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Lokales
Interview mit der Kölner Künstlerin Karin Richert
Zensurmaßnahme gekippt
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Bei der Eröffnung der Ausstellung der Kölner Künstlerin Karin Richert mit fotografischen Arbeiten aus den Serien “Auf und an den Wegen“ sowie “Kommunikation im öffentlichen Raum“ im Bezirksrathaus Köln-Lindenthal am Freitag, 17. April, fehlten zwei Bilder. Sie waren Opfer einer Zensurmaßnahme geworden.

Wehrte sich erfolgreich gegen Zensur 
- Karin Richert
Zwei Bilder, die Pro Köln zum Thema haben, hat Bürgeramtsleiter Walter Stocker abhängen lassen. Wie hat er diesen Schritt begründet?

Er fühlt sich einer politischen Neutralität verpflichtet, will “Pro Köln“ keine Plattform schaffen und hat Angst, von “Pro Köln“ verklagt zu werden. Von sich aus hat er mich über seinen Eingriff in keiner Weise informiert. Erst als ich dort anrief, um eine Frage zur Vernissage zu klären, hat er mir beiläufig mitgeteilt, daß er zwei Bilder hat abhängen lassen.

Mit wem wurde die Ausstellung vereinbart. Gab es irgendwelche Bedingungen oder Auflagen?

Vereinbart wurde die Ausstellung mit Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Ferker (CDU). Ich habe ihr eine Mappe mit meinen Arbeiten vorgelegt. Sie hat also gewußt, worum es geht. Sie hat die Ausstellung ohne Wenn und Aber akzeptiert. Sie wollte eine politische Ausstellung. Dazu steht sie auch heute noch. Aber der Bürgeramtsleiter hat das Hausrecht.

Wie hast Du auf die Zensurmaßnahme reagiert?

Ich war fassungslos, stinksauer. Ich habe darauf bestanden, dass die Strippen, an denen die Bilder aufgehängt waren, hängen bleiben, damit jeder der Eröffnungsgäste sehen kann, was hier vorgegangen ist. Das Abhängen war ein Eingriff in meine künstlerische Freiheit. Ich habe das als Zensurmaßnahme und Schritt des vorauseilenden Gehorsams gesehen und die Presse entsprechend verständigt. Das war am 16. April, einen Tag vor der Eröffnung.



Was erwiderst Du auf die Behauptung von Herrn Stocker, Deine Bilder seien eine Verunglimpfung einer demokratisch gewählten Partei?

Meine Arbeit ist eine Dokumentation aus dem öffentlichen Raum von Bürgern der Stadt. Sie befaßt sich mit Aussagen von Menschen, die hier leben. Es muß die Frage gestellt werden, in wie weit “Pro Köln“ eine demokratische Partei ist.

Die Neven-DuMont-Presse (Kölner Stadt-Anzeiger und Kölnische Rundschau) hat über den Vorgang berichtet. Wie ist es dazu gekommen?

Das war Folge meiner Anrufe bei der Presse. Am Dienstag (21.4.) nach der Ausstellungseröffnung ist ein Artikel im Kölner Stadt-Anzeiger, am Donnerstag (23.4.) ist ein weiterer in der Kölnischen Rundschau erschienen.

Inzwischen hängen die beiden umstrittenen Bilder (wieder). Wie ist das erreicht worden?

Ich habe den Vorgang gegenüber Bürgeramtsleiter Stocker als Zensur bezeichnet. Obwohl er zu keinem Gespräch mit mir bereit war, solange ich das Wort Zensur verwende, er meine Sichtweise vehement von sich gewiesen und seinen Schritt als Sicherstellung deklariert hat, bin ich dabei geblieben. Ich habe dann über meinen Anwalt für Mittwochmorgen (22.4.) einen Termin vereinbart, bei dem mein Anwalt Dr. Louis Peters, Bürgeramtsleiter Stocker und ich zugegen waren. Wir haben uns schließlich auf eine etwas andere Hängung geeinigt und diese dann auch gleich in die Tat umgesetzt. Die beiden Pro-Köln-Bilder hängen jetzt neben “Ausländer bleiben“ und nicht mehr neben “Gib Nazis keine Chance“.

