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Hospizarbeit ist Liebe am Menschen
Die Auflösung des Daseins
Von Hans-Dieter Hey

Das Leben kann schnell vorbei sein. „Gleichwie der Tautropfen an der Spitze eines Grashalmes beim Aufgehen der Sonne gar schnell wieder vergeht und nicht lange bleibt, so ist auch das dem Tautropfen vergleichbare Leben der Menschen begrenzt und flüchtig", heißt es in den Schriften des Buddha. Die Fotografin Larissa Monke hat sich in einem Hospiz feinfühlig einem sensiblen Thema gewidmet, vor dem viele Angst haben.


Ein halbes Jahr hat sie die Arbeit im Hospiz „Haus der Zuversicht“ begleitet und dokumentiert. Sie wollte nicht einfach auf den Auslöser ihres Fotoapparates drücken und beziehungslos und ohne „Seele“ Gitta Arndt fotografieren, die sie dort kennenlernte. Durch ein Praktikum näherte sie sich der schwierigen Aufgabe der Pfleger und Seelsorger und den ihnen in Obhut Anvertrauten. Denn im Hospiz kommt das Ende eines Lebens, – so eben dieser Buddha – „das Abscheiden, Hinweggehen aller Wesen ..., die Auflösung, das Vergehen, der Tod, das Sterben, das Erfüllen der Zeit ... die Zersetzung des Leichnams. Das nennt man den Tod.“ Das ist für manche schwer auszuhalten. Nehmen wir also die Erfahrungen von Larissa Monke und das Lebensende von Gitta Arndt als Anlass zu einer Betrachtung über das Leben und den Tod.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos

Arbeit im Hospiz ist eine schwierige Aufgabe, und die ist nicht für jeden. Was ein ungeeigneter Pfleger für diese Aufgabe ist, hielt schon vor 2.500 Jahren eben dieser Buddha fest: „Dieser ist unfähig, die Arznei zubereiten; er weiß nicht was zuträglich und was unzuträglich ist, er ekelt sich vor Kot, Urin, Auswurf und Speichel; er besitzt nicht die Fähigkeit, den Kranken und Sterbenden von Zeit zu Zeit in Worten über die Lehre zu belehren, zu ermahnen zu ermuntern und ihn zu ermutigen. Ein Krankenwärter, bei dem diese fünf Dinge zutreffen, sollte keine Kranken und Sterbenden pflegen.“ Die klaren Worte beschreiben die Arbeit in den Hospizen, die einer hohen Würdigung und Achtung bedürfen. Nur, wer eine große Liebe zu Menschen, ihren Freuden und ihren Qualen hat, kann diese Aufgabe wahrnehmen.



Im „Haus der Zuversicht“ lernte Larissa Monke solche Menschen und ihre Arbeit kennen und eben Gitta, die sie bis zu ihrem letzten Atemzug begleitete. Mit ihrer Einwilligung konnte sie die wichtigste Phase von Gittas Leben in beeindruckend nahen und nahegehenden Fotos festhalten. Heute ist sie für diese Erfahrung dankbar, die ihre Einstellung zum Leben geändert hat. Larissa Monke: „Friedlich einschlafen, ohne Schmerzen und langes Leid, dafür in Würde und selbstbestimmt. Fragt man Menschen danach, wie sie gerne sterben wollen, bekommt man häufig diese Antwort. Eine tiefgehende Beschäftigung mit dem Tod lehnen viele von uns jedoch solange ab, bis der Gedanke daran unausweichlich wird.“



Es kann mit dem Leben schnell vorbei sein. Einer älteren Statistik der OECD konnte man entnehmen, dass – weltweit betrachtet – von 100 Menschen desselben Jahrgangs 81 das 20. Lebensjahr erreichen. Bis zum 29. Lebensjahr sind bereits 25 von 100 gestorben. Das 50. Lebensjahr erreichen nur noch 67 Menschen, also etwas mehr als die Hälfte. Und nur noch 17 Menschen werden 70 Jahre, über 80 nur noch 3. Der Traum also vom ewigen oder zumindest langen Leben ist eben nur ein Traum und durch uns weder vorhersehbar noch bestimmbar. Inzwischen beginnt übrigens die Lebenserwartung in den USA bereits zu sinken.



