SUCHE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Druckversion
Kultur und Wissen
Sprühende Ideen - Folge 3
Kann denn Sprayen Sünde sein?
Von Georg Giesing
Stellen wir uns nur einen kleinen Augenblick Kardinal Meisner vor, wie er an Stelle der alljährlichen Rekrutenweihe im Dom nachts durch die Innenstadt zieht und an den hässlichen Wänden der Nord-Süd-Fahrt mit der Sprühdose ein völlig unmissverständliches PAX sprühen würde. Oder das erwähnte Fisch-Symbol in die Dom-Tiefgarage. Bravo Herr Kardinal! Unmöglich!

Foto: Georg Giesing
Mit der Zeit wandelten sich die Mittel der Graffiti-Künstler. Früher genügte ein spitzer Stein zum Ritzen. Das Zeichnen mit dem Finger in den Staub der Scheibe gehört auch dazu. Mit dem Messer wurden unzählige Botschaften in Holz geschrieben. Eine kleine Münze schabt immer noch den harten Lack von der Toilettentüre. Mit Kreide entstehen Bilder auf fast jedem Untergrund. Doch die modernen Street-Art-Künstler bedienen sich der neuen Medien:
Der Zeigefinger bedient den Druckknopf. Es zischt leise. Hand und Unterarm kreisen. Um die Hand ist eine Aldi-Tüte gestülpt. Schweiß bildet sich auf der Stirn. Der bunte Farbnebel verteilt sich auf der rissigen Mauer. Die gläsernen Augen der Überwachungskameras irren durch die Nacht.

Foto: Georg Giesing
In Köln gibt es seit einigen Jahren eine Allianz der Spray-Gegner. Da ist die Polizei mit ihrer "Ermittlungskommission Farbe" (EK-Farbe), KVB-AG, Ring deutscher Makler, Industrie und Handelkammer usw. usf. Medien und Ordnungsbehörden gehören dazu. In Kampagnen wird der Öffentlichkeit die Graffiti-Kunst als "schwerwiegendes Problem" vermittelt. Die KASA-Ordnungspartner sehen durch die Graffiti das Stadtbild gestört und das Konsumverhalten und die Investitionsfreudigkeit gefährdet. Eine ernste Auseinandersetzung mit den meist jugendlichen Künstlern und ihren Motiven findet so gut wie nicht statt.

Foto: Georg Giesing
Eine Verteilung von KASA-Schirmmützen als Anti-Sprayer-Aktion bei Grundschülern wirkte lächerlich und verfehlte die Wirkung. Der Sprayernachwuchs findet das illegale Malen viel cooler als die KASA-Kappen. Ein Graffiti-Nachwuchs - Sprayer drückte das so aus: "Jo ich bin aus Köln-City und hier sind echt wenige Graffity die burnen! Aber ich will das ändern. Ich habe zwar noch nicht so die Skills, aber ich male zur Zeit täglich auf Papier und so und hab auch schon ein paar Leute gefunden die selber malen! FUCK KASA! ICH WERDE KOMMEN!"

Foto: Georg Giesing
Die KASA-Fraktion hat ein Problem: Sie versteht die Motive der meist jugendlichen Sprayer nicht und hat keine Alternativen. Es gibt eine junge Kunst, der es nicht nur um Eigentum, Konsum und Investition geht. Zu groß sind die kulturelle Differenz und das Selbstverständnis der Kontrahenten.
Fast schon skurril wirkt ein Urteil des Amtgerichts Köln vom 2. 12. 2003 gegen einen Jugendlichen, dem zur Auflage gemacht wurde, dass er ein Jahr lang täglich "zwischen 18 Uhr und sechs Uhr folgende Gegenstände nicht mit sich führen darf: Sprayflaschen, Lacke, Marker, Filzstifte, Schuhcreme und dazugehörige Utensilien wie Sprayköpfe und Einmalhandschuhe. Im Falle der Missachtung drohen Jugendarrest von bis zu vier Wochen. Das Urteil ist rechtskräftig."
In Köln wird weiter gesprayt! Den "Ordnungspartnern" der KASA zum Trotz! Für die nächtlichen Schatten gilt die sprühende Erkenntnis: Spray macht frei! Also: Augen auf beim Gang durch die Stadt! Es gibt spannende Bilderwelten außerhalb der KASA-Welt zu entdecken!
Georg Giesing, 1942 in Wuppertal-Barmen geboren, diplomierter Sozialpädagoge, war 28 Jahre Fachlehrer an einem Kölner Berufskolleg, nachdem er eine Lehre als Gärtner, eine Ausbildung als Erzieher und das Studium der Sozialarbeit und Sozialpädagogik abgeschlossen hatte. Giesing ist freier Mitarbeiter bei Zeitungen, Stadtmagazinen und Online-Zeitungen, schreibt Bücher und zeichnet. Eine Auswahl seiner Bücher: "Hexenball im Königsforst", Erzählungen,1985 und 1986, "Rheinpiraten vor Köln", Erzählungen, 1990, "Zwischen Strunde und Flehbach", Erzählungen, 1990, "Wir sind doch ein Leut´, - Auf der Suche nach dem jüdischen Viehhändler Siegfried Forst auf Brodenbach", Erzählung, 2000, "Rheinische Frikadellen" - Geschichten & Grotesken, 2005 .
Online-Flyer Nr. 32 vom 21.02.2006
Druckversion
Kultur und Wissen
Sprühende Ideen - Folge 3
Kann denn Sprayen Sünde sein?
Von Georg Giesing
Stellen wir uns nur einen kleinen Augenblick Kardinal Meisner vor, wie er an Stelle der alljährlichen Rekrutenweihe im Dom nachts durch die Innenstadt zieht und an den hässlichen Wänden der Nord-Süd-Fahrt mit der Sprühdose ein völlig unmissverständliches PAX sprühen würde. Oder das erwähnte Fisch-Symbol in die Dom-Tiefgarage. Bravo Herr Kardinal! Unmöglich!

