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Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

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Filmclips
Übergriff der Kölner Polizei
Von Peter Kleinert



WalterHerrmannWie Obdachlose aus den Einkaufszentren der Großstädte vertrieben werden, war eigentlich unser Thema für ein Fernsehmagazin auf dem zehn Jahre lang unabhängig sendenden TV-Fenster KANAL 4. Neben Berlin und Rio de Janeiro sollte auch Köln ein Beispiel sein. Dank der Kölner Polizei wurde aus der geplanten Reportage über Obdachlose unter dem Schutz der Klagemauer von Walter Herrmann am Kölner Dom zunächst ein "Knüller" in den ARD-Tagesthemen. Walter Herrmann ist am 26. Januar 70 Jahre alt geworden, und steht mit seiner Klagemauer immer noch auf der Domplatte. „Walter, die Bullen wollen den Jupp vom Wallraffplatz vertreiben", meldete ein Obdachloser aufgeregt auf der Domplatte unserem Gesprächspartner, mit dem wir gerade im Schatten der Klagemauer im Sommer 1994 ein Interview begonnen hatten. Wir begleiteten ihn mit Kamera und Mikrophon zum WDR-Funkhaus und wurden Zeugen eines brutalen Polizeieinsatzes gegen "Rollstuhlfahrer Jupp", der dort schon länger einen "Platzverweis" hatte, und gegen Walter Herrmann, der ihm helfen wollte. Obdachlose sind eben weder in der Kölner noch in der Berliner Innenstadt von Geschäftseigentümern gern gesehen. Sie müssen ihren Lebensunterhalt halt durch Betteln “verdienen“.

EXPRESS kritisiert Polizei

Am Tag nach der Sendung unserer Reportage in den „Tagesthemen“ meldete sich der EXPRESS mit der Schlagzeile: "Ist Kölns Polizei zu brutal? - Staatsanwalt ermittelt nach Aktion gegen Behinderten“: „Einen Tag vor seinem Abschied stand Kölns Polizeipräsident Jürgen Hosse noch einmal böser Ärger ins Haus. Sind seine Beamten zu brutal? Wie weit darf ein Polizist bei einem Einsatz gehen? Seit gestern ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen mehrere Kölner Polizeibeamte wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Der Grund war Sonntagabend bundesweit in den "Tagesthemen" zu sehen und veranlaßte zahlreiche Bürger zu entsetzten Kommentaren. Die Fernsehbilder dokumentierten, wie mindestens acht Beamte den Behinderten unter dem Einsatz körperlicher Gewalt von der Domplatte zerrten, weil er ihren Anweisungen nicht gehorchte..."

Einen Tag später wurde der Polizeiübergriff sogar EXPRESS-Aufmacher auf Seite 1: „Köln - Empörung über Einsatz gegen einen Behinderten“: "So kann man doch nicht mit einem Menschen umgehen." Empörte Anrufe bei EXPRESS und WDR. Die Bilder des brutalen Polizeieinsatzes gegen einen Rollstuhlfahrer erschüttern in ganz Deutschland..." 
EXPRESS-Überschrift noch einen Tag später: "Politiker vertreiben die Armen." – „Gestern 16 Uhr im Rathaus. Die Grünen schieben ein Fernsehgerät vor den Sitzungssaal. Gezeigt wird der Tagesthemen-Bericht über die Polizeiaktion gegen den Rollstuhlfahrer Jupp Riesel. Sie haben das Thema auf die Tagesordnung gesetzt und verlangen, daß sich die anderen Parteien von der Verwaltung distanzieren. Das Gegenteil passiert. Albert Schröder (CDU) dankt Stadtverwaltung und Polizei dafür, "daß Sicherheit und Ordnung wieder hergestellt werden." Heinz Lüttgen (SPD) ist der Antrag der Grünen "billige Polemik", der Vorfall mit dem Rollstuhlfahrer eine "Inszenierung". Detlef Hartmann, Anwalt des Behinderten, kündigt Strafanzeigen gegen die Polizei an...

Zwei Monate nach dem Polizeiübergriff auf „Rollstuhlfahrer Jupp“ und Walter Herrmann lädt aufgrund unserer Tagesthemen-Reportage und einiger Anzeigen von Augenzeugen die Staatsanwaltschaft zu einer Pressekonferenz ein. Ergebnis: Die Staatsanwälte sehen keinen Grund, die Polizisten anzuklagen. Darauf machen die Lokalzeitungen des Verlags M.DuMont Schauberg, die tagelang Schlagzeilen gegen die Brutalität der Polizei produziert hatten, einen  Schwenk von 180 Grad.

Überschrift im Kölner Stadt-Anzeiger: „Aus dem Rollstuhl gefallen“ (Natürlich ohne Anführungszeichen!) EXPRESS-Schlagzeilen diesmal: „Polizei gegen Rollstuhlfahrer: Verfahren eingestellt." Und: „Domplatte: Polizei handelte korrekt". Na klar! Dass Walter Herrmann von der Staatsanwaltschaft nicht mal als Zeuge gehört, sondern aus dem Saal verwiesen wurde, war den Journalisten anscheinend kein Wort wert.(PK)

Foto: arbeiterfotografie.com

Dieser Filmclip wurde von KAOS Film-und Video-Team Köln für das 1998 durch die Landesrundfunkanstalt von Ministerpräsident Wolfgang Clement geschlossene 10 Jahre unabhängige Programme sendende Fernsehfenster KANAL 4 produziert. Mehr dazu auf www.kaos-archiv.de 

Zu Walter Herrmann gibt es auch eine Fotogalerie in dieser Ausgabe

Clip downloaden (mit Rechtsklick - "Ziel speichern unter...")

Online-Flyer Nr. 182  vom 26. April 2024



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