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Aktueller Online-Flyer vom 09. Mai 2024  

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Lokales
Wie die Kölner Uni-Klinik und die Verwaltung Bürger und Politik austricksten
Der Tod des Patientengartens
Von Roland Schüler

Kurz vor Weihnachten wurde der traditionsreiche Patientengarten der Universitätsklinik zu Köln handstreichartig zerstört. Die aktive Sterbehilfe durch Fällen von über 120 alten Bäumen mittels Motorsäge haben die Klinikchefs vornehmen lassen. Sterbehelfer waren die beiden Kölner Beigeordneten für Wirtschaft, Norbert Walter-Borjahns, und für Bauen, Bernd Streitberger. Die politischen Vertreter von SPD, GRÜNEN, FDP und CDU im Stadtentwicklungsausschuss blieben – von der Verwaltung überfahren – inaktiv. Es trauern alle PolitikerInnen der Bezirksvertretung Lindenthal, über 400 BürgerInnen, die mit ihrer Unterschrift die Bäume zu retten versuchten und zahlreiche AnwohnerInnen. 

Über 120 Bäume wegen "Bodenarbeiten“ aus dem Patientengarten geholt
 
Die Geburt des Patientengartens
 
Vor vielen Jahren stifteten ehemalige Patienten und Kölner Unternehmen der damaligen Universitätsklinik der Stadt Köln einen Garten. Den Patientengarten – mit dichtem Baumbewuchs, Blumenrabatten und Bänken war er auf kleiner Fläche für die Patienten ein Kleinod auf dem damals schon dicht bebauten Klinikgelände. Viele von ihnen nutzen den Garten zur ihrer Erholung, zur Gesundung und Heilung. Er war ein Stück Natur inmitten von technisierter Medizin und funktionalen Zweckbauten. Auf 3.640 Quadratmetern Fläche konnten sie Luft und Kraft tanken – ein Ort der Stille und Natur. Im Laufe der Jahrzehnte gewann er durch sein Altern an Flair und Schönheit: Fünf Rosskastanien mit einem Stammumfang von zwei Metern, sieben Kirschen, 14 Ahornbäume, ein Götterbaum von 2,50 Meter Umfang, 15 Linden, 27 Buchen, Eichen, zwei Rotbuchen, fünf Stechpalmen und weitere Bäume – ein kleiner Wald mit einer Vogel- und Tierwelt, die in der Stadt einzigartig war.
 
Dieser natürliche Fleck war wesentlich für die Gesundung von Menschen. In den letzen Wochen haben Patienten erzählt, wie wichtig dieser Hort für ihre Heilung war, oder wie sie mit ihrem schweren Krankheitsschicksal von Krebs oder Schlaganfall im Patientengarten ein Stück Hoffnung schöpfen konnten. Etwas Eigenes, was in den sterilen Gebäuden oder den 08-15-Caféterien nicht möglich war.
 
Die Gegner des Patientengartens
 
Gegner Nummer 1 des Patientengartens waren die Verantwortlichen der Universitätsklinik selbst – in Verneinung der heilenden Kraft dieses Gartens und im Glauben an ihre Methoden der (Apparate-)Medizin. Sie sahen im Patientengarten nur eine potentielle Baufläche. Und so haben sie seit Anfang 2000 immer wieder vergebliche Versuche unternommen, dort ein Gebäude zu errichten und die Bäume zu fällen. Ihre Pläne für eine Reha-Klinik oder Hotelbauten konnten immer wieder von der aufmerksamen Bezirksvertretung und von BürgerInnen verhindert werden. Im Jahr 2004 sollte durch einen städtebaulichen Vertrag die geordnete Bebauung des gesamten Klinikgeländes geregelt werden. Doch die Politik der Bezirksvertretung hätte den Patientengarten auf ewig geschützt. Das musste umgangen werden.
 