Foto: Georg Giesing
Mit der Zeit wandelten sich die Mittel der Graffiti-Künstler. Früher genügte ein spitzer Stein zum Ritzen. Das Zeichnen mit dem Finger in den Staub der Scheibe gehört auch dazu. Mit dem Messer wurden unzählige Botschaften in Holz geschrieben. Eine kleine Münze schabt immer noch den harten Lack von der Toilettentüre. Mit Kreide entstehen Bilder auf fast jedem Untergrund. Doch die modernen Street-Art-Künstler bedienen sich der neuen Medien:
Der Zeigefinger bedient den Druckknopf. Es zischt leise. Hand und Unterarm kreisen. Um die Hand ist eine Aldi-Tüte gestülpt. Schweiß bildet sich auf der Stirn. Der bunte Farbnebel verteilt sich auf der rissigen Mauer. Die gläsernen Augen der Überwachungskameras irren durch die Nacht.

Foto: Georg Giesing
In Köln gibt es seit einigen Jahren eine Allianz der Spray-Gegner. Da ist die Polizei mit ihrer "Ermittlungskommission Farbe" (EK-Farbe), KVB-AG, Ring deutscher Makler, Industrie und Handelkammer usw. usf. Medien und Ordnungsbehörden gehören dazu. In Kampagnen wird der Öffentlichkeit die Graffiti-Kunst als "schwerwiegendes Problem" vermittelt. Die KASA-Ordnungspartner sehen durch die Graffiti das Stadtbild gestört und das Konsumverhalten und die Investitionsfreudigkeit gefährdet. Eine ernste Auseinandersetzung mit den meist jugendlichen Künstlern und ihren Motiven findet so gut wie nicht statt.

Foto: Georg Giesing
Eine Verteilung von KASA-Schirmmützen als Anti-Sprayer-Aktion bei Grundschülern wirkte lächerlich und verfehlte die Wirkung. Der Sprayernachwuchs findet das illegale Malen viel cooler als die KASA-Kappen. Ein Graffiti-Nachwuchs - Sprayer drückte das so aus: "Jo ich bin aus Köln-City und hier sind echt wenige Graffity die burnen! Aber ich will das ändern. Ich habe zwar noch nicht so die Skills, aber ich male zur Zeit täglich auf Papier und so und hab auch schon ein paar Leute gefunden die selber malen! FUCK KASA! ICH WERDE KOMMEN!"

Foto: Georg Giesing
Die KASA-Fraktion hat ein Problem: Sie versteht die Motive der meist jugendlichen Sprayer nicht und hat keine Alternativen. Es gibt eine junge Kunst, der es nicht nur um Eigentum, Konsum und Investition geht. Zu groß sind die kulturelle Differenz und das Selbstverständnis der Kontrahenten.
Fast schon skurril wirkt ein Urteil des Amtgerichts Köln vom 2. 12. 2003 gegen einen Jugendlichen, dem zur Auflage gemacht wurde, dass er ein Jahr lang täglich "zwischen 18 Uhr und sechs Uhr folgende Gegenstände nicht mit sich führen darf: Sprayflaschen, Lacke, Marker, Filzstifte, Schuhcreme und dazugehörige Utensilien wie Sprayköpfe und Einmalhandschuhe. Im Falle der Missachtung drohen Jugendarrest von bis zu vier Wochen. Das Urteil ist rechtskräftig."
In Köln wird weiter gesprayt! Den "Ordnungspartnern" der KASA zum Trotz! Für die nächtlichen Schatten gilt die sprühende Erkenntnis: Spray macht frei! Also: Augen auf beim Gang durch die Stadt! Es gibt spannende Bilderwelten außerhalb der KASA-Welt zu entdecken!

Online-Flyer Nr. 32 vom 21.02.2006
Druckversion
NEWS
KÖLNER KLAGEMAUER
FILMCLIP
FOTOGALERIE