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Aktueller Online-Flyer vom 27. April 2024  

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Lokales
Wer schützt die Denkmäler in Köln vor den RatspolitikerInnen?
Vorrang für Investoren!
Von Roland Schüler

Ein Denkmal stellt etwas Besonderes dar. Seit 1975 hat sich das Verhältnis der BürgerInnen zur in Stein und Beton gebauten Stadtgeschichte geändert. Während vorher die Stadtneubauer alles Alte abreißen konnten, um eine gesichtslose neue Stadt zu bauen, gab es seitdem immer wieder Proteste. !975 – das UN-Jahr des Denkmalschutzes hat viel zur Bildung von Geschichtsbewußtsein beigetragen. Bürgerinitiativen verteidigten ihre Stadtviertel vor dem Abrißbagger und forderten die Sanierung der Gebäude anstelle des Betonneubaus. Bis heute.

Gereonskirche – nicht so wichtig wie 
Investoreninteressen im Gerling-Viertel
Quelle: www.stgereon.de
Der Rheinische Verein für Denkmalsschutz und Landschaftspflege hat die RatspolitikerInnen eingeladen, eine Bilanz zu ziehen. Wie steht es um den Denkmalschutz in Köln im Spannungsfeld der Stadtentwicklung? Die Antwort - kurz zusammengefasst: Das Denkmal steht im Weg. Das Denkmal ist ein Störfaktor. Nicht für das zahlreich erschienene Publikum, sondern weil es verdeckte und offene  wirtschaftlichen Interessen von stadtentwickelnden Investoren gibt. 
 



Denkmal nur noch als Staffage
 
Ein Beispiel von vielen in Köln: Da verkauft der neue Eigentümer der Gerling-Versicherung das komplette Gerling-Versicherungsviertel an ein Unternehmen. Für viel Geld. Die Gebäude von Gerling stehen zum Teil vollständig unter Denkmalschutz oder es wurden Elemente (Treppen, Räume, Strukturen im Inneren) unter Denkmalschutz gestellt. Der neue Unternehmer möchte nun aus den Büros Wohnungen und andere Nutzungen machen. Das tritt in Konkurrenz zum Denkmal. Denn für ein Wohnhaus braucht es u.a. andere Lichtverhältnisse (größere Fenster, Balkone etc) und damit kann schon der Charakter eines Denkmals verändert werden. Das kann mit Sensibilität des Architekten gelingen. Wenn allerdings wirtschaftliche Interessen für die optimale Vermarktung bestimmend sind, ist der Charakter des Denkmals zweitrangig. Zu sehen am „Siebengebirge“ im Rheinauhafen, früher Speicherhaus mit kleinen Öffnungen, heute Wohnhaus mit Loggias, vielen Fenstern und Dachgeschossausbau. Denkmal nur noch als Staffage.
 
Am Gerling-Viertel wird zudem ein weiteres Element des Denkmalschutzes deutlich. Ein Denkmal ist nicht nur auf seinen Standort beschränkt, es wirkt in seine Umgebung. Es braucht von der Umgebung den Respekt als Denkmal. Nicht umsonst gibt es den Umgebungsschutz um ein Denkmal.
 
Nun steht direkt am Gerling-Viertel die romanische Kirche St. Gereon. Ein Denkmal. Mit hoher Umgebungswirkung. Dies wurde beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg geachtet und die Gebäude der Umgebung wurden in Beziehung zur Gereonskirche gesetzt. Der neue Bauherr des Gerling-Viertels hat das nicht im Blick, sondern möchte aufstocken und höher bauen. Das ganze Gefüge, die Sichtachsen auf St. Gereon, werden verbaut. Die Kirche wird eingebaut.   
 
Beides – Veränderung des Denkmals und die Umgebungswirkung kann zu einem Ringen von engagierten Denkmalschützern auf der einen Seite und dem Investor und der Verwaltung auf der anderen Seite werden. In Köln wird dank der starken Bürgerschaft engagiert für das Denkmal gestritten. Wo sich der Kölner Stadtkonservator einordnet, ist spannend. Eigentlich sollte er sich an der Seite des Denkmals befinden, doch an vielen Stellen empfinden die BürgerInnen, dass der Stadtkonservator eher das Denkmal opfert. Dann wird das Ringen in die Politik hineingetragen.
 
