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Aktueller Online-Flyer vom 19. August 2025  

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Inland
Russische Militärflugzeuge auf "zivilem" Leipziger Flugplatz
Großwaffengeschäft in Vorbereitung
Von Hans Georg

Der russische Außenminister Lawrow hat am Donnerstag bei seinem Berlin-Besuch die Stationierung von Großwaffentransportern auf dem Flughafen Leipzig gebilligt und die weitere Öffnung des russischen Luftraums für den Afghanistan-Nachschub zugesagt. Gegen die militärische Nutzung der Leipziger Rollbahnen protestieren seit Monaten deutsche Bürgerinitiativen, die völkerrechtliche Vorbehalte geltend machen.
Am Freitag fand deswegen eine aktuelle Debatte im Dresdener Landtag statt. Ohne auf die öffentlichen Auseinandersetzungen um die russische Zuarbeit für Truppenbewegungen der EU und NATO einzugehen, hatte Lawrow im Berliner Bundesministerium der Verteidigung Gespräche über "bilaterale militärpolitische Beziehungen" und "gemeinsame Sicherheitsfragen" geführt. Dabei wurden unter anderem milliardenschwere Projekte auf dem Gebiet des deutsch-russischen Flugzeugbaus behandelt. Die Zusammenarbeit wird von Washington "mit allen Mitteln" torpediert, da die erwarteten Rüstungsaufträge dem US-Konkurrenten Boeing erhebliche Gewinne entziehen. Wie diese Redaktion erfährt, kommt es auf dem Leipziger Flughafen zur Errichtung einer militärischen "Operationsbasis", die das Land Sachsen als zivilen Frachtbereich ausweist.

Nach Angaben der offiziösen Moskauer Nachrichtenagentur Novosti drehten sich die deutsch-russischen Militärgespräche unter anderem um den Luftkorridor, "über den Nato-Friedenstruppen nach Afghanistan transportiert werden".[1] Für die militärischen Überflugrechte in Richtung Afghanistan dankte der deutsche Verteidigungsminister dem Besucher. "Das diene der weiteren Stabilisierung des Landes am Hindukusch", sagte Franz-Josef Jung.[2] Die Afghanistan-Flüge werden mit russischen Maschinen des Typs Antonow 124-100 besorgt und bringen russischen Unternehmen jährlich zweistellige Millionenbeträge ein.
 
Gemeinschaftsunternehmen

Deutsch-russische Flugzeuggeschäfte, die nicht Millionen, sondern Milliarden erfordern, waren weiterer Gegenstand der Regierungsgespräche. Berlin und Moskau planen die gemeinsame Entwicklung "zukunftsweisender Luftfahrttriebwerke" [3], wollen Konzepte für superschwere (Militär-)Hubschrauber entwickeln und "neue Luftschiffe des XXI Jahrhunderts" bauen. In die Projektarbeit ist neben dem Berliner Verteidigungsministerium auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie eingebunden. Als Teilhaber aus der deutschen Rüstungsindustrie steht das Unternehmen EADS bereit.[4] EADS hält seit kurzem Aktien des russischen Flugzeugherstellers "Irkut" und stellt die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens in Aussicht - "zum Umbau von Airbus-Passagiermaschinen in Frachtflugzeuge". Jährlich sollen bis zu 20 Maschinen überholt werden. Der Umbau einer einzigen Maschine kostet mindestens vier Millionen Dollar [5] und führt ausrangierte Zivilflugzeuge auch militärischen Zwecken zu. EADS und "Irkut", die künftigen Unternehmenseigner deutsch-russischer Provenienz, arbeiten bereits an einem Amphibienflugzeug ("Projekt Be-200") - ebenfalls kriegstauglich. Über die Realisierung dieser und weiterer Projekte beraten Minister, Staatssekretäre, Generaldirektoren und Vorstandsmitglieder beider Seiten bei einer Konferenz Mitte Mai in Berlin.
 
Berater

Das Treffen wird von der "Deutsch-Russischen Wirtschaftsallianz" ausgerichtet, einem eingetragenen Verein, der in der feinen Berliner Friedrichstraße residiert - etwa in gleicher Entfernung zwischen russischer Botschaft und den entscheidenden deutschen Ministerien. Als Referent ist unter anderem Dr. Elmar Rauch vorgesehen. Rauch, langjähriger Bediensteter des deutschen Verteidigungsministeriums, will sich mit der jüngst erfolgten Stationierung russischer Großwaffentransporter auf dem Flughafen Leipzig beschäftigen [6] - "als Grundstein für eine enge Zusammenarbeit" zwischen Berlin und Moskau.[7] Die in Leipzig stationierten Maschinen des Typs Antonow 124-100 werden für weltweite Gewaltoperationen von EU und NATO bereitgehalten und von der russisch-ukrainischen Firma "Wolga Dnepr" betreut - "Berater" ist Dr. Elmar Rauch, der Mann aus dem deutschen Verteidigungsministerium.[8] Das Leipziger Großwaffengeschäft hat ein Volumen von ca. 1,2 Milliarden Euro.
 
