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Medien
Leserbrief an den Kölner Stadt-Anzeiger:
„Die üblichen Cuba-Klischees“
Von Heinz-W. Hammer

Wie die üblichen Medien in der Bundesrepublik mit Cuba und Fidel Castro umgehen, konnten die LeserInnen des Kölner Stadt-Anzeiger in zwei Artikeln am 16. Januar und am 11. Februar wieder einmal feststellen. Einer von ihnen, Heinz-W. Hammer von der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba e.V, hat darauf mit einem Leserbrief reagiert. Damit wenigstens die KStA-LeserInnen, die auch die NRhZ lesen, erfahren, was er der verantwortlichen Redakteurin mitgeteilt hat, stellen wir ihn hier komplett vor. – Die Redaktion.

Betreff: »Kuba nach Fidels Rückzug - Eine Insel im Zeitloch« von Petra Pluwatsch im Kölner Stadtanzeiger, 11.02.09. - Der Beitrag vermittelt den Eindruck, dass die Autorin eine touristische Rundreise auf Cuba gebucht und anschließend ihre subjektiven Eindrücke notiert hat. Dies ist als Reisebericht für die Familie und Freunde sicher üblich und ganz nett. Wenn damit allerdings via Zeitungsartikel für eine große Leserschaft mal wieder die üblichen, negativen Cuba-Klischees bedient werden, so ist dies bedenklich und fordert zum Widerspruch heraus.
 
Die US-Marionette Batista
 
Beispiele: Wenn die Autorin schon vorgibt, sich im 51. Jahr der siegreichen cubanischen Revolution mit dessen Geschichte auseinanderzusetzen, so ist der Hinweis »… hatte sich der bisherige Machthaber, der Diktator Fulgencio Batista, in die Dominikanische Republik abgesetzt« mehr als dürftig. Ein Blick auf die tatsächlichen Zustände der Insel unter der US-Marionette Batista, auf die täglichen Verfolgungen, Folterungen und Erschießungen von Demokraten, Gewerkschaftern und Revolutionären, auf die extreme Massenarmut, den Hunger, die extrem hohe Kindersterblichkeit und den Analphabetismus usw. usf. könnte zu mehr Verständnis dazu führen, weshalb auch heute noch die große Mehrheit des cubanischen Volkes zu ihrer »hausgemachten«, also authentischen Revolution steht.
 
»Ist Fidel Castro bereits tot?«
 
Gegen die cubanische Revolution wird für viele westliche Auguren gern angeschrieben, wenn man Fidel Castro, den die Autorin auch mal gern in kumpelhafte Manier mit dem Vornamen benennt, angreifen kann. »Kürzlich erst«, so wird im Beitrag behauptet, »hat es wieder Gerüchte gegeben in den Straßen von Santiago de Cuba, Fidel sei tot«. Dieser geschmacklose Einstieg in den Artikel wird verständlich, wenn man weiß, dass es der Kölner Stadtanzeiger selbst war, der am 16.01.09 die Schlagzeile »Ist Fidel Castro bereits tot?« brachte. So etwas nennt man dann wohl selbstreferentielle Propaganda.
 
»Nur noch gelegentlich«, so teilt die Autorin mit, »meldet sich „El Compañero Fidel« in „Granma“ (…) zu Wort.« Na, das nenne ich aber mal Wahrnehmungsprobleme: Seit seiner schweren Operation, konkret seit dem 31.07.2006, hat Fidel Castro exakt 192 (!) seiner auch weltweit sehr beachteten »reflexiones«, also Betrachtungen und Analysen zu nationalen und internationalen Fragen veröffentlicht, zuletzt am 12.02.09. Die deutschen Übersetzungen sind – neben anderen Texten von und über diesen Jahrhundertpolitiker – u.a. unter www.cubafreundschaft.de einsehbar.
 
