NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 03. Mai 2024  

zurück  
Druckversion

Kultur und Wissen
Jutta Ditfurth: „Zeit des Zorns – Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft“
Das (noch?) viel zu schwache „Gespenst“
Von Dieter Braeg und Peter Kleinert

Es gehe ein Gespenst um in dieser Welt - das Gespenst des Kommunismus, stellte einst Karl Marx fest - im Kommunistischen Manifest: „Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbündet." Liest man dann, wie die Wirkung dieser Vereinigten Mächte ist und war, die schon länger als seit 1848, als das Kommunistische Manifest erstmals veröffentlicht wurde, die Hetzjagd erfolgreich betreiben, wird klar: es könnte noch dauern. Jammern hilft da aber nicht, eher schon die Lektüre von Jutta Ditfurths Streitschrift, die viele Leserinnen und Leser verdient. Schon auf der ersten Seite wird deutlich, dass es nicht leicht sein wird:

Jutta Ditfurth - Aufruf zur "sozialen 
Revolution"
Quelle: www.oekolinx-arl.de
„Staatliche Obrigkeit und Kapital ahnen, dass es in den Köpfen Hunderttausender, wenn nicht Millionen Menschen brodelt. Aber Politiker wie Manager sind so weit vom normalen Leben der Menschen entfernt, dass sie vom Ausmaß der großen Wut nichts wissen. Oft sind nur Chauffeure, Taxifahrer und Pförtner ihr stark gefilterter Kontakt zum wirklichen Leben, den Rest der Gesellschaft "erklären" ihnen die BILD-Zeitung und Gala."
 
Groschenzeitungswelt
 
Diese Groschenzeitungswelt, die den Auftrag hat, Groschenhirne mit Groschenbewußtsein zu erzeugen, hat kein Problem, sich mit Begriffen zu schmücken, für die die internationale Arbeiterbewegung geblutet hat und die ihr jetzt wieder entrissen werden sollen. Die Sklaverei kehrt zurück, schön versteckt hinter den Wortungetümen "Zeitarbeit" und "Praktikum", die "Verstaatlichung", die die abgewirtschaftete Politik fordert, ist eine, bei der, wie immer, das Kapital überlebt, das sich nun hinstellt und dort den eigenen betrügerischen Konkurs retten lässt, wo es bisher seine Profitmaximierung bezog - beim Volk!
 
„Der Kapitalismus zerbricht nicht, sondern er verwandelt sich - einmal mehr. Der Staat wird eine Zeitlang einige Sektoren beeinflussen, er ist der Garant für das Fließen der Finanzströme und wird dafür sorgen, dass der bargeldlose Zahlungsverkehr aufrechterhalten wird. Ohne staatliche Regelung ist der Kapitalismus nie ausgekommen, das ist ein ebensolcher Mythos wie der Glaube, der Kapitalismus könne durch staatliche Regulierung krisenfrei werden", schreibt Jutta Ditfurth.
 
Die beiden einzigen Quellen des Reichtums
 
Ihre Streitschrift schildert eine Realität, die die Autorin ge- und erlebt hat. Es wird immer finsterer in dieser Welt, die freie Meinungsäußerung, demokratische Grundrechte, Pflicht zum Widerstand - sie werden Schritt für Schritt aus dem Leben der Menschen entfernt. Solidarische Modelle wurden und werden vernichtet und ausgehebelt. Da diskutiert ein Betriebsrat, ob Opel von FIAT oder Magna übernommen werden soll, und verschweigt, dass vor wenigen Monaten Magna seine Mitarbeiter in Österreich gezwungen hat "freiwillig" auf bis zu 20% der Einkünfte zu verzichten. "Arbeitsplatzrettungserpressung" wird so was genannt, und still schauen die Vorstände der Gewerkschaften zu, bis sie nur noch Filialen der Kapitalverbände sind. Vor dem "Gespenst" das da mal umging, fürchten sich die, die es betrifft, schon lange nicht mehr.
 
"Der Kapitalismus ist schon im Normalzustand eine Katastrophe für Mensch und Natur. Es gibt ihn nicht ohne Profit und nicht ohne Ausbeutung. Die beiden einzigen Quellen des Reichtums sind die Arbeitskraft des Menschen und die Naturressourcen. Der Kapitalismus strebt danach, sich diese Quellen allen Reichtums zu unterwerfen und sie maximal zu verwerten. Daß der Mensch dabei ruiniert, um Glück und Gesundheit und oft genug das Leben gebracht wird, daß die Natur dabei so vergiftet und zerstört wird, daß der Mensch in ihr nicht mehr gesund leben kann, ist dem Kapital vollkommen gleichgültig. "Die kapitalistische Produktion", schreibt Karl Marx 1867 im ersten Band des Kapitals, "entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen des Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter." stellt Jutta Ditfurth fest. Nach ihrer "Streitschrift" müssen wir zu streitbarem Handeln finden.
 
