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Medien
Berliner Führung hält Berichterstattung über ihre Kriegspolitik für gelungen
Neues von der Medienfront
Von Hans Georg

Bundeswehr-Experten bewerten die deutsche Medienberichterstattung über die Berliner Militärinterventionen weithin positiv und schreiben ihr hohe Bedeutung für die Kriegsakzeptanz zu. Dies bestätigt eine aktuelle Untersuchung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr (SoWi). Demnach seien die Eindrücke derjenigen, die sich in Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften über die deutschen Streitkräfte informierten, in den meisten Fällen "günstig".


Werbung für’s Militär – nicht nur in den Medien, auch im Kölner Dom: “Soldatengottesdienst 2009“  
Foto: Arbeiterfotografie

Mittlerweile nutzt die Bundeswehr Produkte der Massenmedien für die eigene militärpolitische Propaganda. Diese finden sich zuweilen unkommentiert im Internetauftritt der Armee oder werden für die Durchführung öffentlichkeitswirksamer Werbeveranstaltungen genutzt. Dies gilt insbesondere auch für Spiel- und Dokumentarfilme aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Von Medienbildern dominiert

Das in Strausberg bei Berlin beheimatete Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (SoWi) hat kürzlich einen Bericht über seine diesjährige "Bevölkerungsbefragung" zum "sicherheits- und verteidigungspolitischen Meinungsklima" in der Bundesrepublik veröffentlicht. Wie das Institut darin erklärt, wird die "Wahrnehmung" der deutschen Armee durch die Bevölkerung "von Medienbildern dominiert". Insbesondere das Fernsehen erreiche eine "bemerkenswerte Breitenwirkung"; 53 Prozent der Befragten würden durch dieses Massenmedium "mindestens einmal im Monat auf die deutschen Streitkräfte aufmerksam". Nach Angaben des SoWi tragen außerdem Zeitungen und Zeitschriften "in fast gleichem Ausmaß zur öffentlichen Präsenz bei" - und vermitteln dabei offenbar in aller Regel ein Bild der Truppe, das der militärpolitischen Propaganda entspricht: So nähmen 87 Prozent derjenigen, die im Fernsehen etwas über die Bundeswehr sähen, die Streitkräfte positiv wahr; die Eindrücke derjenigen, die dem "Thema Bundeswehr" in Zeitungen und Zeitschriften oder im Internet begegneten, seien "ebenso günstig".[1]

Vorbild: Kosovo-Krieg

Als Vorbild einer im Sinne des Krieg führenden Militärs gelungenen Berichterstattung gilt dem SoWi nach wie vor die mediale Vorbereitung des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Bundesrepublik Jugoslawien 1999. In der serbischen Provinz Kosovo habe sich seinerzeit eine "humanitäre Katastrophe mit tausenden Toten und hunderttausenden Vertriebenen" ereignet, die vor allem den Fernsehkonsumenten nahegebracht worden sei, erklärt das Institut: "In Anbetracht der Bilder dieser Tragödie in der Mitte Europas plädierten viele Bundesbürger für ein internationales Engagement, auch dann noch, als sich im März 1999 die NATO entschloss, mit militärischen Mitteln einzugreifen und die Waffenruhe zu erzwingen."[2]

"Kritische Vorfälle"

Umgekehrt muss jedoch auch das SoWi konstatieren, dass die zunehmende Barbarisierung der deutschen Kriegführung in Afghanistan das inländische "Meinungsbild" massiv beeinflusst. Dem Institut zufolge ging etwa 2006 die Zustimmung der Bevölkerung zum Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch von 64 auf 49 Prozent zurück - nachdem publik geworden war, dass deutsche Soldaten vor laufenden Kameras mit Totenschädeln posiert hatten. Der Vorgang wiederholte sich 2009, im Jahr der aktuell präsentierten "Bevölkerungsbefragung", nachdem der deutsche ISAF-Kommandeur Oberst Georg Klein einen Bombenangriff auf zwei von Aufständischen geraubte Tanklaster befohlen hatte und dabei zahlreiche Zivilisten getötet worden waren. "Kritische Vorfälle" dieser Art, schreibt das SoWi, wirkten sich naturgemäß auf die Zustimmungswerte bei den Befragten aus. Allerdings sei damit zu rechnen, dass diese "mit dem Abflauen des Medieninteresses" auch wieder das ursprünglich hohe Niveau erreichten.[3]

