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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Globales
Eine Kuba-Reise- und Fotoreportage
Arm, aber standhaft
Von Johannes Heckmann

„Die Welt ist nicht reif für den Sozialismus – noch nicht“, doziert Jorge, gelernter Lehrer, vor der geneigten Schar kanadischer Touristen. Der waschechte Kubaner, dessen Name aber wie auf Englisch George ausgesprochen wird, arbeitet als Animateur in einem All-Inklusive-Ressort und führt gerade Ausflugswillige durch ein nahe gelegenes, ärmlich anmutendes Fischerdorf. Denn, wie er zu sagen pflegt: „Wer das Hotel nicht verlässt, hat Kuba nicht gesehen.“ Umgekehrt nimmt das Gros der Kubaner nur wenig Notiz von der Parallelwelt Hotel. Der Tourismus bringt Kuba seit der großen ökonomischen Krise der 90er Jahre die benötigen Devisen.


Kuba, Touristen, eine Fotoreportage von Johannes Heckmann
Jorge erklärt kanadischen Touristen die kubanischen Lebensverhältnisse
Alle Fotos: Johannes Heckmann

Hurrikan „Ike“ aus dem Vorjahr hat tiefe Spuren hinterlassen. Die Beseitigung der Schäden ist allenfalls provisorisch erfolgt. Das Embargo gegen Kuba wurde, trotz Bitten der kubanischen Regierung, auch nach der Sturmkatastrophe nicht ausgesetzt. Manch abgedeckte Hütte wird nun von einer grünen Plane geziert – einem gängigen Mitbringsel der gar nicht mehr so fremden Dorfbesucher. Viele Hütten sind – bis auf das Fundament – ganz verschwunden. Jorge führt in den Raum der Grundschule, wo die Gäste von stramm stehenden Jungpionieren mit einem tosenden Schwur auf Che Guevara begrüßt werden.

Kuba, Schule, eine Fotoreportage von Johannes Heckmann
Touristen „versorgen“ die Grundschüler
Die Touristen verteilen ihre Schokokekse und werden weiter ins dorfeigene Hospital geleitet. Nicht ohne Stolz erzählt Jorge dort von der guten und kostenlosen medizinischen Versorgung für alle Kubaner. Den Ärzten gehe es dank ihrer Privilegien vergleichsweise gut. Sie bekommen schon mit Anfang 50 ihre Rente und machen Platz für den Nachwuchs, der flächendeckend und zu Genüge ausgebildet wird. Die nicht im Land benötigten Mediziner werden als Entwicklungshelfer an befreundete Staaten wie Venezuela „ausgeliehen“. Kubaner müssen nach ihrer Ausbildung drei Jahre für den Staat arbeiten.

Kuba, Santiago de Cuba, rebellisches schild, eine Fotoreportage von Johannes Heckmann
Santiago de Cuba: „Gestern rebellisch,
heute gastfreundlich, (doch) immer heroisch“ 
Auf Kuba bezieht man für gewöhnlich ein staatliches Salär von umgerechnet etwa 25 Euro, dazu gibt es staatlich subventionierte Lebensmittelrationen. Da dies den tatsächlichen Bedarf nicht deckt, muss vieles auf dem Schwarzmarkt teuer dazugekauft werden. Jorge, der den Schwarzmarkt offiziell nicht unbedingt anpreisen darf, berichtet freimütig, dass die Fischer im Dorf gezwungen sind, für die nötigen Extras den einen oder anderen Fisch schwarz zu verkaufen.

Die wahrscheinlich besten Jobs auf Kuba seien Barkeeper gefolgt von Zimmermädchen – der  Trinkgelder ausländischer Touristen wegen. Das Geld aber, erzählt Jorge, würde gesammelt und unter allen Hotelangestellten gerecht verteilt. Die Touristenwährung Peso Convertible, kurz CUC, die 2004 den Dollar ablöste, kann nur von Kubanern in kubanische Peso umgetauscht werden. Für schlappe 300 CUC, etwa 250 Euro, können „Luxusgüter“ wie beispielsweise ein kleiner, veralteter Fernseher erworben werben. Daneben zieren noch Videorekorder die spärlich gefüllten Schaufenster. Internet für Privathaushalte gibt es noch so gut wie gar nicht. Werktags ist das Netz zwischen 9 und 17 Uhr regelmäßig überlastet.

Kuba, Miami 5, eine Fotoreportage von Johannes Heckmann
Sie warten auch noch auf ihren Charterflug     
aus den USA: die „Miami Five“
Neuerdings verkehren sogar Chartermaschinen amerikanischer Airlines zwischen Miami und der Insel und ermöglichen somit Familienbesuche von in Florida lebenden Kubanern. Ein erstes Signal der in Not geratenen US-Regierung sich gegenüber Kuba zu öffnen, respektive Sympathien der Kubaner zu erhaschen.

Wet feet hasta siempre?

Ein „besseres“ Leben außerhalb Kubas ist Jorges Sache nicht – allein schon der Familie wegen. Er sagt, jeder Erwachsene müsse das letztlich für sich entscheiden. Niemand werde gehindert, Kuba zu verlassen. Es gebe lediglich ein Gesetz, das es untersagt, Minderjährige mit auf die gefährliche Seereise zu nehmen. Den fünf Meter hohen Wellen inmitten des Atlantiks sind die zur Flucht genutzten Fischerboote in der Tat oftmals nicht gewachsen. Erreichen flüchtige Kubaner dennoch US-amerikanischen Boden, dürfen sie gemäß der dort für Kubaner angewandten „Wet-Foot Dry-Foot-Politik“ im Land bleiben, sofern sie auf trockenem Boden und nicht bereits im Wasser aufgegriffen werden. Ein Anreiz, der immer wieder Kubaner dazu verleitet, dem Ruf der US-hofierten Exilgemeinde zu folgen – eine Spielart psychologischer Kriegsführung eben.