Orden

Die in Leipzig erprobte Stationierung, die Rauch als "Grundstein" deutsch-russischer (Militär-)Kooperation ansieht, will die Firma "Wolga Dnepr" weiter ausbauen und bietet in Berlin die Serienfertigung eines modernisierten "strategischen Transportflugzeugs" an (Typ AN-124-150 MW). Für die neuen übergroßen Kriegsmaschinen werden Milliardeninvestitionen benötigt, die Moskau bei den deutschen Partnern einwerben möchte. Interesse signalisieren Firmen des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft. An dessen Vorsitzenden Dr. Klaus Mangold, einen führenden Manager der DaimlerChrysler AG, verlieh der in Berlin weilende russische Aussenminister Lawrow jetzt einen Orden.[9]
 
Nichts gewusst

Die militärische Wirtschaftskooperation zwischen Berlin und Moskau führt in Leipzig zu anhaltenden Auseinandersetzungen. Mit der Stationierung der "Wolga Dnepr"-Maschinen auf dem Leipziger Flughafen beschäftigt sich heute der Dresdner Landtag. Wie die sächsische Staatsregierung glauben machen will, gelten ihre Subventionen für den gegenwärtig laufenden Flughafenausbau einem zivilen Projekt und sollen lediglich bei der Ansiedlung des Frachtunternehmens DHL helfen. Die Bauarbeiten ließ man sich bisher in Dresden rund 350 Millionen Euro kosten. Von der beabsichtigten militärischen Nutzung habe man bei Vergabe der Steuergelder nichts gewusst, heißt es in einer Stellungnahme vom 14. März 2006.
 
Planentwurf

Der detaillierte Planentwurf für die militärische "Operationsbasis" der Großwaffentransporter auf dem Flughafen Leipzig, der dieser Redaktion vorliegt, lässt die amtlichen Verlautbarungen der sächsischen Staatsregierung wenig glaubhaft erscheinen. Der Plan weist den Großwaffentransportern AN-124-100 mehrere Stellplätze im angeblich zivilen Neubaubereich zu - in eben jenem Bereich, den die Landesregierung mit Steuergeldern finanziert. In der "New Cargo Area South" werde auch ein geeignetes Frachtvorfeld zur Verfügung stehen, heißt es in der Planlegende. Ausdrücklich ist von einem "militärischen Bereich" die Rede, der über eine Start- und Landebahn in "Reserve" verfügt. Angesichts dieser Tatsachen versucht sich die sächsische Regierung in haltlosen Umschreibungen: "Die strategischen Lufttransportleistungen werden durch eine zivile Gesellschaft mit zivil zugelassenen Luftfahrzeugen erbracht" [10] - für Gewaltoperationen von EU und NATO, deren logistischer Ausgangspunkt der militärische Sperrbezirk des Leipziger Flughafens sein wird.

www.german-foreign-policy.com - Lesen Sie auch unser EXTRA-Dossier Drehkreuz Leipzig

[1] Bundesverteidigungsminister Jung trifft russischen Außenminister Lawrow; RIA Novosti 06.04.2006
[2] Gemeinsame Interessen; Pressemitteilung des Bundesministeriums der Verteidigung 06.04.2006
[3] Deutsch-Russische Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Flugzeugbaus. Herausforderungen des XXI Jahrhunderts; www.ila-berlin.de
[4] s. dazu Konkurrenz und strategische Allianzen (VII), Stück um Stück und Dienstleister sowie Aktivere Beteiligung
[5] EADS gründet erstes Joint Venture in Russland; RIA Novosti 17.03.2006
[6] s. dazu Leipzig-Kinshasa und Start in den Sommer
[7] Deutsch-Russische Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Flugzeugbaus. Herausforderungen des XXI Jahrhunderts; www.ila-berlin.de
[8] Berliner Forum Zukunft; Expertengespräch 24.11.2005
[9] Außenminister Lawrow ehrt Mangold und Voscherau; RIA Novosti 05.04.2006
[10] Sächsisches Staatsministerium des Innern, 14.03.2006


Online-Flyer Nr. 39  vom 12.04.2006

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