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Inland
Öffentlicher Dienst, Ärzte, Kliniken und - Gate Gourmet
Die Streikfront wächst
Von Hans Peter Keul und Peter Kleinert
In zwei Marschsäulen - eine von den Rheinwiesen und eine vom Hauptbahnhof/DGB-Haus - bewegten sich die Demonstranten auf die Düsseldorfer Innenstadt zu - vorbei am Landtag, dem Innen- und Wirtschaftsministerium, die beide für die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung drastische Spar- und Privatisierungskonzepte ausarbeiten.
Es geht nicht nur um 18 Minuten
Die Beschäftigten des Landes, wie Straßenwärter, Finanzbeamte, Justizangestellte und -Beamte, Polizisten, Uniklinik-Krankenschwestern und -Pfleger, Lehrer, Beschäftigte der Studentenwerke, des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik machten deutlich, dass es nicht nur um die von den Landes-"Arbeitgebern" angestrebte Arbeitszeitverlängerung um die berühmten 18 Minuten pro Tag geht.
Es geht vor allen Dingen auch um
Demonstration aufgerufen. Die Beiträge der Gewerkschaftvertreter ließen an konsequenter Ablehnung der Landespolitik keinen Zweifel. Von den verantwortlichen Landespolitikern ließ sich keiner blicken. Sie schieben "leere Kassen" vor, um den geplanten Sozialabbau zu begründen.

6000 streikende Ärzte in Hannover
Foto: Hans-Peter Keul
Marburger Bund attackiert Landesregierungen und ver.di
Am gleichen Tag folgten 6.000 Klinikärzte einem Aufruf des Marburger Bundes nach Hannover. Dessen Vorsitzender Frank Montgomery richtete scharfe Angriffe an die Landesregierungen, weil sie die Überstunden der Ärzte gern in Anspruch nähmen, ohne sie aber zu vergüten. Mit Nachdruck erklärte er aber auch, seine berufsständische Vereinigung wolle keine 38,5-Stunden-Woche, sondern halte eine längere Arbeitszeit für richtig, wenn sie nur nach einem geordneten Dienstplan verliefe und vollständig vergütet würde. Für ihr bisher klares Festhalten an der 38,5 Stunden-Woche attackierte er gleichzeitig die Gewerkschaft ver.di, die in ihrem Kampf gegen Arbeitszeitverlängerung zugleich einen Kampf gegen die dadurch weiter anwachsenden Massenarbeitslosigkeit sieht.
Möllrings "Denkpause" kommt Länder teuer zu stehen
Die Gewerkschaft ihrerseits wirft den Länderfinanzministern im Zusammenhang mit dem Streik im öffentlichen Dienst einen verantwortungslosen Umgang mit Steuergeldern vor. "Die anhaltende Denkpause des Länder-Verhandlungsführers Hartmut Möllring führt zu riesigen Einnahmeausfällen an den Universitätskliniken, die die Steuerzahler bezahlen müssen. Da wird regelrecht Geld verbrannt", kommentierte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Ellen Paschke entsprechende Berechnungen ihrer Gewerkschaft.
Danach summieren sich allein die Einbußen an den 13 bisher betroffenen Universitätskliniken in vier Bundesländern infolge des rund sechswöchigen Streiks auf gegenwärtig rund 60 Millionen Euro. Pro Klinik und Streiktag komme im Schnitt ein Betrag von 150.000 bis 250.000 Euro zusammen. Dennoch zeige sich die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) unverändert stur. "Angesichts der empfindlichen Einbußen lässt die Verweigerungshaltung
der Länder nur den Schluss zu, dass es ihnen nicht um die Sanierung ihrer angeblich leeren Kassen geht, sondern um einen ideologisch motivierten Kampf gegen die eigenen Beschäftigten und deren Gewerkschaften", sagte Paschke.

Gegen die Verweigerungshaltung der Länder
Foto: Hans-Peter Keul
Ärzte wollen weiter kämpfen
Am Freitag waren nach Mitteilung der Ärzteverbände in Deeutschland die meisten privaten Arztpraxen geschlossen. Allein in Köln haben sich danach rund 2000 der 2200 niedergelassenen Ärzte an dem Streik beteiligt. Viele fuhren zur Demonstration nach Berlin, die auch von streikenden Klinikärzten unterstützt wurde. Auch in dieser Woche sollen die Demonstrationen - mit Informationsständen wie am Freitag am Kölner Friesenplatz und auf der Neusser Straße - fortgesetzt werden.
