustimmend die These eines Charles Murray zitiert: „Die Bezahlung der Mutterschaft für arme Frauen führt zu immer mehr solchen Müttern.“ Und schreibt selber: „Solange die Regierung das Recht auf Kinder als Recht auf beliebig viel öffentlich zu finanzierenden Nachwuchs auslegt, werden Frauen der Unterschicht ihre Schwangerschaften als Kapital ansehen.“ In der WELT – er hat bei noch weiteren Medien verbreitet und wird dort immer wieder gerne genommen – lässt er es richtig krachen:
„Sie (die Regierung) legt das Angebot auf den Tisch, einer Frau bei zwei bis drei Kindern bis zum 50. Lebensjahr knapp eine halbe Million Euro aus den Taschen der Mitbürger zu überweisen. ... Wer nicht will, dass immer weitere Millionen von Kindern in die Bildungsferne geboren werden und ein Leben lang Versorgung benötigen, der muss das Angebot vom Tisch nehmen ... vielleicht werden dann nicht mehr 20 Prozent aller Kinder in die Bildungsferne geboren, sondern nur noch zwei Prozent“ (18)

Genau diese Gedanken haben ihm die schon im ersten Beitrag erwähnten Strafanzeigen (19) und offenen Briefe (20) eingebracht. Seit dem 11. 4. ist übrigens klar, daß seine Auslassungen von der Meinungsfreiheit gedeckt sind und den über 50 Strafanzeigen nicht nachgegangen wird. (21) Doch die Beschäftigung mit seinen Thesen lohnt weiter, denn er steht ja nicht alleine. Es ist Wahlkampf und da wird der/die Nächste mit solchen sozialrassistischen Ergüssen nicht auf sich warten lassen.

Dies ist mein Leib...


Ein deutscher Hochschullehrer
Quelle: scharf-links.de
Daß Mütter auf die Bezahlung von Mutterschaft mit weiterer Mutterschaft reagieren und diese „als Kapital ansehen“, setzt zunächst einmal voraus, daß sie „über ihren Leib gebieten“, um so dermaßen zweckrational handeln zu können - Eine Fähigkeit, die ihnen vom Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen zum § 218 sowie von der Beratungsvorschrift des § 218a abgesprochen wird, von den 50-Jahre-Mutterschutzvorschriften des Männerparlaments der Ära Adenauer ganz zu schweigen, gleichzeitig aber ein Ziel, das Heinsohn für „die“ muslimischen Frauen anmahnt. Für Hartz-4  ist dieses Ziel allerdings nicht erreichbar und wohl auch nicht wirklich vorgesehen, denn eine Frau, die Hartz-4 bezieht, kann nicht „über ihren Leib gebieten“: wie ich mir habe sagen lassen, sind im Regelsatz für Hartz-4-EmpfängerInnen 13,18 Euro für „Gesundheitspflege“ enthalten (22), doch jede darüber hinaus gehende empfängnisverhütende Maßnahme muss schriftlich (!) beantragt werden - und zwar beim Sozialamt und nicht bei der ARGE, was ich, nachdem ja extra das Grundgesetz geändert wurde, damit die Betreuung der Arbeitslosen in einer Hand bleiben soll, zumindest bemerkenswert finde. Eine ganz böse Zunge unter meinen Hartz-4-empfangenden Freunden behauptete übrigens, bei dieser Rechnung kämen pro Woche 1 ½ Präservative raus.

Geregelt wird das im §49, SGB (23): „Zur Familienplanung werden die ärztliche Beratung, die erforderliche Untersuchung und die Verordnung der empfängnisregelnden Mittel geleistet. Die Kosten für empfängnisverhütende Mittel werden übernommen, wenn diese ärztlich verordnet worden sind.“ Dann müssen diese Mittel, wie schon gesagt, schriftlich beantragt werden. Googelt man zum Thema, findet man nicht nur Formulierungshilfen für die Anträge, sondern für den Widerspruch (24) gleich mit, was zeigt, daß ein solcher Antrag nicht zwingend positiv beschieden wird. Dieselbe böse Zunge wie oben hat mir übrigens berichtet, dass weibliche Sachbearbeiter öfter solche Anträge ablehnen sollen als ihre Kollegen. Nur für unter 20-jährige sind empfängnisverhütende Mittel ohne weiteres kostenlos. Deswegen fordern Arbeitsloseninitiativen und die Linkspartei, daß empfängnisverhütende Mittel für Hartz-4 kostenlos sein sollen. Denn, so zitiert ein ehemaliges Hamburger Nachrichtenmagazin eine Soziologin (25): „Eine selbst gestaltete Sexualität und Familienplanung sind unter diesen Bedingungen zumindest für manche Frauen nur noch schwer möglich", nicht ohne den Beitrag mit einem Zitat über das „mangelnde Verantwortungsbewusstsein“ anzureichern, der die an sich verständnisvolle Aussage des Artikels im Prinzip wieder aufhebt. Spiegel halt...

Ich denke, damit dürfte klar sein, dass Hartz-4-Empfängerinnen in der Frage der Empfängnisverhütung genauso wenig „über den Leib gebieten“, wie auch sonst: nachdem ich mit Hartz-4-EmpfängerInnen über deren Gesundheit und diesen Artikel (26) über die verweigerte Nothilfe für eine Kölner Diabetikerin sprach, hörte ich, dass das kein Einzelfall sei.

Schwangerschaft - lohnend für „die Unterschicht“?

