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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Globales
Student in Venezuela erschossen – US-Truppen in Kolumbien verstärkt
Putsch gegen Chávez?
Von Maxim Graubner, Miguel Lozano und Peter Kleinert

Angesichts ihres Unvermögens, Präsident Hugo Chávez in Wahlen zu besiegen, organisiert Venezuelas Opposition immer häufiger Straßenproteste. Der Tod eines regierungsnahen 19jährigen Studenten bei Straßenschlachten zwischen Gegnern und Befürwortern der Regierung am vergangenen Dienstag ist der vorläufige tragische Höhepunkt von Protesten jugendlicher Regierungsgegner, die seit Anfang Dezember zunehmen. Sie werden von großen Privatsendern wie Globovisión und RCTV angeheizt. Hugo Chávez sieht auch in der massiven Aufstockung von US-Truppen in Kolumbien erste Schritte zu einem Angriff auf das Öl-reiche Venezuela.

Hugo Chávez – am Wochenende bei Fidel Castro in Cuba
NRhZ-Archiv
 
Die Parlamentsabgeordnete Iris Valera nannte den Tötung des Studenten am Donnerstag Teil der Vorbereitung eines "stillen Staatsstreiches" gegen die Regierung von Präsident Hugo Chávez. Die Hintermänner des Putsch-Vorhabens hätten nur darauf gewartet, dass „während der Proteste jemand sein Leben verliert", so die aus der westlichen Grenzregion zu Kolumbien stammende Politikerin. Sie ist überzeugt, dass diese Verschwörung im Wesentlichen von der oppositionellen Regionalverwaltung im westlichen Bundesstaat Táchira und aus Kolumbien eingesickerten Paramilitärs getragen wird.
 

Abgeordnete Iris Valera: Getöteter Student 
stand der Regierung nahe
Quelle: Asamblea Nacional Venezuela
In San Cristóbal, der Provinzhaupt von Táchira, kam es zu dem tödlichen Zwischenfall. Der erschossene Jesús Eduardo Ramírez Bello studierte an der staatlichen aber autonomen Universidad Nacional Experimental del Táchira (UNET). Innenminister Tareck El Aissami beschuldigte die Regionalpolizei des Bundesstaates für den Vorfall verantwortlich zu sein. Diese habe die UNET-Studenten in Richtung von ebenfalls demonstrierenden studentischen Regierungsanhängern der UBV-Universität vordrängen lassen, indem sie ihre Polizeiketten öffnete. Die Kriminalpolizei schickte umgehend hochrangige Experten in die Region.
 
Rechte Studierendenverbände nutzten den Todesfall unterdessen für weiteren Protest gegen die Regierung: in verschiedenen Landesteilen führten sie Straßenblockaden durch. Nach ihrer Darstellung kamen die Mörder aus den Reihen der regierungsnahen Studenten. Der Direktor der UNET, José Vicente Sánchez, betonte allerdings, dass er sich nicht vorstellen könne, dass der Todesschütze ein UBV-Student gewesen sein könnte. „Offenbar gab es unter den Demonstranten eingeschleuste Gewalttäter", sagte er laut Medienberichten.
 
Mitglied von Chávez Regierungspartei
 
Seine Einschätzungen werden durch die Tatsache untermauert, dass der erschossene Student Mitglied in der chavistischen Regierungspartei PSUV war. Dies würden die oppositionellen Studierendenverbände und manche Privatmedien geflissentlich verschweigen. Sie hätten es schließlich darauf angelegt, die Regierung für den Vorfall verantwortlich machen, beklagte die Abgeordnete Valera.
 
Die Situation hatte sich bereits am Montag der vergangenen Woche zugespitzt, als militante Rechte, mutmaßlich Studenten der UNET, die nahe gelegene Universidad Bolivariana de Venezuela (UBV) in San Cristóbal angriffen und teilweise demolierten. Diese gehört zu einem neugegründeten Netzwerk von Hochschulen, an denen vor allem Menschen aus den Unterschichten ein Studium ermöglicht wird. Die sich während des Überfalls im Gebäude aufhaltende Dozentin Shayenska Martínez beklagte in einem lokalen Radiosender, dass Versuche, die oppositionell kontrollierte Regionalpolizei zu Hilfe zu rufen, erfolglos geblieben seien. Schlussendlich sicherte die Nationalgarde das Gebäude.
 
