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Pappnasen - Folge 4
Herr von Früher
Von Charlie Schulze
Seine offizielle Berufsbezeichnung lautet "Kabarettist". In Wirklichkeit taucht er auf jeder Veranstaltung rund um die Themen Sozialpolitik, Migration, Multikulti, Globalisierung und Weltfrieden auf, gibt Interviews, spricht auf Kundgebungen, zeichnet als Unterstützer, schreibt Artikel über alles, was ihm so durch den Ääpel rauscht, versucht sich als Moderator und setzt sich überall mehr bis weniger gelungen in Szene, und das alles wohlgemerkt, ohne dabei ein einziges Mal lustig zu sein.
Erschwerend hinzu kommt, dass seine persönliche Aura nicht eben angenehm ist, vielmehr schreitet unser Mann in einer Wolke der Wichtigkeit durch die Welt, die ihn deutlich abhebt von seiner Umgebung. Hoch erhobenen Kinns eilt er dahin, als gälte es allgegenwärtigen Autogrammjägern zu entkommen. Nur wenigen Menschen ohne Presseausweis wird seine Aufmerksamkeit zuteil, und jeder zweite Satz, den er ohne Vorbereitung spricht, fängt an mit "Wir haben früher ..." oder endet auf: "... wie wir früher".
Wie der sprichwörtliche Opa, der vom Krieg erzählt, weist er alles in seine altersbedingten Schranken, was "damals" nicht dabei war und also per se nichts zu melden und nichts zu bieten haben kann. Ein echtes Killerargument, vorgetragen mit einer Dreistigkeit, die jeden halbwegs höflichen Menschen in stellvertretender Scham im Bogen versinken lässt, mit dem Resultat, dass sich ihm in der Regel niemand in den Weg stellt.
Die Folgen sind verheerend: wie die Axt im Walde fuhrwerkt er überall herum, wo er etwas besser zu wissen meint: als Moderator würgte er Gäste ab, die ihm nicht hochdekoriert genug schienen, nicht ahnend, dass genau deren Wortbeiträge die interessantesten waren. Am Rande von Kundgebungen forderte er Kollegen auf, ihr Programm zu ändern. Überhaupt fummelt er gern anderen dazwischen, sei´s aus Eigeninteresse oder einfach nur um der Wichtigtuerei willen. Und all diese Selbstherrlichkeit wird vom Umfeld untertänig hingenommen, denn es geht ja in der Regel um "die Sache", und die steht bekanntlich über den Stilfragen. Gerade in dieser unserer "linken Szene", die sich gerne als große, bunte, tolerante Familie versteht, herrscht eine schwerst missverstandene Auffassung von "Solidarität", die Kritik an Mitgliedern der vermeintlich eigenen Gemeinde tabuisiert. Alles noch so schlecht Gemachte geht unter der Flagge des Gutgemeinten anstandslos durch, solange es nur für "die Sache" steht, und sei es noch so oberflächlich. In diesem Milieu kann unser Herr von Früher ungestört vor sich hin agieren, ohne jemals hinterfragt zu werden.
Seine mündlichen wie schriftlichen Beiträge haben eine kaum greifbare, fischige Qualität des durch die Finger-Glitschens. Seine Kommentare zum lokalen Zeitgeschehen zum Beispiel lassen sich lesen, ohne dass die geringste Kleinigkeit hängen bleibt: keine Aussage, keine Formulierung, keine Pointe, nichts. Zur Kompensation spielt er gerne mit Wortverdrehungen herum, aber das macht die Sache nicht besser: Will man wirklich wissen, was er denn nun meint, muss man seine Sätze zweimal lesen, und dann noch ein drittes und viertes Mal in der Annahme, es wäre noch irgendwo ein Witz verborgen - vergeblich.
In einem besseren Moment charakterisierte er sich, auf nicht anwesende Gegner einhauend, unfreiwillig selber: "Das hat man jetzt nicht verstanden, aber darum geht´s, dass man´s auch gar nicht mehr versteht, sondern dass der Kopf besetzt wird..." Ach so... Okay. Aber: "Kabarett"?
Trotz der Wortmassen, die er vom Stapel lässt, findet sich kaum etwas, das sich zitieren ließe, es ist alles so tödlich in seiner Beliebigkeit, dass man gar nicht weiß, womit anfangen bzw. was auswählen. Die Inhalte sind mithin allesamt ehrenwert und vermutlich sogar relevant, gehen aber unter in einer Sintflut von Gelaber. Auch erschließt sich das meiste nur dem, der ohnehin Bescheid weiß - Insider-Lästereien, die beim Nippeser 68er-Stammtisch zustande gekommen sein mögen und auf dem Heimweg noch kurz durch den Wörterwolf gedreht wurden, bevor sie beispielsweise der taz-LeserIn neben das Frühstücksmüsli geschoben werden.
