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Lokales
Für gute Mitwirkung von Kölner ARGE gnadenlos bestraft
Neues aus dem Tollhaus
Von Hans-Dieter Hey

Inzwischen hat Berthold Bronisz einen erklärten Feind: die Kölner ARGE. Denn seit 2006 werden sein Eigenbemühen um einen Job und seine Mitwirkung bitter bestraft. Im Moment besitzt er nur noch 200 Euro auf dem Konto und die Miete wird fällig. Dabei hat der gelernte Kaufmann weder Arbeit noch Arbeitslosengeld – und eine wahre Odyssee hinter sich. Er ist ein weiteres Opfer politisch gewollter Verarmung und Ausgrenzung.


Berthold Bronisz
Foto: H.-D. Hey
Immer hatte er sich bemüht, ohne Arbeitslosenunterstützung auszukommen. Selbst als er seine feste Arbeit verlor, versuchte er, sich mit einem Hungerjob bei der Post über Wasser zu halten. Mal für 400 Euro, mal für 900 Euro im Monat, mal für weniger. Ein Auto, Wohnungseigentum oder eine Reise waren für ihn wie aus einer fernen Welt. Als das magere Salär zum Leben nicht mehr ausreichte, beantragte er aufstockendes Arbeitslosengeld II. Doch der Ablehnungsbescheid folgte prompt, weil er angeblich zu viel verdiene. Dass er nur in einem Monat mehr als das Existenzminimum hatte, sonst aber immer darunter lag, interessierte die ARGE Köln nicht sonderlich und sie versagte ihm das gesetzlich zustehende Arbeitslosengeld II.

Eigentumsschutz nur für Reiche

Das war aber noch nicht alles. Eigentumsschutz gilt in diesem Lande offenbar nur für Reiche, machte man Bronisz schnell klar, als man von ihm die Auflösung seiner spärlichen Altersversorgung verlangte, die auf magere 9.000 Euro angewachsen war. „Eigentlich sollte sie für mich ein Notgroschen im Alter sein oder für meine Tochter, falls mir was zustößt. Nun macht man mich auch noch im Alter abhängig von Sozialleistung“, so Bronisz, sichtlich erschüttert. Seine private Vorsorge für’s Alter – die neoliberale Rentenprivatisierer und -heilsversprecher nie hoch genug loben konnten – war nun weg, weil er sie aus rechtlichen Gründen nicht „Hartz-sicher“ machen konnte. Dann hätte er pro Lebensjahr wenigstens die mageren 150 Euro pro Lebensjahr besitzen und 2.300 Euro für die eigene Beerdigung zurücklegen dürfen.


Bedarf keiner Erklärung...
Foto: arbeiterfotografie.com


Doch auf seine angesparte Altersversorgung wollte er auf keinen Fall verzichten und kämpfte verbissen darum. Er hoffte auf eine höchstrichterliche Entscheidung, doch etwas für sein Alter behalten zu dürfen. Aber die hohen Bundesverfassungsrichter, die – ohne sonstige Einkommen – monatlich gut 11.000 Euro verdienen, haben ihn und andere vergleichbare Fälle in Altersarmut allein gelassen. Irgendwann ging es überhaupt nicht weiter, und der 47jährige bat seine Mutter um Unterstützung, wenigstens bis der neue Antrag auf Arbeitslosengeld „durch“ war. Monatlich überwies sie ihm 1.250 Euro auf sein Postgirokonto, damit er als sparsamer Mensch „auch noch die Kontogebühren einsparen konnte.“ Davon brachte er ihr monatlich das Haushaltsgeld vorbei und bezahlte ihre Telefonrechnung. All dies wies er der Arbeitsagentur detailliert mit Kontoauszügen nach. Verständlich, dass die finanziellen Sorgen irgendwann auch der Mutter über den Kopf wuchsen. Als Berthold Bronisz seine Altersversorgung aus Not schließlich doch auflösen musste, wollte er erst mal das bei seiner Mutter genommene Darlehen bezahlen und überwies 8.000 Euro zurück.

Staatlicherseits verarmt

Im Februar diesen Jahres lief dann überhaupt nichts mehr. Er beantragte erneut Arbeitslosengeld. Doch von der Kölner ARGE hörte er nichts und stellte deshalb beim Kölner Sozialgericht einen Eilantrag. Die ARGE erklärte allerdings, Berthold Bronisz habe einen Ablehnungsbescheid bekommen. Aber der weiß davon nichts: „Eins ist klar, hätte ich einen Ablehnungsbescheid bekommen, ich hätte sofort Widerspruch eingelegt“. Inzwischen ist hinlänglich durch die Medien gegangen, wie schludrig ARGEn mit den ihnen anvertrauten Unterlagen umgehen und gelegentlich die eine oder andere Akte schon mal nicht auffindbar ist. Doch wie sollte er beweisen, was er nicht erhalten hatte?