Doch was fällt uns bei der Vergegenwärtigung des Todes so schwer? Er ist doch natürlicher Bestandteil des Lebens, von Anbeginn in uns enthalten. „Aus eben diesem sechs Fuß hohen, mit Wahrnehmen und Bewusstsein ausgestatteten Körper ist die Welt enthalten, der Welt Entstehung, ihr Ende, sowie der zum Ende der Welt führende Pfad", sagt dazu der bereits zitierte Buddha. Wir müssen uns also von diesem Leben, dass wir „unser“ Leben nennen, an dem wir festhängen, von diesem Bewusstsein und Körper lösen. Und vielleicht ist es diese Angst, nicht loslassen zu können vom Leben und den Dingen, die uns gewohnt umgeben. Letztlich ist es wohl die Angst, dieses „Ich“ aufzugeben, das uns umklammert.



Dabei ist dieses „Ich“ vielleicht eine trügerische Einbildung, das nur eine Menge von unbefriedigenden Wünschen und Vorstellungen in uns produziert. Der fälschlich als pessimistischer Humanist bezeichnete Philosoph Artur Schopenhauer sagt in seinem Werk „Der Mensch als Wille und Vorstellung“, dass die Armen sich abrackerten um das tägliche Brot in der Hoffnung auf ein besseres Leben und die Reichen in Langeweile verfallen auf der Suche nach anderen Zeitvertreibungsmöglichkeiten. Uns bleibt am Ende von allem ohnehin nichts. Schopenhauer: „Der Lebenslauf des Menschen besteht darin, dass er, von der Hoffnung genarrt, dem Tod in die Arme tanzt.“ Dies führt zu der Frage, was wir eigentlich mit unserem Leben anfangen.

Eine sehr alte Frage, und seit der Antike gibt es den Mahnruf „memento mori“ – bedenke, dass du sterblich bist. Es kommt also darauf an, was jemand mit seinem Leben bis zu seinem Tode anfängt. Was machen wir also in dieser Zeit? Nehmen wir den Tod vorweg – wie die Überlieferung sagt – und leben entsprechend bewusst? Kümmern wir uns um unsere Nächsten, um das Gemeinwohl, oder nur eigennützig um uns selber? Sorgen wir uns um die Gestraften, Ausgegrenzten und Leidenden in unserer Gesellschaft? Oder bleiben wir unser Leben lang Arbeits- und Konsumidioten, Fernseh-Konsumierer und Marionetten dieses armselig materialistischen Lebens, das wir selbst auf ein Leben aus niederen Beweggründen reduzieren?




Alle Religionen haben sich natürlich mit diesem Thema beschäftigt. In der Bibel, Psalm 90, Vers 12 heißt es: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden." Muslime beten fünfmal am Tag: „Bei der flüchtigen Zeit! Wahrlich, der Mensch ist verloren, außer jenen, die glauben und Gutes tun und sich gegenseitig zur Wahrheit anspornen und einander zum Ausharren mahnen". Auch der Talmud des Judentums lehrt, dass man in jeder Sekunde im Leben vom Tod umgeben ist und nur mit gutem Gewissen und ohne Schande für andere sterben kann. Sich also wie ein Kaufmann verhält, der seine Bücher ordentlich führt und seine Schulden gezahlt hat, und der Buddhismus warnt: „Verwelktem Blatte gleichst du heute, des Todes Diener harren deines Kommens schon. Du stehst am Rande deines Lebens, für Reisezehrung aber hast du nicht gesorgt.“ Was wichtig ist und unser Leben lebenswert macht, muss jeder selbst finden und verantworten.

Doch vielleicht ist es völlig gleich, ob man sich aufgrund seiner Lebensführung nach dem Tod in Himmel oder Hölle wiederfindet oder aufgrund seines Karmas für eine weitere Runde wiedergeboren wird. Eines ist sicher: Irgendeine Abrechnung kommt bestimmt. Zumindest wird man sich am Ende wie in einem Spiegel seinem Leben stellen müssen. Und von dieser Aufrechnung wird das Sterben abhängig sein. Als der Onkel eines guten Freundes von mir am Ende seines Lebens auf den Lippen hatte: „Jetzt bekommen die doch alle nur mein Geld“ war das sicher kein gutes Ende. (HDH)


Die sehenswerte und nachdenklich stimmende Ausstellung von Larissa Monke findet noch bis zum 7. Juli in der Kölner Photopension statt.
Am 15.6. ab 19.00 Uhr findet eine Diskussion zu Fragen von Leben und Sterben im Hospiz statt. Bisher haben neben der Fotografin als Gäste zugesagt die Leiterin des Bielefelder Hospiz Haus Zuversicht und Mitglieder der Malteser Hospizgruppe Sinnan.












Online-Flyer Nr. 200  vom 03.06.2009

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