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"Sie sagen ja jetzt" - Teil 8
Weil sich das Seelische in den Füßen ballt
Von Ulla Lessmann

Also, ich gehe lieber einfach so. Ganz normal. Also mit normalen Schuhen und ohne Stöcke und ohne Anorak. Ich finde natürlich auch, dass man gut zu Fuß sein soll, aber alle walken jetzt und rollen total ihre Füße ab und pieksen mit den Stöcken nach hinten raus, dass man aufpassen muß wie sonst was, wenn man spazieren geht. Ich bin doch eigentlich froh, dass ich noch keinen Stock brauche und die machen das freiwillig mit diesen Stöcken, damit sie gut zu Fuß bleiben. Man trägt dazu Anoraks, was in unserem Alter gar nicht nett aussieht, weil es insgesamt ziemlich aufbauscht. Wenn ich nachmittags spazieren gehe, nehme ich eine Handtasche mit und ziehe gerne den leichten Übergangsmantel an und die Schuhe mit dem Blockabsatz, ein bißchen Schick am Fuß muß doch sein. Diese Turnschuhe, das ist doch was für Jüngere, genauso wie die Anoraks. Ich kann auch in Schuhen mit Blockabsätzen die Füße so abrollen, wie man das heutzutage macht. Man sieht das nur nicht so extrem von außen, denn ich finde, es muß sich schließlich nicht alles in der Öffentlichkeit abspielen. Ich trage auch im Sommer immer Strümpfe, obwohl sie jetzt sagen, man soll den Füßen die Chance geben, frei zu atmen, weil da alles mögliche von der Seele drin sitzt und sich da viel ansammelt, wenn man Sorgen hat, deshalb soll man seinen Füßen gerecht werden. Und man soll dann Fussreflexzonenmassage machen lassen, damit sich das Seelische da unten in den Reflexzonen nicht zusammenballt, anstatt zu fließen. Es ist ja nicht so, dass man sich nicht informiert und sich nicht auch mal was Neues gönnt! Was Reflexzonen nun genau sind, weiß ich nicht, ich war von klein auf kitzelig an den Füßen und nicht nur, wenn ich Sorgen hatte. Ich denke immer, wenn die da walken mit diesen klumpigen Schuhen und diesen häßlichen Plastikanoraks und mit ihren Stöcken rumfuchteln, da kann sich auch schnell mal was zusammenballen im Fuß, weil sie nämlich irgendwo merken, dass sie so merkwürdig aussehen und anderen Leuten mit ihrem Rumpieksen Angst machen. Ich glaube, eigentlich würden sie viel lieber mit leichten Übergangsmänteln und Handtaschen und Taschenschirmen spazierengehen und dann mal zwischendurch unterm Cafétisch einfach die Schuhe ausziehen und ihre Füße ein bißchen massieren und gemütlich mit den Zehen wackeln. Das ist bestimmt auf Dauer gesünder.

Ulla Lessman wurde 1952 in Bremerhaven geboren, lebt seit 1964 in Köln, ist Journalistin, Diplom-Volkswirtin und Schriftstellerin. Sie war langjährige Chefredakteurin des "Sozialdemokrat Magazin" und des "Vorwärts" in Bonn, ist seit 1995 freie Autorin für Zeitschriften und Hörfunk und hat mehr als 100 literarische Veröffentlichungen in Printmedien, Hörfunk und Internet ("Hier schreit nur einer", Gerichtsreportagen, www.internet-editionen.de) geschrieben. Zahlreiche Preise, unter anderem den Sonderpreis des "Emma"-Journalistinnenpreises für Glossen und den Förderpreis für satirische Literatur der Stadt Herne. Ulla Lessmann ist Mitglied im VS.


Ulla Lessmann
Ulla Lessmann
Foto: www.nrw-autoren-im-netz.de





Online-Flyer Nr. 36  vom 21.03.2006

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