Völlig hilflos gelassen war nun auch die Frist für den Wiederspruch war vorbei. Selbstverständlich stellte er sofort erneut einen Antrag auf Arbeitslosengeld II. Nun wollte die Arge wissen, wovon er im Juni gelebt hatte, als die Mutter nicht mehr helfen konnte und die Altersversorgung aufgebraucht war. Gerade kam er noch mal um die Versendung seiner eigener Todesanzeige herum, weil er sich in dieser Zeit aus seiner mächtigen Kühltruhe ernähren konnte, was er der ARGE-Schnüfflerin mit Fotos belegen konnte. Am 13. Juli rief ihn die Arbeitsagentur an und verlangte die Beibringung noch fehlender Unterlagen für den Antrag. Doch welche, wollte man ihm am Telefon nicht sagen und forderte ihn zur Mitwirkung und einem Besuch bei der neugierigen PAP – der persönlichen Ansprechpartnerin – auf. Aufgrund des inzwischen tiefen Misstrauens gegenüber der ARGE bediente er sich des Begleitservices der Partei DIE.LINKE. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass man niemals allein zu einer ARGE gehen solle. Wie sich auch hier zeigen sollte, zu Recht.


Schon mal im Bermuda-Dreieck ARGE
verschwunden: Anträge der „Kunden"
Foto: C. Hautumm/Pixelio
Bei der fehlenden Unterlage handelte es sich um einen Kontoauszug, auf dem der Sachbearbeiterin 19 Euro nicht erklärbar waren. Und das kam so zustande: Sparsam wie Berhold Bronisz ist, hatte er zu einer Bank gewechselt, die ein kostenfreies Konto anbot. Doch den letzten Auszug konnte er wegen der Kontenkündigung nicht mehr online abrufen. Die Sachbearbeiterin hat offensichtlich das Ausmaß zwischen Existenzbedrohung ihres „Kunden“ und der eigenen Erbsenzählerei verkannt. Was sich im Februar als verdächtige Summe für staatstragendes Handeln darstellte, war eine Lappalie: Zwischen der Auflösung des alten Kontos mit einem Bestand von 1013 Euro und der Eröffnung eines neuen Kontos mit 994 waren 19 Euro an Gebühren angefallen. Und deshalb hat nun Berthold Bronisz immer noch kein Arbeitslosengeld.

Seit dem Jahr 2007 hatte er mehrfach – obwohl er das nicht brauchte und auch besser nicht getan hätte – den staatlichen „Messies“ seine Kontoauszüge beigebracht und fühlt sich nun für sein Entgegenkommen abgestraft. Nun soll er wieder für ein ganzes Jahr die Kontenauszüge beibringen. Offenbar kennt man bei der Arbeitsagentur die Rechtslage nicht, nach der die Kontoauszüge der letzten drei Monate nachzuweisen sind.

Ungerechtigkeit bekämpfen, wo sie gemacht wird

Berthold Bronisz kann das alles nicht verstehen, fühlt sich abgeschoben, verdächtigt und kriminalisiert. Und sein Zorn wächst. Ihm kommt das vor, als werde alles versucht, Menschen mit Anspruch auf Arbeitslosengeld abzuwimmeln. Wie die Arbeitsgruppe „Gegen Hartz IV“ bereits im vergangenen Jahr mitteilte, müssen die ARGEn Einsparungen bei den Ausgaben vornehmen – offenbar rücksichtslos. Grundlage ist eine Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Bundesarbeitsagentur, nach der bereits im Jahr 2008 rund acht Prozent der Hartz-IV-Ausgaben eingespart werden sollten. Angestellte der Arbeitsagenturen werden dadurch gezwungen, gegen die Erwerbslosen zu handeln. Durch derartiges unverantwortliches Verwaltungshandeln machen sich die aus öffentlichen Geldern bezahlten ARGE-Mitarbeiter allerdings auch zum Mittäter an Armut, Altersarmut und Ausgrenzung. Doch die wenigsten wollen bis heute glauben, dass das politisch gewollt ist. In dieser Ausgabe können Sie dies in unserem Artikel in dieser Ausgabe von Christoph Butterwegge „Die Armut ist gewollt“ nachlesen.

Im Moment besitzt Berhold Bronisz noch 200 Euro, die Miete ist in wenigen Tagen wieder fällig. Bereits am 2.4. schrieb seine Anwältin Anette Graff an die ARGE: „Für die Annahme einer akuten Notlage dürfte es nicht notwendig sein, dass der Antragsteller ohne Wohnung, Krankversicherungsschutz und Nahrung dasteht“. Vielleicht muss er jetzt sein letztes verbliebenes Hobby als Funker aufgeben und seine Anlage verkaufen, um die Miete zahlen zu können. Doch er will sich weiter wehren und kämpft. Auch politisch will er etwas bewegen gegen die Ungerechtigkeiten von Hartz IV. Er engagiert sich in der Landesarbeitsgruppe „Weg mit Hartz IV“ in der Partei „DIE.LINKE“ und meint: „Ungerechtigkeiten kann man nur da bekämpfen, wo sie gemacht werden. Und das ist in der Politik“. Deshalb kandidiert er bei der Kommunalwahl 2009 für die Partei DIE.LINKE im Wahlkreis 13, Raderberg und Zollstock, Bezirksvertretung Rodenkirchen. (HDH)

Unser Anreißerfoto stammt von Harry Hautumm/Pixelio.

Online-Flyer Nr. 207  vom 22.07.2009

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