Pro Köln nennt Dich eine linksextreme Szene-Fotografin. Wie bewertest Du diese Bezeichnung?

Da ich bildende Künstlerin und ein politischer Mensch bin, vertrete ich die Auffassung, daß die Kunst Stellung beziehen und sich einmischen muß.


Alle Fotos: Karin Richert

Pro Köln sieht in dem Graffiti Pro Köln zerschlagen (von ihr falsch mit Zerschlagt Pro Köln wiedergegeben) einen Aufruf zur Gewalt, der nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei. Wie stehst Du zu diesem Vorwurf?

Ich bin der Ansicht, daß das Graffiti durch das Recht auf freie Meinungsäußerung und mein Grundrecht auf künstlerische Freiheit gedeckt ist. Ich sehe in dem Graffiti keinen Aufruf zur Gewalt. Der Vorwurf ist völlig undifferenziert - auf gut deutsch totaler Quatsch.

Was ist die Intention der Ausstellung und Deines künstlerisch-fotografischen Wirkens insgesamt?

Wie gesagt: Kunst muß sich einmischen. Es geht mir darum, über mein künstlerisches Schaffen Bewußtseinsprozesse auszulösen und die Betrachter auf gesellschaftskritische Fragen aufmerksam zu machen, vor allem auf das Thema Rechtsextremismus - auch weil wir gegenüber der Jugend eine Verantwortung haben.

Du nimmst mit Deinem künstlerischen Wirken also Stellung gegen Rechtsextremismus. Wie definierst Du Rechtsextremismus? Siehst Du auch bei etablierten Parteien rechtsextreme Positionen (Abschiebepraxis, Krieg...)?

Rechtsextremismus manifestiert sich in menschenverachtender Gesinnung gegenüber anderen Menschen (Ausländern, politisch Andersdenkenden, Andersgläubigen, Menschen anderer Nationen und Hautfarben). Es gibt eine Reihe von Fällen, in denen Politiker etablierter Parteien und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nicht darauf achten, was sie sagen, und dadurch dazu beitragen, daß Rechtsextremismus gesellschaftsfähig wird.

Gab es Reaktionen, aus denen hervorgeht, in wie weit Du mit Deinen Intentionen erfolgreich warst?

Viele Menschen haben auf meine Arbeit positiv reagiert. Ich habe den Eindruck, eine wichtige Diskussion ausgelöst zu haben. Und ich habe weitere Ausstellungsangebote erhalten. Das zeigt mir, daß ich mit meinem Anliegen verstanden werde.

Hat die Auseinandersetzung um Deine Ausstellung dazu beigetragen, daß Deine Botschaft in der Öffentlichkeit angekommen ist?

Gewiß hat die Auseinandersetzung, die auch in der Presse veröffentlicht wurde, befördernd gewirkt.

Bist Du dem Bürgeramtsleiter Walter Stocker letztlich dankbar für sein Verhalten? Schließlich hat Deine Ausstellung dadurch mehr Öffentlichkeit gefunden?

Kein Kommentar! (PK)


Ausstellung von Karin Richert mit fotografischen Arbeiten aus den Serien “Auf und an den Wegen“ sowie “Kommunikation im öffentlichen Raum“ im Bezirksrathaus Köln-Lindenthal, Aachener Str. 220
17. April bis 6. Mai 2009
Öffnungszeiten: Montag, Mittwoch und Freitag 7:30 bis 12 Uhr, Dienstag 7:15 bis 18 Uhr, Donnerstag 7:30 bis 12 und 14 bis 16 Uhr

Alle Fotos: Karin Richert

Online-Flyer Nr. 195  vom 29.04.2009

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