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Lokales
Neugestaltung des Kölner NS-Dokumumentationszentrums
„Su huh litt dr Dreck em Keller!“
Von Anneliese Fikentscher

m Mai wurde die Umgestaltung und Erweiterung von Teilen der Dauerausstellung „Köln im Nationalsozialimus“ und der Gedenkstätte im Keller des Kölner NS-Dokumentationszentrums der Öffentlichkeit vorgestellt. Zu den Neuerungen gehören der Zugang zum Hausbunker der Gestapo im Tiefkeller sowie zahlreiche Medienstationen, darunter die über den Kölner Karl Küpper.

Karl Küpper mit karnevalistischem Hitlergruß
Quelle: NS-Dok
 
„Mein Vater war zeit seines Lebens - so habe ich ihn in Erinnerung - ein im Grunde unpolitischer Mensch. Er wollte sich nicht gegen das Regime auflehnen, er war kein Revolutionär, er war kein Untergrundkämpfer, sondern er war einfach Karnevalist...“, erinnert sich der 63jährige Gerhard A. Küpper. Sein Vater, Karl Küpper, der als Büttenredner „Dr Verdötschte“ (der Verrückte) die Nazis auf die Schippe nahm, indem er die Hand zum Hitlergruß ausstreckte und wahlweise fragte: „Es et am rähne?“ („Regnet es?“) oder mit der gleichen Geste behauptete „Su huh litt bei uns dr Dreck em Keller!“ („So hoch liegt bei uns der Dreck im Keller!“) erhielt 1939 Redeverbot und musste sich täglich bei der Kölner Gestapo-Behörde melden.
 
31 Medienstationen
 
Diese und weitere Erinnerungen an die Zeit der Herrschaft des Nationalsozialimus in Deutschland sind als Zeitzeugendokumente einsehbar in einem einzigartigen, lebendigen Mediensystem, das im Rahmen einer Neugestaltung der Dauerausstellung des NS-Dokumentationszentrums von bisher 18 auf 31 Medienstationen erweitert wurde. Diese Medienstationen überzeugen in der heutigen Medienflut durch bestechende Einfachheit. Sie sind gestaltet wie erzählende Maschinen. Und sie verweisen auf ein umfangreiches Programm  „Erlebte Geschichte“ 


Dr. Werner Jung, Direktor des NS-Dokumentationszentrums
Foto: arbeiterfotografie.com
 
Das mehrfach preisgekrönte Konzept der Kölner Museumsspezialität überzeugt durch Vielfalt und Breite seiner wissenschaftlichen Arbeit. Es reflektiert die Spielräume von Widerstand bis Nichtanpassung und zeigt die Vielzahl der verschiedenen Opfergruppen. Schon die Entstehungsgeschichte des Hauses ist äußerst ungewöhnlich. Der heutige Direktor, Dr. Werner Jung, weist darauf hin, dass es „bekanntlich bürgerschaftlichen Engagements“ bedurfte, „um überhaupt den Erhalt der Zellen und der Inschriften zu gewährleisten.“ Es war 1979, als sich der Lehrer Kurt Holl mit dem Fotografen Gernot Huber über Nacht in die ehemaligen Gestapo-Zellen im Keller des Hauses einschließen ließ, das nach dem Krieg ganz unverfänglich als Rechtsamt öffentlich genutzt wurde. Erschütternde Wandinschriften von Häftlingen drohten für immer verloren zu gehen. Sie sollten im Rahmen einer „Renovierung“ übertüncht werden. Heute befindet sich in dem nach seinem Erbauer Leopold Dahmen benannten EL-DE Haus eine deutschland- wenn nicht weltweit einzigartige Einrichtung.


Zugang zum ehemaligen Keller der Gestapo
Foto: arbeiterfotografie.com 
 
Das NS-Dokumentationszentrum ist nicht nur Museum und Gedenkstätte, es ist mit mehreren angegliederten Initiativen Mitinitiator eines umfangreichen Programms, das die Vergangenheit für die Gegenwart lebendig und bedeutsam macht - vor allem für die Jugend, die in NS-Zeiten besonders im Fokus totaler Vereinnahmung stand. Widerständigen Jugendgruppen wie den Navajos und den Edelweißpiraten verhalf das NS-Dokumentationszentrum zu später gesellschaftlicher Rehabilitation, ebenso wie Verfolgten der Wehrmachtsjustiz, Deserteuren, für die in Sichtweite des Museums und Kölner Doms im September dieses Jahres eines der bedeutendsten Denkmäler auf öffentlichem Grund errichtet wird. Auf der einen Seite geht es um die Umsetzung eines künstlerischen Denkmalentwurfs, auf der anderen Seite beispielsweise um die von der Kölner Künstlerin Karin Richert gepflegte Datenbank aller internationalen Verlegeorte des Bildhauers und Stolpersteinkünstlers Gunter Demnig. Letztere ist als Bestandteil eines umfangreichen Dokumentations- und Medienkonzeptes auch über das Internet einsehbar.
 
In drei Jahren Erweiterung
 
„Vor 27 Jahren wurde die Gedenkstätte Gestapogefängnis eingeweiht“, erläutert anlässlich der Neugestaltung die Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes, „Jahre später (1987) beschloß der Rat, das NS-Dokumentationszentrum zu gründen.“ 1997, zehn Jahre danach, wurde die Dauerausstellung „Köln im Nationalsozialimus“ eröffnet. Im Mai 2009 wurde die Erneuerung der Gedenkstätte durch Zugang zum Tiefkeller und die Dauerausstellung durch Erweiterung um sechs Bereiche präsentiert, die fließend weiter fortgeführt werden soll, bis in drei Jahren - zum 30jährigen Bestehen der Gedenkstätte und zum 25jährigen Bestehen des NS-Dokumentationszentrums - eine große räumliche Erweiterung um zusätzliche 995 Quadratmeter inklusive Gebäudeinnenhof bevorsteht. (PK)

Weitere Informationen unter www.ns-dok.de

Online-Flyer Nr. 200  vom 03.06.2009

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