Gesetze wie das Arzneimittel-Verordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) hätten das Fass zum Überlaufen gebracht. "Anstatt intelligenter, nachhaltiger Lösungen wird wieder nur stupide Kostendämpfungspolitik präsentiert", beklagte der NRW-KV-Vorsitzende Dr. Hansen. Dies träfe nicht nur die Ärzte, sondern vor allem die Patienten. Demonstrierende Ärzte in Berlin erklärten, sie dächten über die kollektive Rückgabe der Kassenzulassungen nach. Sie könnten dann keine Kassenpatienten, sondern nur noch privat Versicherte behandeln. Der Sparkurs der Bundesregierung werde auf sie und die Patienten abgewälzt. Jeden Tag müssten sie ihren Patienten erklären, warum bestimmte Leistungen oder Medikamente nicht mehr abgegeben werden könnten.
Besuch von Marc Jan Eumann, Mitglied des Landtags in NRW und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD, bekamen die Streikenden der Kölner Uni-Klinik. In der Diskussion mit ihnen erklärte er, die Landesregierung habe vor, weiter gewachsene Strukturen abzubauen, Kindertagesstätten zu schließen, Universitäten zu privatisieren und Krankenhäuser in den Ruin zu treiben. Lieber möchte dieses Bundesland der arbeitsfähigen Bevölkerung HARZ IV auszahlen, als einen qualitativ leistungsfähigen öffentlichen Dienst zu erhalten. Im Gegensatz zu seiner Parteifreundin, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in Berlin, erklärte Eumann sich mit den Forderungen der Streikenden solidarisch und sagte: "Ihr habt das Recht für eure Arbeit einen Tarifvertrag zu fordern." Sie sollten weiterhin "lautstark für diese berechtigten Forderungen einstehen".

Auf dem Weg zum Düsseldorfer Landtag
Foto: Hans-Peter Keul
"Die härteste Streikfront Deutschlands" - bei Gate Gourmet
Bei der Düsseldorfer Catering-Firma Gate Gourmet brachte das Tarifgespräch mit der Gewerkschaft NGG am vergangenen Montag in den entscheidenden Punkten ebenso wenig Annäherung wie in den anderen Bereichen. Gate Gourmet zeigte sich ebenso wenig zu Kompromissen geneigt wie Gesundheitsministerin Schmidt und ihr Minister-Kollege Möllring aus Hannover. Für den 3. April wurde ein weiterer Verhandlungstermin vereinbart. Die letzte Chance für das Unternehmen, noch vor dem Ostergeschäft eine Einigung zu erzielen. Unterdessen beginnen die Vorbereitungen von NGG für den 7. April: Dann ist nämlich nicht nur der letzte Schultag vor den Osterferien, sondern auch ein weiteres Jubiläum: Sechs Monate Streik am Düsseldorfer Flughafen.
Solidaritätsbesuche und Spenden für die Streikenden bei Gate Gourmet lassen nicht nach. Hier als Beispiel ein persönlich übergebener Brief eines Betriebsratsmitglieds der Eichbaum-Brauerei:
"An die härteste Streikfront Deutschlands - mit Hochachtung übergeben: Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich in der Streikzeitung Nr. 80 gelesen habe, dass der Postbote den Streikposten kennt und dass ihr dort auch eine Postanschrift habt, musste ich laut lachen und habe mir spontan gedacht: An diese Adresse musst du schreiben. Ihr schafft es tatsächlich, nicht den Mut zu verlieren und habt immer wieder neue Ideen. Wenn ihr, die ihr vor Ort die Rübe hinhalten müsst, nach so langer Zeit immer noch die Kraft habt, uns da draußen, die wir mit Euch leiden, aufzumuntern und zu sagen: Schaut her, wir lassen uns nicht klein kriegen, dann verdient das unsere Hochachtung. Lasst euch nicht unterkriegen. Seid unbequem und weiterhin so laut. Georg Dohr-Hutchison, BR der Eichbaum."
Spendenkonto der NGG für die Streikenden:
SEB Düsseldorf, BLZ 300 101 11, Kto-Nr. 165 021 73 00,
Stichwort: Streik Gate Gourmet
Weitere Informationen unter www.ngg.net und www.iuf.org
Online-Flyer Nr. 37 vom 28.03.2006
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Inland
Öffentlicher Dienst, Ärzte, Kliniken und - Gate Gourmet
Die Streikfront wächst
Von Hans Peter Keul und Peter Kleinert
In zwei Marschsäulen - eine von den Rheinwiesen und eine vom Hauptbahnhof/DGB-Haus - bewegten sich die Demonstranten auf die Düsseldorfer Innenstadt zu - vorbei am Landtag, dem Innen- und Wirtschaftsministerium, die beide für die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung drastische Spar- und Privatisierungskonzepte ausarbeiten.