Nicht AnwältInnen des Denkmalsschutzes, sondern AbwägerInnen
 
Von daher war es sehr spannend zu erleben, welchen Stellenwert die verantwortlichen PolitikerInnen auf dem Podium dem Denkmalschutz in Köln einräumen. Es waren gekommen: Frau Moritz von Bündnis 90/Die Grünen, Herr Klipper von der CDU, Frau Bürgermeister von der SPD, ein sachkundiger Einwohner von der FDP, Herr Henseler für das Kölner Bürger Bündnis und Herr Bell für DIE LINKE. Alles VertreterInnen des Stadtentwicklungsausschusses!
 
Stadtkonservator wie Denkmalschutz sind der Kultur zugeordnet - um eine Trennung von der Stadtentwicklung zu haben. Es waren aber nicht die Kulturpolitiker, die für den Denkmalschutz eintreten, anwesend, sondern es waren die Stadtentwickler, die über die Abwägung von Denkmalschutz und Stadtentwicklung entscheiden. Also nicht die AnwältInnen des Denkmalsschutzes, sondern die AbwägerInnen waren da.
 
Und so verlief auch die Diskussion. Kein Politiker, keine Politikerin trat vehement für den Denkmalsschutz ein, gab dem Denkmalschutz einen eigenen hohen Wert, unterstrich die Bedeutung des Denkmalschutzes. Nein, der Denkmalschutz wurde nur geprüft, abgewogen, vermittelt, ins Verhältnis zu den wirtschaftlichen, städtebaulichen und sonstigen Interessen gesetzt. Er wird bei keiner Planung von Anfang an einbezogen, sondern erst hinterher beteiligt. Die Stellung des Denkmalschutzes ist somit nachrangig und eine jeweilige Einzelfallprüfung.
 
Und bei dieser Prüfung müssen „leider, leider!“ die wirtschaftlichen Belange des Investors einbezogen werden. Hat der Eigentümer von Gerling einen zu hohen Kaufpreis verlangt und bekommen, will nun der neue Investor eine Rendite haben und das Grundstück höher ausnutzen, wird die Politik diesen Umstand bei der Abwägung zum Denkmalsschutz beachten, so sinngemäß die Grünen-Politikerin Barbara Moritz. Sie sprach wenigstens klar aus, welchen Stellenwert der Denkmalsschutz in Köln hat: Es wird abgewogen gegenüber dem Kapital. Und bei diesem Abwägen gewinnt meist das Kapital. Bis auf DIE LINKE sahen das auf dem Podium alle so, jedenfalls hat keine/keiner widersprochen.
 
So erklären sich die strittigen Bauvorhaben um ein Denkmal. Sei es St. Gereon und die Umbauten von Gerling, St. Gereon und die Neubauten von Bauwens-Adenauer gegenüber, St. Kunibert und die Neubauten am Konrad-Adenauer-Ufer, der geplante Bau eines Berufskollegs in direkter Nachbarschaft des Krieler Doms, der geplante Neubau am Waidmarkt und St. Georg, der Supermarkt am Odemshof in Brauweiler, die geplante Bebauung des Klingelpützparks als Bildungslandschaft Nord. Und so weiter.
 
Fast überall haben das Denkmal und seine Umgebung keine Chance, weil die entscheidenden StadtpolitikerInnen dem Wunsch des Investors folgen. Denkmalschutz hin oder her.
 
Erholungszentrum für den 1. FC Köln
 
Aber es gibt noch weitere Akteure, für die in Köln der Denkmalschutz gerne aufgehoben wird: Für den 1. FC Köln war es ein Leichtes bei größtmöglicher Zustimmung der RatspolitikerInnen – gegen den Widerstand von Denkmalschützern, Naturschützern und der Bezirksvertretung Lindenthal – einen Neubau im denkmalgeschützten Äußeren Grüngürtel durchzusetzen. Ex-Trainer Daum brauchte nämlich dringend ein Erholungszentrum für seine Profis. Der Rettungsanker für die Ratsparteien: Es wird ja nur eine schon versiegelte Fläche Bauland. Das ist dem Denkmal Äußerer Grüngürtel aber völlig egal, denn die gesamte Fläche steht unter Denkmalschutz.
 