Also holte sich die Universitätsklinik die Max-Plank-Gesellschaft aus München als Partner und somit als zweiten Gegner des Patientengartens ins Boot. Mit dem Plan für ein neues Zentrum für Altersforschung machten sie Druck auf Verwaltung, Politik und Medien: Ein neues Forschungszentrum für eine bedeutende Zukunftsfrage unserer Gesellschaft – höher aufgehängt geht es nimmer. 3.000 bis 4.000 Arbeitsplätze sollten außerdem entstehen. Der Ruf des Wissensstandortes Köln hänge von diesem Projekt ab. Und: Wenn nicht Köln, dann gehen wir nach sonst wohin, so die Forschungsgesellschaft. Das ist doch viel mehr wert als die “lächerlichen“ Bäume und der betuliche Patientengarten. Schließlich gibt es ja das schöne Kübelgrün in den tollen Klinikgebäuden.
 
Der trickreiche Weg zum Baummord
 
1. Man beachte die Beschlüsse der Bezirksvertretung nicht: 2008 beschloss die nämlich, eine Bebauung des Patientengartens zu untersagen und die Verwaltung zu beauftragen einen alternativen Standort zu suchen. Mit den Stimmen von CDU, SPD und GRÜNEN. 
 
2. Die Verwaltung täusche mit einem Bebauungsplan: In der Augustsitzung 2009 reicht die Verwaltung eine Vorlage in die Bezirksvertretung: Aufstellung eines Bebauungsplans mit Bürgerbeteiligung für das Gelände der Universitätsklinik. Ziel sei es, die künftige Bebauung und die Flächensicherung – auch der Grünflächen – zu regeln.
 
3. Die Uniklinik schafft Tatsachen: Schon am 14. Mai 2009 wird von der Universitätsklinik ein Schreiben an die zuständige Untere Landschaftsbehörde mit einem Antrag auf Fällung der Bäume im Patientengarten erstellt, welches am 9. Juli dort eingeht. Zugleich muss auch der Bauantrag beim Bauaufsichtsamt mit Nr 63/B13/2170/2009 vorliegen. Davon erfahren Politik und Öffentlichkeit nichts.
 
Durchsickern und erste Rettungsaktionen
 
Die Untere Landschaftsbehörde gibt eine Information an die Politik in Lindenthal, dass ein zu genehmigender Antrag auf Baumfällungen existiere, da Baurecht das Baumrecht breche und sonst kein Schutz mehr für den Patientengarten vorhanden sei. Bezirksvertretung und Bürger sind entsetzt. In kurzer Zeit werden über 400 Unterschriften gesammelt, die Presse berichtet und die Bezirksvertretung Lindenthal beschließt einstimmig (!), das Vorgehen der Verwaltung zu verurteilen. Sie soll mit der Baugenehmigung warten, bis die erste politische Beratung und die Bürgerbeteiligung zum Bebauungsplan stattgefunden haben. Dann liegen politisch gesicherte Aussagen zu den potentiellen Baufeldern auf dem Uniklinikgelände vor. Da durch die vorgezogene Kommunalwahl keine Sitzungstermine vorhanden sind, gibt es am 5.Oktober eine Sondersitzung.

Die Verwaltung nutzt diese Sondersitzung des Stadtentwicklungsausschusses, um den sehr hinderlichen Beschluss der Bezirksvertretung politisch überstimmen zu lassen. Die Ratspolitiker werden mit einer Tischvorlage und einem einseitigen Fachvortrag der Verwaltung (Motto: Wenn Sie jetzt nicht beschließen, ist es aus mit den Arbeitsplätzen und dem Forschungsinstitut) unter Druck gesetzt. Zudem behauptet die Verwaltung in der Vorlage wahrheitswidrig, dass „das Vorhaben den Zielen des zukünftigen Bebauungsplans entspricht“. Wie die Verwaltung das behaupten kann, obwohl weder die Bürger noch die Bezirkspolitiker das Ziel hatten, den Patientengarten zu bebauen, bleibt ein Rätsel. Im Gegenteil: Es gibt überhaupt noch keine Übereinstimmung von Bauvorhaben und Bebauungsplan. Doch die Ratspolitiker nehmen ihre Verantwortung nicht wahr, folgen brav der Verwaltung und erteilen den Auftrag zum Baummord und damit zum Tod des Patientengartens.
 
Vertragsbruch?
 