Die Gerüchte, es werde sich am Kindergeld bereichert und man könne es ,sich mit Hartz-4 gemütlich machen, gehören zum klassischen Diskriminierungsdiskurs und auch Heinsohn spielt diese Platte: „Quasiverbeamtung bildungsferner Kinder“, oder, wieder Murray zustimmend zitiert: „Die Kaschierung des Schulversagens ihrer Kinder durch Senkung der Anforderungen höhlt die Lernbereitschaft weiter aus.“ Das ist so unglaublich, daß es einem erst mal die Sprache verschlägt! Es ist aber auch schnell abzuarbeiten: jedeR dürfte mitbekommen haben, daß das Bundesverfassungsgericht gerade entschieden hat, das Kindergeld auf Hartz-4 anzurechnen (27). Das Portal „www.gegen-hartz.de“ schreibt dazu: „Die Ungerechtigkeit geht weiter.“

Und wie sieht das mit der angeblichen Bildungsunwilligkeit aus? Die Kinder von Hartz-4-EmpfängerInnen bekommen pro Schuljahr 100 Euro Beihilfe, dies allerdings erst seit 2009 (28). Ich denke, das reicht maximal für eineN ErstklässlerIn. Und sicher nicht für eine höher(wertig)e Bildung: ich kann mich noch erinnern, daß wir sowohl im Französisch- als auch im Englischunterricht eine Menge fremdsprachiger Literatur gebraucht haben, im Deutschunterricht immer pro Jahr mehrere Reclam-Hefte... Je nach Schulstufe leicht schon mal 100 bis 300 Euro. (29)

Ich denke, dass ich jetzt klar gemacht habe, dass das, was Heinsohn da aufzählt - gelinde gesagt - durch die Fakten nicht gedeckt ist.

Zusammengefasst: das, was Heinsohn - und nicht nur er - gegen Hartz-4-Empänger absondern ist zutiefst rassistisch und erfüllt die klassischen Kriterien:

•    Der Rassismus ist die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede: die Armut der Hartz-4-EmpfängerInnen und ihrer Kinder wird ihnen als verhaltensbedingt in die Schuhe geschoben und daraus weitere Charaktermängel wie. „Verhütungsignoranz“, Gier, Verantwortungslosigkeit und Versagen abgeleitet.
 
•    zum Nutzen des Anklägers: der damit Einfluss, Diskurshoheit, Präsenz in den Medien erhält und Bücher verkauft.

•    und zum Schaden seines Opfers: diese werden (weiter) ausgegrenzt und zu Sündenböcken gemacht.

Damit sollen seine Privilegien und Aggressionen gerechtfertigt werden. Siehe oben.

In der Völkermordforschung ist man sich darüber einig, dass vor dem Völkermord die Markierung und Ausgrenzung der betroffenen Gruppen steht. Wie so jemand wie Heinsohn so lange unbeanstandet einer Institution wie dem Raphael-Lemkin-Institut für Xenophobie- und Genozidforschung angehören konnte, ist mir unverständlich (30)

Mit dem Heinsohn'schen Lösungsansatz, der Begrenzung der Unterstützung auf 5 Jahre, werde ich mich im dritten und letzten Teil beschäftigen. (PK)

Anmerkungen
(1) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14971
(2) http://www.fb4.fh-frankfurt.de/whoiswho/gaitanides/Memmi_Rassismus.pdf
(3) http://www.linkezeitung.de/
(4) http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Untermensch
(5) http://jove.prohosting.com/
(6) http://www.lrainc.com/swtaboo/taboos/apa_01.html
(7) http://www.shortnews.de/
(8) http://www.kybeline.com/2009/12/07/
(9) http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/
(10) http://www.claudia-haemmerling.de/2010/text0407-job-statt-hartzIV.pdf
(11) http://www.taz.de/
(12) http://www.politblogger.eu/
(13) Söhne und Weltmacht, S 76
(14) http://www.faz.net/ (15) http://www.sueddeutsche.de/
(16) http://bismarckgymmi.bi.funpic.de/
(17) http://www.nachdenkseiten.de/?p=4936
(18) http://www.welt.de/die-welt/
(19) http://scharf-links.de/41.0.html
(20) http://scharf-links.de/41.0.html
(21) http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv/
(22) http://www.sozialhilfe24.de/news/114/schwanger-durch-hartz-iv/
(23) http://gesetze.bmas.de/Gesetze/sgb12/sgb12x049.htm
(24) http://hartz.info/beispiele-fuer-antraege-f10/
(25) http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,683760,00.html
(26) http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14935
(27)
(28) http://wiso.zdf.de/ZDFde/inhalt/13/0,1872,7603405,00.html?dr=1
(29) http://www.gegen-hartz.de/nachrichtenueberhartziv
(30) Interessanterweise ist der Link auf der Internetpräsenz der Uni Bremen tot.

Aus disziplinarrechtlichen Gründen muss ich darauf hinweisen, dass ich hier ausschließlich meine Privatmeinung vertrete.

Dr. med. Dagmar Schatz ist gebürtige Kölnerin, seit 21 Jahren Muslimin - islamischer Name "Maryam" - und seit 20 Jahren Sanitätsoffizier bei der Bundeswehr, jetzt mit Dienstgrad Oberfeldarzt. Im Internet hat sie unter ihrem nom de plume "bigberta", einige Bekanntheit erlangt, schreibt aber jetzt nur noch unter ihrem "Klarnamen".

Online-Flyer Nr. 245  vom 14.04.2010

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