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Aktueller Online-Flyer vom 19. Mai 2024  

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Lokales
Mit meinen Mäusen im Fahrradanhänger am Ostersamstag nach Düsseldorf
"Es geht ums Tun und nicht ums Siegen"
Von MB

"Kommt, wir fahren am Samstag zum Ostermarsch nach Düsseldorf." - Nachdem ich diesen Satz gesagt hatte, wurden Erinnerungen in mir wach. Ostermärsche in den achtziger Jahren zur Hochzeit des Kalten Krieges.

Die Angst vor der konkreten atomaren Bedrohung trieb die Menschen auf die Straße, Angst vor dem Erstschlag gerade in einem der beiden deutschen Staaten. Lange Züge mit zehntausenden Menschen zogen mit bunten Fahnen durch die Innenstädte - zum Teil ängstlich beäugt von den Konservativen. Aber gegen Frieden zu sein, das konnte man damals nicht  offen aussprechen.
Und dann die Oster-"Märsche" der neunziger Jahre. Der.alte Krieg war vorbei, die Bedrohung scheinbar vorüber, die vielen aktuellen Kriege weit weg. Ich erinnere mich, wie mein Freund fast allein auf dem Bonner Münsterplatz mit seinem Plakat stand und als aussterbende Gattung dafür sogar in der Tagesschau gezeigt wurde. Und wie wird es heute sein, wenn wir in Düsseldorf ankommen?

Die letzte große Friedensdemo gegen den Irakkrieg am 15. Februar 2003, die in fast allen europäischen Hauptstädten stattfand, hatte ich in Luxemburg erlebt, weil das näher ist als Berlin. Massen kamen zusammen, und es hatte wenigstens den Nutzen, dass sich unsere Regierung diesmal von offenen Kriegshandlungen fernhielt. Den Krieg unterstützt durch Uberflugrechte, über 20 Militärbasen, Logistik, erhebliche Gelder und vieles mehr hat sie trotzdem. Heute stehen wir vor dem Krieg gegen den Iran, und diesmal will Deutschland mit seiner Bundeskanzlerin treu an der Seite der imperialistischen USA stehen. Dieser Krieg zur Erlangung der Macht über die Olressourcen der Golfregion wurde schon während des Irakkrieges vorbereitet. Angesichts dieser Aussichten - werden wir in Düsseldorf alleine sein
oder werden die Massen kommen?

Wir hatten Freundinnen angefragt, die auch politisch engagiert sind, ob sie mit uns marschieren. Die Antwort lautete, sie könnten leider nicht, weil sie zur Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz spielen würden. Es waren Crazy, blue flower und Don Franco von Magic-Street-Voices. (www.magic-street-voices.de ). Mit Mann und Maus - in meinem Fall sind die Mäuse zwei, fünf und acht Jahre alt und "marschierten" wohlbehütet im Fahrradanhänger mit - habe ich mich am Samstag Mittag auf den Weg gemacht. Mit von der Partie war Poi, meine kenianische Freundin und Mitbewohnerin.
Am Düsseldorfer Hauptbahnhof dann erst mal der Schock: Bei einem Transparent standen ungefähr fünf Leute. Aber sie waren nur die lebendigen Wegweiser. Hundert Meter weiter die Straße runter hatten sich ein paar hundert Menschen mit roten, Regenbogen- und   Gewerkschaftsfahnen versammelt. Peter Bürger von Pax Christi hielt die Begrüßungsrede (www.paxchristi.de). Besonders gelungen fand ich dabei seine Beschreibung des "Kulturkampfs gegen den Islam" zur Verschleierung des "kriegerischen Charakters des christlich geprägten Kulturkreises". Muslime werden zu Feindbildern stilisiert und das Bild des Gotteskämpfertums der Muslime wird von Geheimdiensten erfunden, um ihre eigenen,  Demokratie und Freiheit zerstörenden Machenschaften zu legalisieren.

Dann ging es los. Wir zogen in vielen Windungen durch die Düsseldorfer Innenstadt, wurden belächelt - die Massen gingen shoppen. Aber es war gut, zu zeigen, dass es Menschen gibt, die trotz aller "Realpolitik" davon überzeugt sind, dass Frieden und Menschen achtende Politik möglich ist. Es  war gut, die alten Lieder auf der Straße zu singen: "Es ist an der Zeit", das große Friedenslied von Hannes Wader, das einem toten, jungen Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg verspricht, dass wir heute wachsam sein werden, "diesen Krieg zu verhindern, es ist an der Zeit". Oder auch das "Andere Osterlied" von Kurt Marti, in dem aufgerufen wird "zur Auferstehung auf Erden, zum Aufstand gegen die Herren, die mit dem Tod uns regieren".