Mit Trauer und Empörung hören Bürger und Politiker in Lindenthal von dieser Entscheidung. In der Novembersitzung der Bezirksvertretung spürt man sogar die Trauer der zuständigen Männer der Unteren Landschaftsbehörde, die quasi zur Genehmigung gezwungen worden waren und zur Berichterstattung persönlich erscheinen. Die Bezirksvertretung zweifelt weiter an der Rechtmäßigkeit der Bebauung, beantragt Akteneinsicht, und die Grünen wenden sich in einem Schreiben an den neuen Oberbürgermeister Roters.
 
Es gibt da nämlich einen leidigen Passus in alten Verträgen von 1954 zwischen der Stadt Köln  und der Universität, die ja mal eine städtische Einrichtung war. Als sie an das Land NRW übertragen wurde, gab es eine vertragliche Regelung mit dem schlichten Satz „Die Grundstücke sind nur für universitäre Zwecke zu nutzen, ansonsten fallen sie wieder zurück ins Eigentum der Stadt Köln.“ Aktuelle Ergänzungen oder Änderungen gibt es nicht. Somit darf das private Forschungsinstitut der Max-Plank-Gesellschaft kein Gebäude auf dem Universitätsgelände errichten. Solange die Forschungsgesellschaft nicht unmittelbar Teil der Universitätsklinik ist, hat sie auf dem Gelände der Universitätsklinik und im Patientengarten als Nutzer nichts zu suchen.           
 
Der neue OB hat auf das Schreiben der GRÜNEN vom 27. Oktober 2009 bis zum heutigen Tage nicht reagiert. Ebenso wenig hat Prof. Dr. Peter Gruss als Präsident der Max-Planck-Gesellschaft auf Schreiben reagiert.
 
Das vorweihnachtliche Ende


Weihnachtsüberraschung für die FreundInnen des Patientengartens
Fotos: Roland Schüler
 
Da die Betreiber des Todes der über 120 Bäume ja wenig Feingefühl besitzen, haben sie dann direkt vor Weihnachten auf der Grundlage NUR einer Teilgenehmigung die Motorsäge kreisen lassen und die wertvollen Bäume, Sträucher und Pflanzen beseitigt. Die Untere Landschaftsbehörde hatte aber die Baumfällung ausdrücklich an die BAUgenehmigung für den Baukörper gebunden. Damit man darauf nicht warten mußte, wurde von der Bauverwaltung einfach eine Teilgenehmigung für Bodenarbeiten erteilt. Somit schaffte man Tatsachen während des Weihnachtsfriedens. Leute mit einer solchen Haltung führen die Universitätsklinik, die eigentlich für die Gesundheit von Menschen da sein soll. Nicht nur für die Patienten ihres Hauses, sondern auch für die Bevölkerung von Lindenthal. Sie zerstören die Grundlage für eine gesunde Umwelt und für ein gesundheitsförderndes Umfeld, wollen aber dann Forschung fürs Älterwerden betreiben. 
 
Erinnerungsarbeit
 
In der nächsten Zeit wird es zu einer Trauerkundgebung am ehemaligen Patientengarten kommen. Sofern man je eine Grundsteinlegung für den Neubau vornehmen sollte, kann gleichzeitig auch an die toten Bäume erinnert werden.

Zu der von der Verwaltung per Vorlage im August 2009 angeregten Bürgerbeteiligung zum Bebauungsplan werden wohl nicht nur die “IG Baum“ - eine Initiative aus Anwohnern und Beschäftigten der Kliniken zum Erhalt des Gartens, sondern hoffentlich auch die Verantwortlichen von Verwaltung und Uniklinik kommen. Ein guter Anlass, sie an die toten Bäume zu erinnern.

Die Bezirksvertretung Lindenthal wird weiter aktive Erinnerungsarbeit leisten und die Verantwortlichen in Verwaltung und Politik zur Rechenschaft ziehen. Sie fordert weiterhin Aufklärung über die Rechtmäßigkeit des Neubaus.

Der öffentliche Ruf der Max-Planck-Gesellschaft, die ja auch Genforschung in Köln betrieben hat, ist ruiniert. Das kann immer wieder betont werden. (PK)

Online-Flyer Nr. 232  vom 13.01.2010

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