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Globales
Frankreich erobert seine ehemalige Kolonie Madagaskar zurück
Neokolonialer Zank beendet
Von David Noack
Deutscher Interims-Expräsident
Marc Ravalomanana
Nachdem die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung ihren Kandidaten Ravalomanana aufgebaut hatte, obsiegte dieser in der Präsidentschaftswahl 2001 und konnte seine Macht nach einigen Tumulten behaupten. Ex-Präsident Ratsiraka floh ins Exil nach Frankreich. Dass der neue Präsident Ravalomanana der Mann der Deutschen war, wurde gleich bei der Amtseinführung klar: Der bundesrepublikanische Kulturvertreter auf der Insel schwenkte während des Zeremoniells die schwarz-rot-goldene Flagge.
Seit 2002 öffnete sich Madagaskar auch für deutsche Konzerne. Der Bundespräsident besuchte die Insel zweimal – eine lange Freundschaft mit Ravalomanana ist überliefert. Die erste Auslandsreise des madagassischen Präsidenten wiederum ging nach Deutschland. Insgesamt besuchte er die Berliner Republik dreimal – Ravalomananas Sohn und die Schwiegertochter studieren in Heidelberg. Mehrere Berater der Bundesrepublik wurden in die madagassischen Ministerien für Finanzen, Inneres und Energie entsandt. Ein Deutscher wurde sogar zum engsten Berater des Präsidenten berufen.
Der Botschafter Antananarivos in Deutschland sagte in einem Interview im Jahr 2005: „Made in Germany ist für uns nicht nur ein Begriff von Verarbeitungsqualität, sondern ein Markenzeichen für Benehmen, Verhalten und Geist, das für uns Vorbild ist. Hier meine ich Werte, Grundeinstellungen, Disziplin und Organisationsfähigkeit.“ Schließlich versuchte Ravalomanana, die Hoffnung der deutschen neokolonialen Ambitionen, den endgültigen Ausbruch aus der französischen Einflusssphäre: Die französische Sprache sollte durch Englisch als Amtssprache ersetzt werden.
„ Disziplin und Organisationsfähigkeit“: „Kehrwoche“ in Atsinanana
Foto: Gloumouth1
„Wir lagen vor Madagaskar...“
Militärisch jedoch konnte sich Deutschland nicht dauerhaft festsetzen. Mit dem nahegelegenen Südafrika konnte die Bundesrepublik ihre Kooperation erweitern, Militärberater und eigene Soldaten zur Ausbildung dorthin schicken und mit den südafrikanischen Streitkräften mehrere Manöver durchführen. Während einer Expedition des Einsatz- und Ausbildungsverband 2008 lagen drei deutsche Kriegsschiffe nur wenig weiter östlich in Mauritius vor Anker, besuchten Madagaskar aber nicht. Stattdessen nutzte die Insel ihre wachsende Unabhängigkeit und orientierte sich nach Indien. 2007 eröffnete das südasiatische Land einen Horchposten in Madagaskar.
Doch nun weht der Wind wieder aus Paris. Vergangenen Sommer wurde Gildas Le Lidec zum französischen Botschafter auf der „roten Insel“ ernannt. Präsident Ravalomanana wurde misstrauisch, schließlich war Le Lidec im Jahre 2000 Botschafter im Kongo und von 2002 bis 2005 in der Elfenbeinküste, während dort pro-französische Aktivitäten Paris missliebige Präsidenten in Bedrängnis brachte. In madagassischen Zeitungen war zu lesen: „Er ist hier, um den Präsidenten zu erschießen!“ Der Botschafter wurde nach nur fünf Monaten zur „persona non grata“ erklärt und musste das Land verlassen.
Andry Rajoelina
November 2008
Die „alte Garde“ um Ex-Präsident Ratsiraka traf sich Weihnachten vergangenen Jahres und plante den Umsturz. Die Hoffnung setzten die Franzosen in einen jungen Unternehmer namens Andry Rajoelina. Für die vergangenen Monate sind Telefon- und E-Mailverkehr von den Kontrollzentren Rajoelinas mit der französischen Kolonialbesitzung Réunion vor der madagassischen Küste bestätigt. Zwei französische Oberste kamen im Januar ins Land, um das Militär zu „beraten“.