Die Autorin mit ihren Mäusen
Die Autorin mit ihren Mäusen
Foto: MB


Zum Thema Black-and-white haben Poi und ich die Umsetzung demonstriert und uns an den Händen gehalten. Das Publikum war altersmäßig gemischt mit einem starken Jugendunterhang. Klaus der Geiger (www.klausdergeiger.de) meinte während seines Auftritts auf dem Marktplatz: "Na, Ihr alten Linken, könnt Ihr denn noch schreien?" Vor dem Industrieclub gab es einen Zwischenstopp und Hannelore Tölke (www.vvn-dba.de) erinnerte an ein Treffen der Großindustriellen im Jahre 1932 mit Hitler, der versprach, die Gewerkschaften zu zerschlagen, Wahlen abzuschaffen und "Lebensraum im Osten" zu erobern. Daraufhin wurde die NSDAP reichlich mit Spenden aus der Industrie versorgt.
Damals wie heute arbeitet die Industrie für den Krieg, allen voran Thyssen-Krupp.
Beim Einzug auf den Marktplatz am Düsseldorfer Rathaus wurden wir von dem bewegenden Sound von Magic-Street-Voices begrüßt; eine Kölner Band, die eigene Rock-Pop-Jazz-Songs spielte und deren neue CD "unplugged" ein echter Geheimtipp ist.

Durch das Programm führte Detlef Peikert, Friedensaktivist aus Aachen. Er hob hervor, dass die Bundeswehr bei ihren Ausiandseinsätzen nach dem Willen des Verteidigungsministers "nationale Interessen" - und das sind wirtschaftliche Interessen - vertreten soll. Im Kongo geht es z.B. um die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen und die Flüchtlingsabwehr. Klaus der Geiger brachte mit seiner unkonventionellen Art Stimmung auf den Platz und demaskierte das heuchlerische Vorgehen der Machthaber.

Mit von der Partie - Poi Njoroge
Mit von der Partie - Poi Njoroge
Foto: MB


Als erste Rednerin sprach die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke von der Linken. Sie unterstrich die "Sicherheitspolitik", die im Zuge der Terrorabwehr massiv zugenommen hat (70% des Etats des Innenministeriums). Sicherheit heißt "Sicherheit der Ausbeutung und der Plünderung von Rohstoffen, sie meinen die Sicherheit der eigenen Herrschaft". Jelpke warnte vor der zunehmenden Militarisierung im Zuge der WM-Vorbereitungen. Die Bundeswehr soll mit 7.000 Soldatinnen im Inneren eingesetzt werden. Dieser Zugang zu einem Sportereignis ist skandalös und wir sollten ihn nicht hinnehmen, sonst weiten sich diese Übergriffe auf unsere Freiheit aus. "Das eigentliche Sicherheitsproblem ist diese Bundesregierung mit ihrer verfassungswidrigen Politik!"

Zur Auflockerung sagen Kurt und Josie Lieder gegen den Krieg, zum Teil Klassiker von Wader, Tucholsky etc. Sie sind in der Aachener Friedensbewegung aktiv. Da Otto Meyers Rede in der NRhZ erscheint, werde ich nicht näher darauf eingehen. Schön fand ich auch die Verleihung des Düsseldorfer Friedenspreises für die Lehrerin i. R. Inge Holzinger aus Duisburg, die seit den 50er Jahren aktiv in der Friedensarbeit ist und deren Laudatio Willi Hoffmeister vom Friedensforum Dortmund hielt.
Den letzten Redner, Dr. Mostafa Danesh, der zum Iran etwas sagen wollte, habe ich leider nicht mehr mitbekommen*. Da meine Mäuse nach tapferem Durchhalten trotz Aufmunterung durch die Freundlichkeit der Demonstrantinnen und durch Kuchen nun wirklich nicht mehr konnten und wir den beschwerliche Heimweg nach Köln antraten. Auch den bestimmt sehr ansprechenden Ausklang des Friedensfestes durch Magic-Street-Voices haben wir so leider verpasst.
Aber eins ist klar: Es ist gut, dass wir beim Ostermarsch waren, denn "Es geht ums Tun und nicht ums Siegen" (Zitat Konstantin Wecker, Lied über die Geschwister Scholl; www.wecker.de)

MB ist Studienrätin in Düren und lebt mit ihrer Familie in Köln.

*Der iranische Publizist Dr. Mostafa Danesh sagte seinen vorgesehenen Rednerbeitrag beim Ostermarsch Rhein-Ruhr kurzfristig ohne Begründung ab.- Die Red.*

Mitschnitt der Rede von Pfarrer Otto Meyer als
Mp3-Sound-Datei zum Download. (ca. 15 MB).

Mitschnitt der Rede von Ulla Jelpke als
Mp3-Sound-Datei zum Download. (ca. 10 MB).

Eine Ostermarsch-Collage von Hans-Detlev von Kirchbach
Mp3-Sound-Datei zum Download. (ca. 6 MB).

Online-Flyer Nr. 40  vom 18.04.2006

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