Untersuchungsbericht zu US-Truppen in Kolumbien
 
Eine ecuadorianische Untersuchungskommission für den Überfall der kolumbianischen Armee auf ein Lager der FARC-Guerilla auf dem Territorium von Ecuador hat inzwischen am Donnerstag ihren Bbericht vorgelegt. Darin wird festgestellt, dass Geheimdienstinformationen, die von US-Militärs auf dem damaligen US-Luftwaffenstützpunkt Manta im Norden Ecuadors an Kolumbien weitergegeben worden waren, entscheidend für die Durchführung des Anschlages am 1. März 2008 waren. Dabei wurden mindestens 25 Menschen getötet, darunter auch vier mexikanische Studenten.

Mit Hilfe der Informationen der US-Armee konnte demnach das Camp des stellvertretenden FARC-Chefs Raul Reyes aufgespürt werden, der bei dem Angriff ebenfalls ums Leben kam. Die vorgelegten Untersuchungsergebnisse wurden sowohl von der kolumbianischen Militärführung wie der US-Botschaft in Ecuadors Hauptstadt Quito umgehend dementiert. Allerdings haben führende kolumbianische Regierungsbeamte der US-amerikanischen Nachrichtenagentur AP bestätigt, dass US-Aufklärungsflugzeuge die Informationen für die Militäraktion geliefert hätten. Die damalige Verletzung der Souveränität von Ecuador hatte zu ernsten Spannungen in der Region geführt.

USA: „Nur Kampf gegen Drogenhandel“

Die USA beharren weiter darauf, dass die Aufgabe ihrer Militärpräsenz in Ecuador allein der Kampf gegen Drogenhandel gewesen sei. Die Untersuchungskommission sieht durch ihre Erkenntnisse nun jedoch eine Bestätigung für eine darüber hinausgehende illegale Nutzung der Militärbasis. Damit sei auch die Nichtverlängerung des Vertrages mit dem US-Militär in Ecuador gerechtfertigt, heißt es im Bericht. Im September war die 1999 eröffnete US-Basis an der Pazifikküste endgültig geschlossen worden.

Mit dem gleichen Vorwand der Drogenbekämpfung will Washington nun gleich sieben kolumbianische Stützpunkte als Ersatz für Manta nutzen. Das Pentagon hatte im Mai in einer Kongress-Vorlage betont, dass die Basen hervorragend für "umfassende Operationen" auch gegen "Anti-US-Regierungen" geeignet seien. Dies hatte scharfe Proteste in der Region hervorgerufen. Unter anderem Brasilien und Venezuela verurteilten dieses Ende Oktober zwischen Kolumbien und den USA unterzeichnete Militärabkommen scharf.


Staaten der Bolivarianischen Allianz für Amerika (ALBA)
Quelle:wikipedia
 
In Havanna fand an diesem Wochenende ein Gipfeltreffen der neun Staaten der "Bolivarianischen Allianz für Amerika" (ALBA) statt, die 2001 von Hugo Chávez angeregt und Ende 2004 zunächst als Kooperation zwischen Venezuela und Cuba gestartet worden war. Am Rande des ALBA-Treffens unterzeichnete Venezuelas Präsident ein drei Milliarden Dollar umfassendes Kooperationsabkommen mit Cuba, das vor allem die Bereiche Bildung, Medizin und Landwirtschaft umfasst. Anschließend traf Chávez auch Fidel Castro, dessen Gesundheitszustand er als „erfreulich gut“ bezeichnete.

Wegen der US-Truppenstützpunkte in Kolumbien hat Chávez die diplomatischen Beziehungen mit dem Nachbarland inzwischen auf Eis gelegt. Er sieht in der massiven Verstärkung der US-Präsenz in Kolumbien einen ersten Schritt in Richtung eines Angriffes auf sein Land. Darin bestätigt wurde er während der ALBA-Konferenz durch Raul Castro, der in seiner von TeleSur übertragenen Begrüßungsrede von der „Vorbereitung eines Angriffs  auf unsere Länder des Südens" sprach.

Während die USA versuchen, ihre wahren Absichten durch eine Änderung der ursprünglichen Kongressvorlage zu verschleiern, bestätigt der 131 Seiten starke ecuadorianische Bericht erneut die Befürchtungen der ALBA-Staaten, dass die US-Basen in Kolumbien offensichtlich vor allem der Spionage und Kriegsvorbereitung dienen und der “Antidrogenkampf“ nur ein Vorwand ist. (PK)
 
Weitere Informationen über die Entwicklung in Lateinamerika unter www.amerika21.de

Online-Flyer Nr. 228  vom 16.12.2009

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