Vive la „Révolution“
Im Verlauf des Januars kam es zu vielen Großdemonstrationen in der Hauptstadt Antananarivo. Höhepunkt war die Auto-Proklamation von Rajoelina zum neuen Präsidenten Ende des Monats. Die Beschäftigten des Wasserversorgungsunternehmens JIRAMA streikten gegen den deutschen Chef der Firma – die Firma ist im Besitz des deutschen Konzerns „Lahmeyer International“.[1]
Am 7. Februar eröffnete die Polizei der madagassischen Hauptstadt das Feuer auf oppositionelle Demonstranten. Die Schießerei kostete 28 Menschen das Leben. Eine versuchte Festnahme des Oppositionsführers Rajoelina ging schief, da dieser in die französische Botschaft flüchtete. Die „samtene Revolution“ kam ins Stocken. Doch dann begann die militärische Revolte – und das nachdem Frankreich „Militärberater“ entsandt hatte. Mehrere Einheiten stellten den Oberbefehl des derzeit noch amtierenden Präsidenten in Frage. Marc Ravalomanana trat die Flucht nach vorne an: Er schlug ein Referendum über die Präsidentschaft vor. Ein kluger Schachzug, da Rajoelina bei der Landbevölkerung nahezu unbekannt ist.
Demonstrationen in Antananarivo im Januar | Foto: fanalana azy
Doch oppositionelle Militäreinheiten rückten weiter vor und nahmen am 16.3. den Präsidentenpalast ein. Der „Noch-Präsident“ flüchtete in seinen Privatpalast, trat jedoch bald zurück. Rajoelina wurde als Übergangspräsident nominiert und kündigte an, in zwei Jahren Wahlen durchführen zu wollen – genügend Zeit, um zwischendurch im Land bekannt zu werden. Mittlerweile kehren viele Funktionäre der „alten Garde“ aus französisch-dominierter Zeit zurück. Deutschland stellte seine Entwicklungshilfearbeit in dem Land umgehend ein. [2]
Das deutsche Interesse an der Insel hat Vorläufer im vorvergangenen Jahrhundert: 1883 schloss Kaiser Wilhelm I. und die madagassische Königin einen Freundschafts- und Wirtschaftsvertrag. Das geschah sieben Jahre bevor Frankreich seine Kolonialhoheit über die Insel behaupten konnte. Nun konnte Paris erneut seine Dominanz zur Schau stellen. (CH)
Fußnoten:
[1] Pikanterweise steht die Firma seit 2006 wegen Korruption in dem südafrikanischem Land Lesotho sogar auf der schwarzen Liste der Weltbank und wird seit 2007 auch von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung gesperrt, Anm. d. Red.
[2] Als Folge des quasi Staatsreiches setzte die Afrikanische Union die Mitgliedschaft Madagaskars aus , Anm. d. Red.
Online-Flyer Nr. 191 vom 01.04.2009
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Frankreich erobert seine ehemalige Kolonie Madagaskar zurück
Neokolonialer Zank beendet
Von David Noack
Deutscher Interims-Expräsident
Marc Ravalomanana
Seit 2002 öffnete sich Madagaskar auch für deutsche Konzerne. Der Bundespräsident besuchte die Insel zweimal – eine lange Freundschaft mit Ravalomanana ist überliefert. Die erste Auslandsreise des madagassischen Präsidenten wiederum ging nach Deutschland. Insgesamt besuchte er die Berliner Republik dreimal – Ravalomananas Sohn und die Schwiegertochter studieren in Heidelberg. Mehrere Berater der Bundesrepublik wurden in die madagassischen Ministerien für Finanzen, Inneres und Energie entsandt. Ein Deutscher wurde sogar zum engsten Berater des Präsidenten berufen.
Der Botschafter Antananarivos in Deutschland sagte in einem Interview im Jahr 2005: „Made in Germany ist für uns nicht nur ein Begriff von Verarbeitungsqualität, sondern ein Markenzeichen für Benehmen, Verhalten und Geist, das für uns Vorbild ist. Hier meine ich Werte, Grundeinstellungen, Disziplin und Organisationsfähigkeit.“ Schließlich versuchte Ravalomanana, die Hoffnung der deutschen neokolonialen Ambitionen, den endgültigen Ausbruch aus der französischen Einflusssphäre: Die französische Sprache sollte durch Englisch als Amtssprache ersetzt werden.