Nichts zu Alphabetisierung und Kindersterblichkeit
 
Frau Pluwatsch notiert in ihren Reiseeindrücken ihre Irritation darüber, dass »allerorten riesige Plakatwände die Allgegenwart des revolutionären Gedankens (beschwören). „Die Revolution lebt“, „Revolution ist Freiheit“ und „Vaterland oder Tod“ lauten die Parolen (…)«. Ganz abgesehen davon, dass mir Plakatwände mit den genannten Parolen weitaus lieber sind als hierzulande die allgegenwärtige Reklame für allen möglichen überflüssigen Schund, so hätte es ihrem Artikel gut getan, mal darüber zu reflektieren, um welche revolutionären Errungenschaften es denn auf den Plakaten eigentlich wohl gehen könnte. Da die Autorin an dieser Stelle verschämt schweigt, seien ein paar Stichworte genannt:


Quelle: NRhZ Archiv                                             
Die erste Massenkampagne nach der siegreichen Revolution 1959 bestand in der Alphabetisierung, deren Rate heute bei 99,8 % liegt, höher als die in den USA. Die Kindersterblichkeitsrate auf Cuba liegt stabil bei 5,3 auf Tausend Lebendgeburten. Zum Vergleich Sierra Leone: 270/1.000, Afghanistan: 257/1.000; NRW: 4,7 und Gelsenkirchen: 8,3 (laut NRW-Landesamt für öff. Gesundheit 2007). Der UNICEF-Jahresbericht 2008 betont, dass »der Kampf gegen die Kindersterblichkeit ein zentraler Maßstab für eine gute Regierungsführung und Voraussetzung für die soziale Entwicklung eines Landes« sei und hebt bereits in der Einleitung Cuba als besonders positives Beispiel hervor. Die UN-Weltgesundheitsorganisation WHO verweist ebenfalls regelmäßig auf Cubas Erfolge und nannte in ihrem internationalen Aufruf zur Reform der Gesundheitssysteme im Oktober 2008 als Beispiel für eine positive Entwicklung das System der Polikliniken auf Cuba. Die durchschnittliche Lebenserwartung der cubanischen Bevölkerung von gegenwärtig 78 Jahren sei die höchste in den Entwicklungsländern.
 
Frei Betto zu den cubanischen Plakatwänden
 
Auch der international bekannte brasilianische Befreiungstheologe und Schriftsteller Frei Betto hat sich mit den cubanischen Plakatwänden auseinandergesetzt und schrieb am 23.02.08 in einem Kommentar unter dem Titel »Zum Rücktritt Fidel Castros« in der Tagezeitung »junge Welt« u.a.: »Wir können nur hoffen, dass zwei Plakate nie demontiert werden, die man bei der Ankunft auf dem Weg nach Havanna lesen kann und die uns Lateinamerikaner beschämen, die wir auf wahren Inseln des Wohlstands inmitten der Armut leben: „Jedes Jahr fallen 80 Millionen Kinder behandelbaren Krankheiten zum Opfer. Keines von ihnen kommt aus Cuba.“, steht auf dem einen. Auf dem anderen lesen wir: „Heute Nacht schlafen 200 Millionen Kinder auf den Straßen der Welt. Keines kommt aus Cuba.“«
 
In einem Punkt irrt der brillante Theologe: Es sind dies treffende Aussagen, die nicht nur »uns Lateinamerikaner« beschämen, sondern auch uns Europäer und Deutsche: Die Bundesregierung hat bis heute nicht die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert, was in der Praxis bspw. zur Folge hat, dass minderjährige Flüchtlinge auch ohne Eltern oder andere Verwandte erbarmungslos abgeschoben werden.
 
Das Bremer »Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe« hat in seiner jüngsten Untersuchung von Anfang Februar 2009 festgestellt, dass in meiner Heimatstadt Essen 30,1 % der Jungen und Mädchen unter 15 Jahren in sog. »Hartz IV-Haushalten« leben. Kinder- und Jugendmediziner warnen, dass deren Armut ihr Wachstum signifikant negativ beeinflusst und unmittelbar zu physischen und psychischen Krankheiten führt. Die Kindernotschlafstellen in ganz NRW sind dauerhaft überfordert und immer mehr Kinder kommen nur noch mittels der sog. »Kindertafeln«, also Suppenküchen für Kinder, an die notwendige tägliche Ernährung.
 
Wer im kapitalistischen Glashaus BRD sitzt, liebe Frau Pluwatsch, sollte nicht mit Steinen auf die sozialistische Karibikinsel Cuba werfen. (PK)

Online-Flyer Nr. 185  vom 18.02.2009

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