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Wirtschaft und Umwelt
Ölpreis-Diktat - was kümmert´s die Eiche, wenn sich die Sau dran kratzt...
DGB-ACE-Papiertiger Rose
Von Volker Bräutigam

Es ist mal wieder soweit. Mit Beginn der Osterferien und damit der Urlaubssaison 2010 startet eine weitere Preisrally für Mineralöl. Der ADAC warnte schon vorige Woche vor abermals steigenden Benzinpreisen. Als ob sie nicht eh schon rekordverdächtig wären und als ob die Warnung Neuigkeitswert hätte oder irgendeine Wirkung entfalten könnte. Dass die Öl-Multis den Markt für Heizöl und Kraftstoffe beherrschen und, zur Mehrung ohnehin immenser Profite, hierzulande ihre Übermacht obendrein mittels verbotener Preisabsprachen missbrauchen, ist an den Benzinpreis-Bewegungen der Tankstellen abzulesen. Der Vorsitzende des Automobilclubs Europa, ACE, Wolfgang Rose, kritisierte in der Bild-Zeitung jüngst: „Eine Handvoll Großkonzerne kann Millionen Verbrauchern Einheitspreise diktieren - wir fordern von der Politik Maßnahmen gegen Wucherpreise und Ölpreisspekulanten.“


Wolfgang Rose - Chef des
gewerkschaftlichen ACE
Quelle: www.ace-online.de
Ob der ACE dergleichen „von der Politik“ (wer immer das sei) fordert, oder ob Hümmes Kuh dem Bauern auf den Stiefel kackt, bleibt sich freilich gleich. Mit Sprücheklopferei haben wir es zu tun. Macht aber nichts, es merkt ja keiner, und immerhin: Roses Beweisführung ist schlüssig: Der Preis für ein Barrel (Fass) Rohöl habe im Jahr 2008 auf dem Rekordhoch von 150 US-Dollar gelegen. Er habe damals zu einem Durchschnittspreis von 1,30 Euro für den Liter Superbenzin geführt. Heute koste das Fass Rohöl nur noch rund 80 US-Dollar (- 45%). Der Liter Superbenzin sei aber nicht entsprechend niedriger, im Gegenteil: Super koste nun bis zu 1,44 Euro (+11%).

Roses Beispiel für Marktwillkür reichte sogar für eine Nachricht mit Grafik im ZDF-heute-journal. Der ACE-Boss über die Preistreiberei: „Dafür gibt es keine marktwirtschaftlich begründete Erklärung.“

Falsch! Profitmaximierung ist absolut marktwirtschaftstypisch und bedarf außerdem keiner Erklärung. Jeder versteht, was das bedeutet, und gerade die Ölmultis sind über alle Begründungszwänge erhaben. Sie üben ihr Handelsmonopol für die Öl-Belieferung der Welt an nur zwei Börsen aus: der New York Mercantile Exchange, NYMEX, und der Intercontinental Exchange, ICE, die in London sowie in Atlanta beheimatet ist.

Die USA und Großbritannien, Schirmherren dieser Handelsplätze, hatten im Herbst 2009 im Rahmen ihrer Bemühungen zur Eindämmung der Finanzkrise versucht, dem Ölmarkt-Spekulantentum Grenzen zu setzen. Die Börsen-Aufsichtsbehörden beider Regierungen, die amerikanische Commodities and Futures Trading Commission, CTFC, und die britische Financial Services Authority, FSA, vereinbarten Inspektionen im jeweils anderen Land. Die Inspektoren dürfen Einblick in die Handelsdaten einzelner Börsenakteure nehmen, Schlimmfinger abmahnen und allzu krumme Dinger publik machen, was seither immerhin die exzessivsten Preissprünge verhindert.