Weiter "von Wahl zu Wahl"?
 
"Sackgasse Linkspartei" heißt übrigens das achte Kapitel dieser Streitschrift, und es sollte zur Pflichtlektüre des "Karl Liebknecht Amtes" werden. Schritt für Schritt für Schritt, doch verändern, das will se nicht, die Partei, kann man da nur konstatieren. Auch da, in ihrem Bürokratiedschungel, entsteht nichts Streitbares. Das zurzeit im Entwurf vorliegende Programm zur Bundestagswahl zeigt das deutlich. Trotz wütender Proteste eines großen Teils der Mitgliedschaft scheint man nicht bereit, Entscheidendes im Sinne einer kämpferischen Systemänderung durchzusetzen. "Von Wahl zu Wahl" heißt die Devise, und endlich zur mobilisierenden Basisarbeit (Betriebsgruppen mit Betriebszeitungen, Initiativen in Bereichen sozialer Brennpunkte) zu finden, das ist die Ausnahme.
 
Jutta Ditfurth gibt auch Antworten, wie man zu streiten hat und mahnt: „Allen wirklichen Fortschritt für die Mehrheit der Menschen gibt es nur als Resultat von sozialen Kämpfen. Nie ist eine grundsätzliche soziale Reform - die diesen Namen wirklich noch verdient hätte - im Parlament eines kapitalistischen Staates geboren worden. Immer waren ihre Voraussetzungen außerparlamentarische Kämpfe; manchmal, wenn diese Kämpfe stark genug waren, konnte politischer Druck entfacht werden, der auch Parlamentsparteien und Regierungen in Zugzwang brachte, so daß diese Institutionen die - meist verwässerten Versionen der ursprünglichen - Forderungen in Gesetze und Verordnungen gossen."
 
Also: keine Rückzugsgefechte! Lohnverzicht einstellen! Überwachungswahnsinn bekämpfen! Es gibt viel zu tun, das Gespenst zu kräftigen, damit es stark genug wird, dem Kapitalismus Paroli zu bieten. „Die Mittel, durch die wir dieses Ziel erreichen könnten“, fasst die Autorin im letzten Absatz ihr Buch zusammen, „werden manche eine soziale Revolution nennen. Einverstanden.“ (PK)
 

Dieter Braeg ist Redakteur der Onlinezeitung scharf-links. Siehe http://www.scharf-links.de. 


Jutta Ditfurth "Zeit des Zorns - Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft". Droemer Verlag München 2009, 267 Seiten, 16,95 €, ISBN 978-3-426-27504-7. 


Jutta Ditfurth ist Soziologin, Publizistin und aktiv in der außerparlamentarischen Linken. Sie war Mitgründerin der Grünen, von 1984 bis 1988 deren Bundesvorsitzende. 1991 trat sie aus. Heute gehört sie zur Ökologischen Linken.   
 


Die nächsten bereits feststehenden Lesungstermine von Jutta Ditfurth:
Do. 28.5.2009, 19:00 Uhr, BERLIN, Lesung und Diskussion über "ZEIT DES ZORNS. Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft", JW-Ladengalerie, Torstr. 6, Eintritt 6 Euro/4 Euro. Moderation: Michael Mäde
Fr. 29.5.2009, 20:30 Uhr, LEIPZIG, Lesung und Diskussion über "Ulrike Meinhof. Die Biografie", Veranstaltungsort: Frauenkultur Leipzig e.V., Windscheidstr. 51, 04277 Leipzig, Tel. & Fax: 0341-2130030. Eintritt: 6 Euro / ermässigt: 4 Euro für Studierende und Leipzig Pass, AK + VVK. in der Frauenkultur. Veranstaltung für Frauen und Männer.
Fr. 12.6.2009, JENA,
Sa. 18.7.2009, BIELEFELD
Sa. 7.11.2009, KÖLN
Sa. 28.11.2009, 15:00 Uhr, NÜRNBERG, Linke Literaturmesse
Di. 8.12.2009, BREMERHAVEN

Online-Flyer Nr. 199  vom 27.05.2009

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE