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Kultur und Wissen
Räume der Integration und Akkulturation für Zugewanderte?
Von der Yayla zum Kleingarten
Von Elisabeth Meyer-Renschhausen
Mitglieder des Netzwerks "Interkulturelle
Gärten" bei einer Besichtigung des
"Wuhlegartens" in Köpenick
Quelle: edoc.hu-berlin.de/Foto: Rosol
“Laubenpieper“ - nicht allzu wohlgelitten
Die Restriktionen, unter dem die Kleingärtner bis heute leiden, sind dem Umstand zu verdanken, dass die Erwerbsgärtner, die keine Konkurrenz wollten, dafür sorgten, dass die Kleingärten schön klein blieben. Und die Kommunen, die sich schon damals angewöhnt hatten, nach der Nase der "Investoren" zu tanzen, sorgten dafür, dass keine größeren Bäume angepflanzt werden durften – indem sie den “Laubenpiepern“ fast überall nur so genanntes "Bauerwartungsland" zur Verfügung stellten.
Seit den 70er Jahren waren die Kleingartenvereine daher seitens mancher Stadtverwaltungen, die offenbar “vergessen“ hatten, dass die kleinkarierte Verfassung den Kleingärtner durch kommunale Ausführungen zum Kleingartengesetz vorgeschrieben wird, nicht mehr allzu wohlgelitten. Und von manchen rotgrünen Politikern wurden sie zudem verdächtigt, zu viel Chemie zu benutzen und ausländerfeindlich zu sein.
Migranten rücken nach
Doch das scheint sich offenbar allmählich zu ändern, wie uns Anne Dünzelmann in ihrem Büchlein "Von der Yayla zum Kleingarten" zeigt. "Yayla" ist ein Wort aus dem Türkischen und bezeichnet den Garten, den Dörfler um ihr Haus herum haben, also den "Hof" des Hauses, den man schon immer auch für gärtnerische Zwecke verwandte. Heute, da die Deutschen das Interesse am Schrebergarten immer mehr verlieren und sich – zumindest in Westdeutschland – viele Migranten ein eigenes Haus mit Garten leisten können, rücken diese Migranten nach. So werden in vielen deutschen Kleingartenkolonien inzwischen bis zu 10, 20 und manchmal gar 30 Prozent der Parzellen von Bürgern mit Migrationshintergrund bewirtschaftet. Die neuen Schrebergärtner kommen aus der Türkei, den ehemaligen GUS-Ländern, aus dem ehemaligen Jugoslawien – kurzum aus aller Herren Länder. Auch wenn es oft mit den Sprachkenntnissen schwierig ist, erweisen sich die Kleingartenkolonien zunehmend als gutes Integrationsvehikel. Denn die Kleingartenverordnung gibt die Organisation der Laubenpieper in Kolonievereinen vor. Und dazu gehören auch Treffen der Vereinsmitglieder, Vorstandswahlen, Sommer- und Herbstfeste.
"Interkulturelle Gärten"
Seit 1996 kümmert man sich in den häufig kleineren "interkulturellen Gärten" bewusst in verstärktem Maße um die Integration von Neuzuwanderern. Das begann in Göttingen, wo heute schon fünf “interkulturelle Gärten“ existieren und wurde schnell ein republikweites Phänomen. In diesen Projekten können sogar Asylantinnen, die sich die ortsüblichen Abstandszahlungen für eine Kleingartenhütte niemals leisten könnten, ein Beet bekommen. Und sie können im Rahmen dieser "interkulturellen Gärten" einen unorthodoxen Gemeinschaftsgarten mitgestalten, da diese neuen "community gardens" – wie sie in den USA heißen – nicht unter den kleingartenüblichen Restriktionen zu leiden haben.