Es geht nicht nur um 18 Minuten
Die Beschäftigten des Landes, wie Straßenwärter, Finanzbeamte, Justizangestellte und -Beamte, Polizisten, Uniklinik-Krankenschwestern und -Pfleger, Lehrer, Beschäftigte der Studentenwerke, des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik machten deutlich, dass es nicht nur um die von den Landes-"Arbeitgebern" angestrebte Arbeitszeitverlängerung um die berühmten 18 Minuten pro Tag geht.
Es geht vor allen Dingen auch um
- die geplanten drastischen Kürzungen im Jugend- und Sozialbereich (20 %),
- die 30.000 - 40.000 abzubauenden Stellen,
- die geplante Verschlechterung des Landespersonalvertretungsgesetzes und der damit verbundenen Mitbestimmungsmöglichkeiten,
- die vorgesehenen Privatisierungsorgie (mindestens sieben Landesbetriebe und die Landesentwicklungsgesellschaft NRW - LEG)
Demonstration aufgerufen. Die Beiträge der Gewerkschaftvertreter ließen an konsequenter Ablehnung der Landespolitik keinen Zweifel. Von den verantwortlichen Landespolitikern ließ sich keiner blicken. Sie schieben "leere Kassen" vor, um den geplanten Sozialabbau zu begründen.

6000 streikende Ärzte in Hannover
Foto: Hans-Peter Keul
Marburger Bund attackiert Landesregierungen und ver.di
Am gleichen Tag folgten 6.000 Klinikärzte einem Aufruf des Marburger Bundes nach Hannover. Dessen Vorsitzender Frank Montgomery richtete scharfe Angriffe an die Landesregierungen, weil sie die Überstunden der Ärzte gern in Anspruch nähmen, ohne sie aber zu vergüten. Mit Nachdruck erklärte er aber auch, seine berufsständische Vereinigung wolle keine 38,5-Stunden-Woche, sondern halte eine längere Arbeitszeit für richtig, wenn sie nur nach einem geordneten Dienstplan verliefe und vollständig vergütet würde. Für ihr bisher klares Festhalten an der 38,5 Stunden-Woche attackierte er gleichzeitig die Gewerkschaft ver.di, die in ihrem Kampf gegen Arbeitszeitverlängerung zugleich einen Kampf gegen die dadurch weiter anwachsenden Massenarbeitslosigkeit sieht.
Möllrings "Denkpause" kommt Länder teuer zu stehen
Die Gewerkschaft ihrerseits wirft den Länderfinanzministern im Zusammenhang mit dem Streik im öffentlichen Dienst einen verantwortungslosen Umgang mit Steuergeldern vor. "Die anhaltende Denkpause des Länder-Verhandlungsführers Hartmut Möllring führt zu riesigen Einnahmeausfällen an den Universitätskliniken, die die Steuerzahler bezahlen müssen. Da wird regelrecht Geld verbrannt", kommentierte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Ellen Paschke entsprechende Berechnungen ihrer Gewerkschaft.
Danach summieren sich allein die Einbußen an den 13 bisher betroffenen Universitätskliniken in vier Bundesländern infolge des rund sechswöchigen Streiks auf gegenwärtig rund 60 Millionen Euro. Pro Klinik und Streiktag komme im Schnitt ein Betrag von 150.000 bis 250.000 Euro zusammen. Dennoch zeige sich die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) unverändert stur. "Angesichts der empfindlichen Einbußen lässt die Verweigerungshaltung
der Länder nur den Schluss zu, dass es ihnen nicht um die Sanierung ihrer angeblich leeren Kassen geht, sondern um einen ideologisch motivierten Kampf gegen die eigenen Beschäftigten und deren Gewerkschaften", sagte Paschke.

Gegen die Verweigerungshaltung der Länder
Foto: Hans-Peter Keul
Ärzte wollen weiter kämpfen
Am Freitag waren nach Mitteilung der Ärzteverbände in Deeutschland die meisten privaten Arztpraxen geschlossen. Allein in Köln haben sich danach rund 2000 der 2200 niedergelassenen Ärzte an dem Streik beteiligt. Viele fuhren zur Demonstration nach Berlin, die auch von streikenden Klinikärzten unterstützt wurde. Auch in dieser Woche sollen die Demonstrationen - mit Informationsständen wie am Freitag am Kölner Friesenplatz und auf der Neusser Straße - fortgesetzt werden.