Und hier erst beginnt das eigentliche Elend. Seine Zielgruppe, so die Selbstdarstellung, ist "Otto Normalmoralverbraucher". Also Zeitgenossen, die sich für normal halten, an moralischen Fragen interessiert sind und gleichzeitig auf intellektuell getrimmte Kalauer mögen. Man hofft, der Markt für dergleichen wäre verschwindend klein, aber eine zur Premiere ausverkaufte Comedia belehrt uns eines besseren. Man fragt sich nicht nur, was ihn, abgesehen von einem Paar wahrhaft clownesker Augenbrauen, denn genau zu seinem offiziellen Beruf qualifiziert. Man fragt sich weiter, wie er es gar zum Status des "Prominenten" bringen konnte, und vor allem fragt man sich, was zur Hölle sich die Jury eingepfiffen haben mag, die ihm den "Deutschen Kleinkunstpreis Unterhaus Mainz" zugeschustert hat. Man fragt sich, wer die Menschen sein mögen, die freiwillig zwei Stunden altlinkes Genöle und unsägliches Wortgeklapper über sich hinmören lassen, um am Ende brav zu applaudieren.
Die Lösung ist: Alle, die ihn schätzen, kennen ihn seit mehreren Jahrzehnten, also, und da kommt es wieder, von "früher". Von da, nämlich 1982, stammt auch der gern zitierte Kleinkunstpreis. Überhaupt ist dieses "früher", so stahlgewittermäßig es auch dröhnen mag, so furchtbar lange gar nicht her. Wir reden vom Zeitraum späte siebziger bis mittlere achziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Davor scheint in Köln nämlich absolut nichts los gewesen zu sein, danach gab es den Mythos Köln bereits, aber die eigentliche Party war schon vorbei.
Die auserwählten Leute, die damals mitgefeiert haben, bilden bis heute eine eifersüchtige Elite. Unser Mann ist beileibe nicht der einzige aufgeblasene Fatzke in der Stadt, der auf nichts gründet, als damals dabei gewesen zu sein. Vielleicht war Herr von Früher tatsächlich einst ein brillanter Kopf. Vielleicht hat er sich auch einfach seinerzeit mit den richtigen Leuten einen durchgezogen.
Die Dröhnung hält bis heute vor. Als "Begnadeter Assoziationsschmied" und "Preisträger für vertrauenstörende Massnahmen" feiert er sich selbst, "Altmeister" bzw. "Urgestein des politischen Kabaretts" ist sein landläufiger öffentlicher Titel.
Wer die Branche kennt, weiß allerdings, dass es nicht so schwer ist, bei der Presse einen zu finden, der derlei volltönende Lügen ins Horn bläst. So etwas kann sich über die Jahrzehnte verselbständigen. Hat sich eins dann noch den Status des "Prominenten" erarbeitet oder ergaunert, schreibt eigentlich nur noch eins vom anderen oder gleich von der Selbstanpreisung ab. Kleinkunstpreise tun ein Übriges. Am Ende steht ein ausverkauftes Haus, das den Schwindel entweder nicht merkt oder aber höflich schweigt bzw. applaudiert in der Befürchtung, selber vielleicht nicht feinsinnig genug für das Verständnis dieses hoch dekorierten Künstlers zu sein.
Deshalb, und nur deshalb muss es einmal gesagt werden: Dieser Mann ist nicht lustig. Er kann schnell reden, ja, aber das ist nur der Trick, damit man nicht so genau hinhört: Seine Pointen sind, wenn vorhanden, mit Wortverdrehungen zugewichst, dass es der Sau graust, der menschliche Verstand sich aber angeödet ausklinkt, so er noch interessanteres in der Welt vorfindet.
Man muss also keineswegs Heinrich Pachl gut finden, um in Köln auf der aufgeklärten Seite zu stehen. Man darf im Gegenteil fragen, wo die Grenze der Loyalität zur Schleimerei überschritten wird und wo allseits hergeheuchelte Prominenz nahtlos übergeht in primitiven Größenwahn. Beziehungsweise: Wieviel eins wirklich zur "Sache" beiträgt und welche Relevanz hängen bliebe, ließe man die Geschichten von früher einmal außer Acht.