Neben der in den meisten Fällen gut funktionierenden Integrationswirkung der Gärten, haben die über eine Million Kleingärten und inzwischen etwa 80 interkulturellen Gemeinschaftsgärten auf deutschem Boden schon lange auch eine nicht zu unterschätzende Wirkung in Richtung nachhaltiger Stadtumbau. Das gilt auch im Hinblick auf die ökologischen Anforderungen, zu denen sich viele Städte im Rahmen des in Rio de Janeiro 1992 angestoßenen Agenda-21-Prozesses verpflichtet haben.
Biologische Vielfalt
Diese neuen Nachbarschaftsgärten haben wiederum den netten “Nebeneffekt“, dass die deutschen "Laubenpiepervereine" sich schneller als bisher auf die Zugezogenen zu bewegen. Und so sorgen in manchen Kolonien "Neue" und "Alte" sehr einträchtig nebeneinander dafür, dass die lebendige Biodiversität, die biologische Vielfalt von Gärten, als Hort für Singvögel und Kleingetier in unseren Städten erhalten bleibt, was Anja Dünzelmann an diversen Beispielen belegt. Und das ist, wie wir aus den neuesten Berichten von Umweltämtern, Naturschutzverbänden wie BUND und Nabu wissen, um so wichtiger, seitdem nicht nur die industrielle Landwirtschaft, sondern auch die unterfinanzierten Grünflächenämter der Kommunen immer stärker zu einer immer kruderen "Ausräumung" von Landschaften und städtischen Parks tendieren.
Darum gehört das Buch der Frankfurter Autorin Anne E. Dünzelmann, einer Buchhändlerin, Ethnologin und Privatgelehrten, nicht nur in die Hände von "Laubenpiepern", sondern auch in jede Hochschul- und Stadtbibliothek ebenso wie in die Bibliotheken von Integrationsbeauftragten und Nachbarschaftszentren. (PK)
Anne E. Dünzelmann, „Von der
Yayla zum Kleingarten.
Kleingärten – Räume der Integration und Akkulturation für Zugewanderte?“ 116 S., Frankfurt am Main: IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation 2007 (ISBN 978-3-88939-903-8) € 14,90
Online-Flyer Nr. 190 vom 25.03.2009
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Kultur und Wissen
Räume der Integration und Akkulturation für Zugewanderte?
Von der Yayla zum Kleingarten
Von Elisabeth Meyer-Renschhausen
Mitglieder des Netzwerks "Interkulturelle
Gärten" bei einer Besichtigung des
"Wuhlegartens" in Köpenick
Quelle: edoc.hu-berlin.de/Foto: Rosol
Die Restriktionen, unter dem die Kleingärtner bis heute leiden, sind dem Umstand zu verdanken, dass die Erwerbsgärtner, die keine Konkurrenz wollten, dafür sorgten, dass die Kleingärten schön klein blieben. Und die Kommunen, die sich schon damals angewöhnt hatten, nach der Nase der "Investoren" zu tanzen, sorgten dafür, dass keine größeren Bäume angepflanzt werden durften – indem sie den “Laubenpiepern“ fast überall nur so genanntes "Bauerwartungsland" zur Verfügung stellten.
Seit den 70er Jahren waren die Kleingartenvereine daher seitens mancher Stadtverwaltungen, die offenbar “vergessen“ hatten, dass die kleinkarierte Verfassung den Kleingärtner durch kommunale Ausführungen zum Kleingartengesetz vorgeschrieben wird, nicht mehr allzu wohlgelitten. Und von manchen rotgrünen Politikern wurden sie zudem verdächtigt, zu viel Chemie zu benutzen und ausländerfeindlich zu sein.