Profitquellen der Öl-Multis

Aber die Öl-Multis zocken ja nicht nur den Erdölpreis an den drei weltweit einzigen Handelsplätzen ab, sondern beherrschen auch die Weiterverarbeitung des Rohöls und die Preisbildung für Öl-Produkte auf den nationalen Märkten. Hier holen sie sich (beim Verkauf von Heizöl, Diesel und Superbenzin) den Profit, den sie dort (mit dem Rohöl) jetzt nicht mehr einstreichen können. Hierzulande hindert sie niemand daran. Die Kumpanei zwischen Wirtschaft und Politik verhindert das. Nur der doofe Michel hat das immer noch nicht geschnallt. Eine Mehrheit der Deutschen ist nach wie vor „mit der Arbeit der Kanzlerin zufrieden“: Der ARD und dem ZDF kann man zu diesem großartigen Versagen bei der Vermittlung von Information und politischem Grundwissen nur gratulieren, und ein dreifach Hoch sei auch auf die kaffeesatzlesende, die Resthirne vernebelnde Demoskopie ausgebracht.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, wie der Verband der deutschen Mineralölwirtschaft, der auf nationaler Ebene neben dem Heizölhandel und den Tankstellenketten auch die Ölmultis repräsentiert, das aktuelle Preisgeschehen rechtfertigt: mit „...deutlich höheren Einkaufspreisen am Großmarkt für Benzin in Rotterdam.“

Grenzenlose Dreistigkeit


Ritual der faulen Ausreden: Die Dreistigkeit der Ölmultis ist grenzenlos. Derzeit verkünden sie rotzfrech, am Ölmarkt werde auf steigende Nachfrage spekuliert, weil im Frühjahr die Autosaison in den USA beginne und weil generell mit einer konjunkturellen Erholung gerechnet werde. So geben sie also unverblümt zu, selbst zugleich Preistreiber und Abkassierer zu sein. Ihre dergestalt nachgewiesene Geschäftstüchtigkeit durchschaut natürlich auch ACE-Rose: „Die haben Förderrechte, Lager, Raffinerien und Tankstellen. Sie profitieren auch von den Spekulationsgeschäften.“ Ja was denn sonst.

Welche Schlussfolgerungen zieht der Vorsitzende eines gewerkschaftlichen Interessenclubs aus dem Preiswucher? Notfalls müsse „...es eine Marktentflechtung geben, um wirklichen Wettbewerb herzustellen.“ Falls diese Bemerkung überhaupt an die Ohren der Konzernmanager gelangt ist, dürfte sie allenfalls Schmunzeln bewirkt haben. Was kümmert´s die Eiche, wenn sich die Sau dran kratzt.

Verstaatlichung fordern???

Hätte Rose die Verstaatlichung der Mineralölwirtschaft verlangt – oder, besser noch, die Verstaatlichung des kompletten Energiesektors einschließlich Kohle, Gas und Strom - so hätte er zumindest unsere Sympathie gehabt. Aber das war von ihm nicht zu erwarten. Denn Eigentümer des ACE ist der lammfromme Deutsche Gewerkschaftsbund. Dessen Vorstandsmanager sich ebenso wie die Bosse der Einzelgewerkschaften jährliche sechsstellige Traumgehälter bewilligen lassen. Und die darüber hinaus noch einige Prozente von Aufsichtsrats-Tantiemen abgreifen dürfen. Die aber andererseits jede Initiative für einen Generalstreik gegen das herrschende Elend im Lande zu blockieren trachten. Der DGB, der nicht einmal mehr zum Reparaturbetrieb für den Kapitalismus taugt („...notfalls Markentflechtung“, sagt DGB-ACE-Papiertiger Rose). Der DGB, der fast 200 Bundestagsabgeordnete aus allen dort vertretenen Parteien zu seinen Mitgliedern zählt. Der so viele politische Optionen hat, aber keine davon konsequent nutzt. Der sich lieber die kapitalistische Wirtschaftsweise mit läppischen Reförmchen ein wenig korrigiert, statt dass er gegen dieses Schweinesystem revoltiert. Und zum x-ten Mal frage ich mich trotz meiner Vergangenheit als ehrenamtliches Mitglied im IG-Medien-Hauptvorstand, was ich in diesem DGB-Laden eigentlich noch verloren habe. (PK)

Erschienen in der Politikzeitschrift Ossietzky 6/2010 unter dem Titel „Preisdiktate“. Hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Online-Flyer Nr. 243  vom 31.03.2010

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