„ Disziplin und Organisationsfähigkeit“: „Kehrwoche“ in Atsinanana
Foto: Gloumouth1
„Wir lagen vor Madagaskar...“
Militärisch jedoch konnte sich Deutschland nicht dauerhaft festsetzen. Mit dem nahegelegenen Südafrika konnte die Bundesrepublik ihre Kooperation erweitern, Militärberater und eigene Soldaten zur Ausbildung dorthin schicken und mit den südafrikanischen Streitkräften mehrere Manöver durchführen. Während einer Expedition des Einsatz- und Ausbildungsverband 2008 lagen drei deutsche Kriegsschiffe nur wenig weiter östlich in Mauritius vor Anker, besuchten Madagaskar aber nicht. Stattdessen nutzte die Insel ihre wachsende Unabhängigkeit und orientierte sich nach Indien. 2007 eröffnete das südasiatische Land einen Horchposten in Madagaskar.
Doch nun weht der Wind wieder aus Paris. Vergangenen Sommer wurde Gildas Le Lidec zum französischen Botschafter auf der „roten Insel“ ernannt. Präsident Ravalomanana wurde misstrauisch, schließlich war Le Lidec im Jahre 2000 Botschafter im Kongo und von 2002 bis 2005 in der Elfenbeinküste, während dort pro-französische Aktivitäten Paris missliebige Präsidenten in Bedrängnis brachte. In madagassischen Zeitungen war zu lesen: „Er ist hier, um den Präsidenten zu erschießen!“ Der Botschafter wurde nach nur fünf Monaten zur „persona non grata“ erklärt und musste das Land verlassen.
Andry Rajoelina
November 2008
Vive la „Révolution“
Im Verlauf des Januars kam es zu vielen Großdemonstrationen in der Hauptstadt Antananarivo. Höhepunkt war die Auto-Proklamation von Rajoelina zum neuen Präsidenten Ende des Monats. Die Beschäftigten des Wasserversorgungsunternehmens JIRAMA streikten gegen den deutschen Chef der Firma – die Firma ist im Besitz des deutschen Konzerns „Lahmeyer International“.[1]
Am 7. Februar eröffnete die Polizei der madagassischen Hauptstadt das Feuer auf oppositionelle Demonstranten. Die Schießerei kostete 28 Menschen das Leben. Eine versuchte Festnahme des Oppositionsführers Rajoelina ging schief, da dieser in die französische Botschaft flüchtete. Die „samtene Revolution“ kam ins Stocken. Doch dann begann die militärische Revolte – und das nachdem Frankreich „Militärberater“ entsandt hatte. Mehrere Einheiten stellten den Oberbefehl des derzeit noch amtierenden Präsidenten in Frage. Marc Ravalomanana trat die Flucht nach vorne an: Er schlug ein Referendum über die Präsidentschaft vor. Ein kluger Schachzug, da Rajoelina bei der Landbevölkerung nahezu unbekannt ist.
Demonstrationen in Antananarivo im Januar | Foto: fanalana azy
Doch oppositionelle Militäreinheiten rückten weiter vor und nahmen am 16.3. den Präsidentenpalast ein. Der „Noch-Präsident“ flüchtete in seinen Privatpalast, trat jedoch bald zurück. Rajoelina wurde als Übergangspräsident nominiert und kündigte an, in zwei Jahren Wahlen durchführen zu wollen – genügend Zeit, um zwischendurch im Land bekannt zu werden. Mittlerweile kehren viele Funktionäre der „alten Garde“ aus französisch-dominierter Zeit zurück. Deutschland stellte seine Entwicklungshilfearbeit in dem Land umgehend ein. [2]
Das deutsche Interesse an der Insel hat Vorläufer im vorvergangenen Jahrhundert: 1883 schloss Kaiser Wilhelm I. und die madagassische Königin einen Freundschafts- und Wirtschaftsvertrag. Das geschah sieben Jahre bevor Frankreich seine Kolonialhoheit über die Insel behaupten konnte. Nun konnte Paris erneut seine Dominanz zur Schau stellen. (CH)
Fußnoten:
[1] Pikanterweise steht die Firma seit 2006 wegen Korruption in dem südafrikanischem Land Lesotho sogar auf der schwarzen Liste der Weltbank und wird seit 2007 auch von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung gesperrt, Anm. d. Red.
[2] Als Folge des quasi Staatsreiches setzte die Afrikanische Union die Mitgliedschaft Madagaskars aus , Anm. d. Red.
Online-Flyer Nr. 191 vom 01.04.2009
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