Online-Flyer Nr. 40 vom 18.04.2006
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Pappnasen - Folge 4
Herr von Früher
Von Charlie Schulze
Seine offizielle Berufsbezeichnung lautet "Kabarettist". In Wirklichkeit taucht er auf jeder Veranstaltung rund um die Themen Sozialpolitik, Migration, Multikulti, Globalisierung und Weltfrieden auf, gibt Interviews, spricht auf Kundgebungen, zeichnet als Unterstützer, schreibt Artikel über alles, was ihm so durch den Ääpel rauscht, versucht sich als Moderator und setzt sich überall mehr bis weniger gelungen in Szene, und das alles wohlgemerkt, ohne dabei ein einziges Mal lustig zu sein.
Erschwerend hinzu kommt, dass seine persönliche Aura nicht eben angenehm ist, vielmehr schreitet unser Mann in einer Wolke der Wichtigkeit durch die Welt, die ihn deutlich abhebt von seiner Umgebung. Hoch erhobenen Kinns eilt er dahin, als gälte es allgegenwärtigen Autogrammjägern zu entkommen. Nur wenigen Menschen ohne Presseausweis wird seine Aufmerksamkeit zuteil, und jeder zweite Satz, den er ohne Vorbereitung spricht, fängt an mit "Wir haben früher ..." oder endet auf: "... wie wir früher".
Wie der sprichwörtliche Opa, der vom Krieg erzählt, weist er alles in seine altersbedingten Schranken, was "damals" nicht dabei war und also per se nichts zu melden und nichts zu bieten haben kann. Ein echtes Killerargument, vorgetragen mit einer Dreistigkeit, die jeden halbwegs höflichen Menschen in stellvertretender Scham im Bogen versinken lässt, mit dem Resultat, dass sich ihm in der Regel niemand in den Weg stellt.
Die Folgen sind verheerend: wie die Axt im Walde fuhrwerkt er überall herum, wo er etwas besser zu wissen meint: als Moderator würgte er Gäste ab, die ihm nicht hochdekoriert genug schienen, nicht ahnend, dass genau deren Wortbeiträge die interessantesten waren. Am Rande von Kundgebungen forderte er Kollegen auf, ihr Programm zu ändern. Überhaupt fummelt er gern anderen dazwischen, sei´s aus Eigeninteresse oder einfach nur um der Wichtigtuerei willen. Und all diese Selbstherrlichkeit wird vom Umfeld untertänig hingenommen, denn es geht ja in der Regel um "die Sache", und die steht bekanntlich über den Stilfragen. Gerade in dieser unserer "linken Szene", die sich gerne als große, bunte, tolerante Familie versteht, herrscht eine schwerst missverstandene Auffassung von "Solidarität", die Kritik an Mitgliedern der vermeintlich eigenen Gemeinde tabuisiert. Alles noch so schlecht Gemachte geht unter der Flagge des Gutgemeinten anstandslos durch, solange es nur für "die Sache" steht, und sei es noch so oberflächlich. In diesem Milieu kann unser Herr von Früher ungestört vor sich hin agieren, ohne jemals hinterfragt zu werden.
Seine mündlichen wie schriftlichen Beiträge haben eine kaum greifbare, fischige Qualität des durch die Finger-Glitschens. Seine Kommentare zum lokalen Zeitgeschehen zum Beispiel lassen sich lesen, ohne dass die geringste Kleinigkeit hängen bleibt: keine Aussage, keine Formulierung, keine Pointe, nichts. Zur Kompensation spielt er gerne mit Wortverdrehungen herum, aber das macht die Sache nicht besser: Will man wirklich wissen, was er denn nun meint, muss man seine Sätze zweimal lesen, und dann noch ein drittes und viertes Mal in der Annahme, es wäre noch irgendwo ein Witz verborgen - vergeblich.
In einem besseren Moment charakterisierte er sich, auf nicht anwesende Gegner einhauend, unfreiwillig selber: "Das hat man jetzt nicht verstanden, aber darum geht´s, dass man´s auch gar nicht mehr versteht, sondern dass der Kopf besetzt wird..." Ach so... Okay. Aber: "Kabarett"?
Trotz der Wortmassen, die er vom Stapel lässt, findet sich kaum etwas, das sich zitieren ließe, es ist alles so tödlich in seiner Beliebigkeit, dass man gar nicht weiß, womit anfangen bzw. was auswählen. Die Inhalte sind mithin allesamt ehrenwert und vermutlich sogar relevant, gehen aber unter in einer Sintflut von Gelaber. Auch erschließt sich das meiste nur dem, der ohnehin Bescheid weiß - Insider-Lästereien, die beim Nippeser 68er-Stammtisch zustande gekommen sein mögen und auf dem Heimweg noch kurz durch den Wörterwolf gedreht wurden, bevor sie beispielsweise der taz-LeserIn neben das Frühstücksmüsli geschoben werden.