Gesetze wie das Arzneimittel-Verordnungs-Wirtschaftlichkeitsgesetz (AVWG) hätten das Fass zum Überlaufen gebracht. "Anstatt intelligenter, nachhaltiger Lösungen wird wieder nur stupide Kostendämpfungspolitik präsentiert", beklagte der NRW-KV-Vorsitzende Dr. Hansen. Dies träfe nicht nur die Ärzte, sondern vor allem die Patienten. Demonstrierende Ärzte in Berlin erklärten, sie dächten über die kollektive Rückgabe der Kassenzulassungen nach. Sie könnten dann keine Kassenpatienten, sondern nur noch privat Versicherte behandeln. Der Sparkurs der Bundesregierung werde auf sie und die Patienten abgewälzt. Jeden Tag müssten sie ihren Patienten erklären, warum bestimmte Leistungen oder Medikamente nicht mehr abgegeben werden könnten.
Besuch von Marc Jan Eumann, Mitglied des Landtags in NRW und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD, bekamen die Streikenden der Kölner Uni-Klinik. In der Diskussion mit ihnen erklärte er, die Landesregierung habe vor, weiter gewachsene Strukturen abzubauen, Kindertagesstätten zu schließen, Universitäten zu privatisieren und Krankenhäuser in den Ruin zu treiben. Lieber möchte dieses Bundesland der arbeitsfähigen Bevölkerung HARZ IV auszahlen, als einen qualitativ leistungsfähigen öffentlichen Dienst zu erhalten. Im Gegensatz zu seiner Parteifreundin, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in Berlin, erklärte Eumann sich mit den Forderungen der Streikenden solidarisch und sagte: "Ihr habt das Recht für eure Arbeit einen Tarifvertrag zu fordern." Sie sollten weiterhin "lautstark für diese berechtigten Forderungen einstehen".

Auf dem Weg zum Düsseldorfer Landtag
Foto: Hans-Peter Keul
"Die härteste Streikfront Deutschlands" - bei Gate Gourmet
Bei der Düsseldorfer Catering-Firma Gate Gourmet brachte das Tarifgespräch mit der Gewerkschaft NGG am vergangenen Montag in den entscheidenden Punkten ebenso wenig Annäherung wie in den anderen Bereichen. Gate Gourmet zeigte sich ebenso wenig zu Kompromissen geneigt wie Gesundheitsministerin Schmidt und ihr Minister-Kollege Möllring aus Hannover. Für den 3. April wurde ein weiterer Verhandlungstermin vereinbart. Die letzte Chance für das Unternehmen, noch vor dem Ostergeschäft eine Einigung zu erzielen. Unterdessen beginnen die Vorbereitungen von NGG für den 7. April: Dann ist nämlich nicht nur der letzte Schultag vor den Osterferien, sondern auch ein weiteres Jubiläum: Sechs Monate Streik am Düsseldorfer Flughafen.
Solidaritätsbesuche und Spenden für die Streikenden bei Gate Gourmet lassen nicht nach. Hier als Beispiel ein persönlich übergebener Brief eines Betriebsratsmitglieds der Eichbaum-Brauerei:
"An die härteste Streikfront Deutschlands - mit Hochachtung übergeben: Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen, als ich in der Streikzeitung Nr. 80 gelesen habe, dass der Postbote den Streikposten kennt und dass ihr dort auch eine Postanschrift habt, musste ich laut lachen und habe mir spontan gedacht: An diese Adresse musst du schreiben. Ihr schafft es tatsächlich, nicht den Mut zu verlieren und habt immer wieder neue Ideen. Wenn ihr, die ihr vor Ort die Rübe hinhalten müsst, nach so langer Zeit immer noch die Kraft habt, uns da draußen, die wir mit Euch leiden, aufzumuntern und zu sagen: Schaut her, wir lassen uns nicht klein kriegen, dann verdient das unsere Hochachtung. Lasst euch nicht unterkriegen. Seid unbequem und weiterhin so laut. Georg Dohr-Hutchison, BR der Eichbaum."
Spendenkonto der NGG für die Streikenden:
SEB Düsseldorf, BLZ 300 101 11, Kto-Nr. 165 021 73 00,
Stichwort: Streik Gate Gourmet
Weitere Informationen unter www.ngg.net und www.iuf.org
Online-Flyer Nr. 37 vom 28.03.2006
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