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Lokales
Protest gegen Mieter-Vertreibung aus Kölner DEWOG-Siedlung
Christliche Traditionspflege?
Von Peter Kleinert

„Christliche Wohnungsgesellschaft DEWOG entdeckt ihr Herz für die Besserverdienenden“ ist ein Flugblatt überschrieben, mit dem die Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM) vor dem Bezirksrathaus gegen die drohende Vertreibung der MieterInnen aus der Siedlung Von-Ketteler-Straße in Köln-Höhenhaus protestierte. Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs (SPD) wurde in einem Gespräch aufgefordert, sich für die Rechte der BewohnerInnen einzusetzen.

SSM-Aktion vor dem Bezirksrathaus Köln-Mülheim
Quelle: SSM
 
Als Kölner Wohnungsbauunternehmen wurde die Deutsche Wohnungsgesellschaft mbH (DEWOG) 1950 durch die “Christliche Nothilfe“ und den Deutschen Caritasverband Freiburg unter Federführung von Prälat Dr. Alois Stegerwald gegründet, der wiederum ein Sohn von Adam Stegerwald, christlicher Arbeiterführer, Zentrumpolitiker, preußischer Volkswohlfahrtsminister und Ministerpräsident der Weimarer Zeit war. An dessen soziales Engagement erinnern die 1969 eingerichtete Kölner “Stegerwald-Stiftung“, die sich im Bereich der Familienförderung, in der Altenpflege und für Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder einer Behinderung engagiert, und die Stegerwaldsiedlung in Köln-Mülheim, die das erste große soziale Bauvorhaben der DEWOG Anfang der 50er Jahre war.


Alle glücklich und zufrieden – DEWOG-Eigenwerbung
Quelle: www.dewog.de/
 
Aus der aktuellen Selbstdarstellung der DEWOG im Internet: „Nach dem 2. Weltkrieg stand der Wiederaufbau, Schaffung von preiswerten Mietwohnungen zum Abbau von Wohnungsnot sowie Bau von Siedlungshäusern im Vordergrund. So entstanden in den Jahren ca. 13.000 Wohnungen. Derzeit besitzen wir 4.233 Mietwohnungen im Wesentlichen im Kölner Stadtgebiet.“ (www.dewog.de/) Und weiter: „In den letzten Jahren ist der Neubau in der(!) Hintergrund und die Modernisierung des vorhandenen Wohnungsbestandes in den Vordergrund getreten. Auch in Zukunft werden wir uns verstärkt der Modernisierung insbesondere unter dem Aspekt der Energieeinsparung und Ressourcenschonung widmen.“

- Bravo! Endlich mal eine Wohnungsbaugesellschaft, die nicht nur am Profit ihrer Anteilseigner interessiert ist, möchte man Beifall klatschen. Doch die Erfahrungen der Mieter und Mieterinnen aus der Von-Ketteler-Straße in Höhenhaus und ihrer Unterstützer von der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim sehen anders aus. Danach hat man bei der DEWOG-Geschäftsführung das ursprüngliche soziale Engagement inzwischen vergessen.
 
Abriss und Neubau für Besserverdienende
 
Anfang der 60iger Jahre hatte sie die fünf Reihenhäuser für ehemals Obdachlose und Geringverdiener gebaut. Die sollten hier die Möglichkeit bekommen, Familien zu gründen und die Mieten bezahlen zu können. In der Zeit des “Wirtschaftswunders“ klappte das auch. Arbeit gab es genug, die Löhne stiegen. Die Häuser stehen zwischen weiten Grünflächen mit schönen alten Bäumen. Hier können Kinder spielen und Bewohner sich treffen.
 