Am Rollfeld des Internationalen Flughafen Holguin ist für jeden ankommenden oder abfliegenden Fluggast in großen Lettern „Sozialismus oder Tod“ zu lesen. Der eine mag es eher als Warnung, der andere als Appell verstanden wissen. Auf der Fahrt nach Santiago de Kuba entfalten diese Worte ihre ideologische Bedeutung. Auf martialischen Tafeln prangern am Wegesrand die Bildnisse von Fidel und Che nebst Erinnerungen an den Blutzoll der Kubanischen Revolution. Die Idee der Revolution als fortwährender Kampf soll in den Köpfen der Kubaner mit aller Macht präsent bleiben: „Hasta la victoria siempre“.

Kuba, Antonio Maceo, eine Fotoreportage von Johannes Heckmann
„Nur auf die Knie, um unsere Toten zu ehren“ – Bildnis von Antonio Maceo, General des kubanischen Unabhängigkeitskrieges


Kuba, Fidel Castro, Hugo Chavez, eine Fotoreportage von Johannes Heckmann
Neue Helden braucht das Land – links Venezuelas Präsident Hugo Chávez:
ein Held, quasi im Entstehen


Quo vadis, Kuba?


Kuba, wohin gehst du?, eine Fotoreportage von Johannes Heckmann
Wohin gehst du, Kuba? Oder bleibst du vorerst an der Ecke stehen?


Kuba, Cuba-Taxi, eine Fotoreportage von Johannes Heckmann
Ein „Cuba-Taxi“ nach US-Zuschnitt, natürlich vor der Kredit- und Kommerzbank (wo sonst?!)
                                                                                   
Die Fahrtüchtigkeit der unzähligen Oldtimer zeigt symbolisch, wie sich das kubanische Volk durch Kreativität und Erfindungsreichtum seit langem mit Mangelware und internationaler Isolation arrangiert und so sehr kreativ kubanische Identität prägt: Unmengen an frischer Farbe, mit denen der fortschreitende Verfall vieler Gebäude übertüncht wird, sorgen nicht nur für neuen Charme und ein farbenfrohes Stadtbild, sondern zeugen auch von einem unbeugsamen Willen, den widrigen Lebensumständen mit Würde und Stolz zu trotzen. Die Musikalität der Stadt Santiago steht für Lebhaftigkeit und trägt die Erinnerung an vergangene, bessere Zeiten.


Kuba, buena vista straßencombo, eine Fotoreportage von Johannes Heckmann
Buena vista und noch vielmehr ein Hörerlebnis:
Kubanische Straßenmusikanten

Medwedew oder Ratzinger?

In jüngerer Zeit war der Besuch Medwedews im Oktober ein ähnlich stark beachtetes Ereignis wie der Papstbesuch 1998. Über die Hälfte der Kubaner bekennen sich mittlerweile offen zum Katholizismus. Nur in etwa 15 Prozent gehören der kommunistischen Einheitspartei an. Das eine schloss das andere viele Jahre lang aus. Einiges spricht also dafür, dass Kubaner sich weder von außen noch durch die eigene Regierung großartig beeinflussen lassen. Sie haben gelernt, soweit möglich, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Viele erscheinen politikmüde und reden im Alltag am liebsten über Baseball, den kubanischen Nationalsport.

Die grassierende Weltwirtschaftskrise macht aber auch vor Kuba nicht halt. Urlauber bleiben aus, Hotels drohen zu schließen, neue Hotelprojekte verzögern sich. Die wirtschaftliche Gesamtsituation hat sich zwar – nicht zuletzt des Tourismus wegen – seit der großen Krise der 90er Jahre verbessert. Allerdings droht der strukturelle Wandel auch egalitäre sozialistische Traditionen aufzuweichen – nicht zuletzt des Tourismus wegen.

Kuba, antonio maceo, patria, eine Fotoreportage von Johannes Heckmann
Nochmal Volksheld Maceo: „Das Vaterland zuerst“

Die vertieften diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Venezuela scheinen dennoch mehr als ein Silberstreif am Horizont zu sein. Die Castro-Regierung möchte ihr politisches Erbe in trockene Tücher bringen, ihre persönliche Nachfolge hingegen ist weiterhin völlig unklar. Hier drohen Unwägbarkeiten. Eine Wiederaufnahme der Beziehungen mit den USA wird von vielen Kubanern aber grundsätzlich weiterhin abgelehnt. Auch aktuelle Charme-Offensive eines Obamas wird daran nichts ändern.

Kuba, schrottbus, eine Fotoreportage von Johannes Heckmann

Importgüter werden ohnehin vermehrt aus China bezogen, wenngleich diese nicht den besten Ruf genießen. So erzählt ein Dorfbewohner wehmütig von seinem Kühlschrank russischen Fabrikats, der 30 Jahre tadellos funktionierte, bis er ihn durch einen chinesischen ersetzte. Dieser musste binnen zwei Jahren schon fünfmal repariert werden. Alte Freundschaft rostet nicht! (CH)

Kuba, Moped, santiago de cuba, eine Fotoreportage von Johannes Heckmann
Alle Fotos: Johannes Heckmann

Online-Flyer Nr. 195  vom 29.04.2009

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