Für die Friedhofsgenossenschaft war es wiederum ein Leichtes, auf dem denkmalgeschützten Friedhof Melaten ein völlig neues Kooperationsfeld (das erste von vieren) einzurichten. Anstatt der traditionellen Einzel- oder Familiengräber werden hier Landschaften gestaltet mit lyrischen Namen wie Auengarten, Rosenfeld oder Japanischer Garten. An die Stelle des Einzelgrabes treten diese Gemeinschaftsgräber mit 25jähriger Pflegebindung und einer Stele mit dem Namen des Toten. Eine völlig andere Bestattungsform, die auf dem historischen Melatenfriedhof ein Fremdkörper ist. Hier steht das gesamte Ensemble wegen der Formensprache der Grabfelder von Einzel- und Familiengräbern unter Denkmalschutz.
 
Da es von Politik und Verwaltung vorab schon positive Signale gab (!), begann die Friedhofsgenossenschaft schon mal mit den Bauarbeiten. Ohne Genehmigung und politischen Beschluss und unter Missachtung des Denkmalschutzes. DIE LINKE deckte dieses Vorgehen auf. Doch anschließende Proteste vom Rheinischen Verein für Denkmalschutz, von Bestattern, und die einstimmige Ablehnung des Kooperationsfeldes durch die Bezirksvertretung Lindenthal verhinderten nicht, dass die RatspolitikerInnen von Grünen, CDU, SPD und FDP das Denkmal Friedhof Melaten in einem ersten Teil zerstörten und die Tür für weitere Zerstörungen öffneten. Wohl darum wurde der Vorsitzende des zuständigen Ausschusses Landschaftpflege und Grün, Götz Bacher (SPD), vor einigen Tagen von der Friedhofsgenossenschaft für seine Verdienste mit einem Ginkgo-Baum geehrt.       
 
Es ist nicht immer das Kapital, für das der Denkmalschutz von der Kölner Stadtpolitik aufgehoben wird. Aber ziemlich häufig.
 
2009 ist eben nicht 1988!
 
Sehr deutlich wird dies am ehemaligen Sitz der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) in Köln Müngersdorf durch das Bauvorhaben Herrigergasse. Die in Köln im Rheinauhafen stark engagierte Pandion (u.a. Bau eines Kranhauses) hat das Grundstück in Müngersdorf für einen stolzen Preis erworben. Nun muss es profitabel vermarktet werden. Der dörfliche Charakter von Müngersdorf hat sich seit 1288 bewahrt. Da war das DEG-Verwaltungsgebäude mit neun Stockwerken ein städtebaulicher Fehler. Damit dies nicht wieder passiert, erließ der Rat eine Erhaltungsatzung, was Schutz eines denkmalwerten Charakters quasi mittels Gesetz bedeutet. Darin hieß es schon 1988: „Es besteht ein Konflikt zwischen den möglichen Wünschen der Eigentümer im Erhaltungsgebiet über eine höhere Ausnutzung oder Nutzungsänderung und die damit verbundenen Änderungen der Bausubstanz und dem öffentlichen Interesse am Erhalt des alten Ortsbildes. Dem öffentlichen Interesse wird hier jedoch der Vorrang gegenüber dem privaten Interesse eingeräumt.“
 
Denkmalschutz wurde also höher bewertet als das kapitale Verwertungsinteresse. Damals 1988! 2009 verhindert diese eindeutige Vorgabe nicht, dass der Investor, nun mit tatkräftiger Unterstützung der Verwaltung, diese Erhaltungssatzung mit Füßen tritt und nicht beachtet. Engagierter Widerstand der BürgerInnen, des Bürgervereins Müngersdorf, eine einstimmige Ablehnung des Bauvorhabens und Forderung der Einhaltung der Erhaltungssatzung durch die Bezirkvertretung Lindenthal (bei Enthaltung der CDU) halfen nicht. Die meisten RatspolitikerInnen von CDU, SPD und Grünen übergingen die Erhaltungssatzung und folgten einvernehmlich dem Investor.
 
Welchen Stellenwert hat also der Denkmalschutz in Köln? Die Beispiele sagen deutlich: Keinen. Und die Podiumsdiskussion zeigte es ernüchternd deutlich für die Zukunft: Auch Keinen. Es wird halt abgewogen und danach ist das Denkmal fott. (PK)   

Online-Flyer Nr. 206  vom 15.07.2009

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