Alles nur Spaß

Wie das SoWi hält auch die Berliner Führung die Medienberichterstattung über die deutsche Kriegspolitik offenbar in vielen Fällen für gelungen. So findet sich auf der Internetseite der Bundeswehr neuerdings ein außerordentlich umfangreicher Aufsatz aus der als linksliberal geltenden Wochenzeitung "Die Zeit". Der kommentarlos dokumentierte Text geizt nicht mit militaristischen Stereotypen: Es sei "nachvollziehbar", dass es den vor der somalischen Küste eingesetzten Bundeswehrangehörigen "Spaß" mache, "Piraten ihre Waffen, Enterleitern, Ersatzaußenbordmotoren und Navigationssysteme wegzunehmen und ins Wasser zu werfen", heißt es hier. Die Zahl von 14.000 Soldaten, die Deutschland für Kriegsoperationen im Ausland "gleichzeitig in Marsch setzen" kann, wird mit Blick auf die deutsche Niederlage im Zweiten Weltkrieg folgendermaßen kommentiert: "Damit kann man Russland nicht erobern, klar." Analog zu früheren Phasen der deutschen Expansion wird zudem ein angeblich weit verbreiteter "Defätismus" in Bezug auf die Kriegseinsätze der Bundeswehr beklagt.[4]

Soldaten als "Opfer"

Neben der positiven Berichterstattung der Printmedien nutzt die Bundeswehr zunehmend von öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern produzierte Filme für ihre Propaganda (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Aktuell verweisen die deutschen Streitkräfte auf eine Produktion des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), in der die in Afghanistan eingesetzten Soldaten einmal mehr als "Opfer" des dortigen Krieges porträtiert werden, die unter "seelischen und körperlichen Verletzungen" leiden.[6] Im kommenden Monat wird zudem erneut der in Kooperation mit dem öffentlich-rechtlichen Südwestrundfunk (SWR) entstandene Streifen "Nacht vor Augen" in einem Bremer Kino gezeigt. Auch hier wird das Schicksal eines in Afghanistan traumatisierten Kämpfers thematisiert; das aus Militärseelsorgern, Truppenpsychologen und sogenannten Selbsthilfegruppen bestehende "Psychosoziale Netzwerk" der deutschen Streitkräfte hatte bereits 2009 anlässlich eines Filmfestivals in Leipzig angekündigt, "Nacht vor Augen" auch "noch in weitere Bundeswehrstandorte zu bringen".[7]

Vertrauen ist besser

Das überwiegend außerordentlich positive Verhältnis der Massenmedien zur Bundeswehr zeigt sich nicht zuletzt an der Resonanz auf die aktuelle "Bevölkerungsbefragung" des SoWi. Diese habe ergeben, hieß es unisono in der deutschen Presse, dass die Bevölkerung vorrangig der Polizei und dem Militär "vertraue".[8] Ein Kommentator verstieg sich sogar zu der Aussage, die genannten Repressionsapparate gälten geradezu als Garanten geordneter Verhältnisse: Sie würden als diejenigen betrachtet, die das von Politikern angerichtete "Chaos" wieder "in Ordnung bringen sollen".[9]

[1], [2], [3] Thomas Bulmahn: Sicherheits- und verteidigungspolitisches Meinungsklima in Deutschland. Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr Oktober/November 2009. Kurzbericht. Strausberg 2010. Zum SoWi s. auch Dulce et decorum est pro patria mori, Migranten an die Front und Military Studies
[4] Susanne Gaschke: Armee der Unverstandenen. Die Zeit 04.03.2010. Der Text findet sich unter demselben Titel auf www.bundeswehr.de.
[5] s. dazu Willkommen im Krieg, Presse-KSK, Kriegspropaganda, öffentlich-rechtlich und Willkommen im Krieg (II)
[6] ZDF-Video: Kein Schritt ohne Risiko; www.bundeswehr.de Der gleichnamige Dokumentarfilm wurde im Rahmen des TV-Magazins "37 Grad" am 02.03.2010 vom ZDF ausgestrahlt.
[7] Mit dem Film "Nacht vor Augen" über Trauma reden; www.militaerseelsorge.bundeswehr.de 07.03.2009
[8] Die Armee des Vertrauens; Stuttgarter Zeitung 20.02.2010. Bürger vertrauen Militär mehr als der Politik; Die Welt 18.02.2010. Kaum Vorbehalte gegen Bundeswehreinsatz im Inneren; Frankfurter Allgemeine Zeitung 17.02.2010
[9] Torsten Krauel: Belohnt werden Taten. Die Welt 18.02.2010 (PK)

Mehr: http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57765

Online-Flyer Nr. 242  vom 24.03.2010

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