„Doch die Zeiten des Wunders sind vorbei“, heißt es auf dem SSM-Flugblatt. „Erwachsene ohne Arbeit, Jugendliche ohne Hoffnung führen zu Unruhe, Aggresion und Drogen. Steigende Polizeieinsätze und Vandalismus waren die Folge. Statt wie etwa die GAG den Problemen mit Sozialarbeitern und Renovierung der Siedlung zu begegnen, ließ die DEWOG frei gewordene Wohnungen leer stehen, renovierte häufig nicht einmal das Nötigste. 2008 wurde klar, warum die DEWOG die Siedlung fallen ließ. Sie will die Häuser abreißen. Stattdessen sollen Wohnungen und Einfamilienhäuser für Besserverdienende hin. Angeblich seien die Fundamente der Häuser marode. Doch keines der Fundamente wurde durch Freilegen überprüft. In der Bezirksvertretung wurden die Pläne der DEWOG durchgewunken. Politik & DEWOG haben in der Krise ihr Herz für Besserverdienende entdeckt. Die Politik verzichtete sogar in ihrem Planungsverfahren auf einen “Sozialplan“ für die Mieter. Die DEWOG zog ihren Wachdienst aus der Siedlung zurück, sodass sich randalierende Jugendbanden in der Siedlung breitgemacht haben. Den Mietern predigte die DEWOG: zieht aus, es wird abgerissen.“
 
Abwasserkanal übersehen
 
Auch die Kölner Stadtverwaltung und die zuständigen Ratspolitiker beteiligten sich an diesem Spiel. Am 21. Mai 2008 veröffentlichte man die „Einleitung eines Bebauungsplans“ für „das Gebiet zwischen Von-Ketteler-Straße, südlich der Gemeinschaftshauptschule, südöstlich der Grünfläche bis zur Stadtbahn, entlang der Stadtbahntrasse bis zum Einzelhandelsmarkt, Von Bodelschwingh-Straße, Am Flachsrosterweg, südöstliche und nordöstliche Grenze des Kirchengrundstücks Sankt Hedwigkirche“. „Ziel der Planung“ sei, heißt es in dem Text richtig freundlich, „den Wohnbereich dauerhaft durch eine Mischung aus Miet- und Eigentumswohnungen sowie Einfamilienhäuser aufzuwerten“. Kein Wort in diesem Beschluss zugunsten der DEWOG-Pläne von der geplanten Vertreibung der Mieter und dem  Abriss, der aufgrund von Recherchen der SSM-Aktivisten Rainer Kippe und Martin Massip nun allerdings auch nicht mehr so ohne Weiteres möglich sein dürfte. Begründung: „Sie hat bei ihrer Planung auf dem Siedlungsgelände einen Abwasserkanal übersehen, der nicht überbaut werden darf. In der Eile mit der man die Mieter überrollt hat, war man zu schlampig.“ Ob und wie der nun mit diesen Informationen versehene Bezirksbürgermeister Norbert Fuchs und die Bezirks- und Stadtverordneten reagieren werden, wird man nach den Kommunalwahlen sehen.


Norbert Fuchs (SPD) bei einer Ausstellungserröffnung im Bezirksrathaus
Foto: Peter Bach 
 
Alleingelassen von der Politik und ihrer christlichen DEWOG, deren  Gesellschaftsanteile übrigens seit unbekannter Zeit komplett von der “Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH Köln“ gehalten werden, gaben die meisten Mieter auf, und zogen aus - in Wohnungen, die teurer und kleiner sind. Die in der Höhenhauser Siedlung verbliebenen Mietparteien haben jetzt einen Mieterrat gegründet. Sie fordern mindestens:

• angemessenen Ersatzwohnraum, sowohl, was Miete wie die Größe betrifft,
• Wohnungen im Viertel,
• Übernahme aller Umzugs- und Renovierungskosten,
• verbindliche und schriftliche Zusagen.
 
„Unterstützen Sie mit uns zusammen diese Forderungen!“, heißt es in dem SSM-Flugblatt. „Fragen Sie Ihren Bezirksvertreter, was seine Partei unternimmt, um die Mieter zu schützen!“ Angesichts des bei der eiligen DEWOG-Planung auf dem Siedlungsgelände übersehenen Abwasserkanals, müssten sowieso alle Pläne neu gemacht und genehmigt werden. „Für die Politik und die DEWOG eine Möglichkeit innezuhalten und sich auf ihre sozialen und christlichen Wurzeln zu besinnen. Es gibt genug freie Flächen und deshalb keinen Grund Menschen mit wenig Geld ihre Wohnungen für Besserverdienende wegzunehmen.“ (PK)

 
Weitere Informationen über SSM / Martin Massip und Rainer Kippe / Düsseldorfer Straße 74, 51063 Köln, info@ssm-koeln.org.   

Online-Flyer Nr. 207  vom 22.07.2009

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