Migranten rücken nach
Doch das scheint sich offenbar allmählich zu ändern, wie uns Anne Dünzelmann in ihrem Büchlein "Von der Yayla zum Kleingarten" zeigt. "Yayla" ist ein Wort aus dem Türkischen und bezeichnet den Garten, den Dörfler um ihr Haus herum haben, also den "Hof" des Hauses, den man schon immer auch für gärtnerische Zwecke verwandte. Heute, da die Deutschen das Interesse am Schrebergarten immer mehr verlieren und sich – zumindest in Westdeutschland – viele Migranten ein eigenes Haus mit Garten leisten können, rücken diese Migranten nach. So werden in vielen deutschen Kleingartenkolonien inzwischen bis zu 10, 20 und manchmal gar 30 Prozent der Parzellen von Bürgern mit Migrationshintergrund bewirtschaftet. Die neuen Schrebergärtner kommen aus der Türkei, den ehemaligen GUS-Ländern, aus dem ehemaligen Jugoslawien – kurzum aus aller Herren Länder. Auch wenn es oft mit den Sprachkenntnissen schwierig ist, erweisen sich die Kleingartenkolonien zunehmend als gutes Integrationsvehikel. Denn die Kleingartenverordnung gibt die Organisation der Laubenpieper in Kolonievereinen vor. Und dazu gehören auch Treffen der Vereinsmitglieder, Vorstandswahlen, Sommer- und Herbstfeste.
"Interkulturelle Gärten"
Seit 1996 kümmert man sich in den häufig kleineren "interkulturellen Gärten" bewusst in verstärktem Maße um die Integration von Neuzuwanderern. Das begann in Göttingen, wo heute schon fünf “interkulturelle Gärten“ existieren und wurde schnell ein republikweites Phänomen. In diesen Projekten können sogar Asylantinnen, die sich die ortsüblichen Abstandszahlungen für eine Kleingartenhütte niemals leisten könnten, ein Beet bekommen. Und sie können im Rahmen dieser "interkulturellen Gärten" einen unorthodoxen Gemeinschaftsgarten mitgestalten, da diese neuen "community gardens" – wie sie in den USA heißen – nicht unter den kleingartenüblichen Restriktionen zu leiden haben.
Neben der in den meisten Fällen gut funktionierenden Integrationswirkung der Gärten, haben die über eine Million Kleingärten und inzwischen etwa 80 interkulturellen Gemeinschaftsgärten auf deutschem Boden schon lange auch eine nicht zu unterschätzende Wirkung in Richtung nachhaltiger Stadtumbau. Das gilt auch im Hinblick auf die ökologischen Anforderungen, zu denen sich viele Städte im Rahmen des in Rio de Janeiro 1992 angestoßenen Agenda-21-Prozesses verpflichtet haben.
Biologische Vielfalt
Diese neuen Nachbarschaftsgärten haben wiederum den netten “Nebeneffekt“, dass die deutschen "Laubenpiepervereine" sich schneller als bisher auf die Zugezogenen zu bewegen. Und so sorgen in manchen Kolonien "Neue" und "Alte" sehr einträchtig nebeneinander dafür, dass die lebendige Biodiversität, die biologische Vielfalt von Gärten, als Hort für Singvögel und Kleingetier in unseren Städten erhalten bleibt, was Anja Dünzelmann an diversen Beispielen belegt. Und das ist, wie wir aus den neuesten Berichten von Umweltämtern, Naturschutzverbänden wie BUND und Nabu wissen, um so wichtiger, seitdem nicht nur die industrielle Landwirtschaft, sondern auch die unterfinanzierten Grünflächenämter der Kommunen immer stärker zu einer immer kruderen "Ausräumung" von Landschaften und städtischen Parks tendieren.
Darum gehört das Buch der Frankfurter Autorin Anne E. Dünzelmann, einer Buchhändlerin, Ethnologin und Privatgelehrten, nicht nur in die Hände von "Laubenpiepern", sondern auch in jede Hochschul- und Stadtbibliothek ebenso wie in die Bibliotheken von Integrationsbeauftragten und Nachbarschaftszentren. (PK)
Anne E. Dünzelmann, „Von der
Yayla zum Kleingarten.
Kleingärten – Räume der Integration und Akkulturation für Zugewanderte?“ 116 S., Frankfurt am Main: IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation 2007 (ISBN 978-3-88939-903-8) € 14,90
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