Und hier erst beginnt das eigentliche Elend. Seine Zielgruppe, so die Selbstdarstellung, ist "Otto Normalmoralverbraucher". Also Zeitgenossen, die sich für normal halten, an moralischen Fragen interessiert sind und gleichzeitig auf intellektuell getrimmte Kalauer mögen. Man hofft, der Markt für dergleichen wäre verschwindend klein, aber eine zur Premiere ausverkaufte Comedia belehrt uns eines besseren. Man fragt sich nicht nur, was ihn, abgesehen von einem Paar wahrhaft clownesker Augenbrauen, denn genau zu seinem offiziellen Beruf qualifiziert. Man fragt sich weiter, wie er es gar zum Status des "Prominenten" bringen konnte, und vor allem fragt man sich, was zur Hölle sich die Jury eingepfiffen haben mag, die ihm den "Deutschen Kleinkunstpreis Unterhaus Mainz" zugeschustert hat. Man fragt sich, wer die Menschen sein mögen, die freiwillig zwei Stunden altlinkes Genöle und unsägliches Wortgeklapper über sich hinmören lassen, um am Ende brav zu applaudieren.
Die Lösung ist: Alle, die ihn schätzen, kennen ihn seit mehreren Jahrzehnten, also, und da kommt es wieder, von "früher". Von da, nämlich 1982, stammt auch der gern zitierte Kleinkunstpreis. Überhaupt ist dieses "früher", so stahlgewittermäßig es auch dröhnen mag, so furchtbar lange gar nicht her. Wir reden vom Zeitraum späte siebziger bis mittlere achziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Davor scheint in Köln nämlich absolut nichts los gewesen zu sein, danach gab es den Mythos Köln bereits, aber die eigentliche Party war schon vorbei.
Die auserwählten Leute, die damals mitgefeiert haben, bilden bis heute eine eifersüchtige Elite. Unser Mann ist beileibe nicht der einzige aufgeblasene Fatzke in der Stadt, der auf nichts gründet, als damals dabei gewesen zu sein. Vielleicht war Herr von Früher tatsächlich einst ein brillanter Kopf. Vielleicht hat er sich auch einfach seinerzeit mit den richtigen Leuten einen durchgezogen.
Die Dröhnung hält bis heute vor. Als "Begnadeter Assoziationsschmied" und "Preisträger für vertrauenstörende Massnahmen" feiert er sich selbst, "Altmeister" bzw. "Urgestein des politischen Kabaretts" ist sein landläufiger öffentlicher Titel.
Wer die Branche kennt, weiß allerdings, dass es nicht so schwer ist, bei der Presse einen zu finden, der derlei volltönende Lügen ins Horn bläst. So etwas kann sich über die Jahrzehnte verselbständigen. Hat sich eins dann noch den Status des "Prominenten" erarbeitet oder ergaunert, schreibt eigentlich nur noch eins vom anderen oder gleich von der Selbstanpreisung ab. Kleinkunstpreise tun ein Übriges. Am Ende steht ein ausverkauftes Haus, das den Schwindel entweder nicht merkt oder aber höflich schweigt bzw. applaudiert in der Befürchtung, selber vielleicht nicht feinsinnig genug für das Verständnis dieses hoch dekorierten Künstlers zu sein.
Deshalb, und nur deshalb muss es einmal gesagt werden: Dieser Mann ist nicht lustig. Er kann schnell reden, ja, aber das ist nur der Trick, damit man nicht so genau hinhört: Seine Pointen sind, wenn vorhanden, mit Wortverdrehungen zugewichst, dass es der Sau graust, der menschliche Verstand sich aber angeödet ausklinkt, so er noch interessanteres in der Welt vorfindet.
Man muss also keineswegs Heinrich Pachl gut finden, um in Köln auf der aufgeklärten Seite zu stehen. Man darf im Gegenteil fragen, wo die Grenze der Loyalität zur Schleimerei überschritten wird und wo allseits hergeheuchelte Prominenz nahtlos übergeht in primitiven Größenwahn. Beziehungsweise: Wieviel eins wirklich zur "Sache" beiträgt und welche Relevanz hängen bliebe, ließe man die Geschichten von früher einmal außer Acht.
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