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Inland
Militärische Antworten zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels
Umweltkrieger
Von Hans Georg

Die Bundesregierung verknüpft ihre Umweltpolitik mit militärpolitischen und geostrategischen Prämissen. Jüngster Ausdruck dieser strategischen Positionierung ist eine für Anfang Dezember geplante Konferenz in Mainz, die gemeinsam vom rheinland-pfälzischen Umweltministerium und der Bundeswehr veranstaltet wird. Sie hat den Klimawandel zum Thema. Die rasant voranschreitende Veränderung des Weltklimas, die zu Naturkatastrophen ungeahnten Ausmaßes und zur Verwüstung weiter Landstriche führt - mit schweren sozialen Konsequenzen -, wird dabei als Bedrohung der Sicherheit und der Stabilität der westlichen Metropolen interpretiert.

SPD-Umweltministerin Margit Conrad
SPD-Umweltministerin Margit Conrad
Quelle: www.landtag.rlp.de
Handlungsempfehlungen
 
Die für den 5. Dezember geplante "Wissenschaftskonferenz" in Mainz (Rheinland-Pfalz) wird sich mit der Frage befassen, inwieweit "der Klimawandel auch eine Bedrohung für Sicherheit und den Frieden" bringt. Als Eröffnungsredner vorgesehen sind die rheinland-pfälzische Umweltministerin Margit Conrad und der Befehlshaber der Bundeswehr im Wehrbereich II, Generalmajor Bernd Diepenhorst. Teilnehmen werden neben namhaften Klimaforschern auch Vertreter von Einrichtungen der deutschen Friedensforschung, die mit der Bundeswehr und dem Bundesverteidigungsministerium eng verbunden sind (german-foreign-policy.com berichtete [1]) - der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), Michael Brzoska, und der Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Friedensforschung (DSF), Thomas Held. Erklärtes Ziel der Veranstaltung ist es, zu "belastbaren Szenarien" über die zu erwartende Entwicklung sowie zu "konkreten Handlungsempfehlungen" zu gelangen. Diese sollen dann weiter ausgearbeitet werden und "in die laufenden Gespräche mit dem Bundesforschungsministerium (BMBF) über eine gezielte Forschungsförderung" einfließen.[2]
 
Kooperation
 
Die Grundlage der Mainzer Konferenz bildet eine bereits 2004 zwischen dem rheinland-pfälzischen Umweltministerium und der Bundeswehr geschlossene Kooperationsvereinbarung. Darin erklären die Vertragspartner die "Auseinandersetzungen um knappe Ressourcen" zu den "größten friedensbedrohenden Faktoren unserer Zeit". Ihnen müsse durch die Entwicklung "handlungsfähige(r) Instrumentarien" zur "Krisenprävention" begegnet werden. Wichtig sei dafür der Zusammenhang zwischen Umwelt- und Militärpolitik. Man werde sich nicht nur um eine "gemeinsame Kommunikation" dieses Zusammenhangs "in die Gesellschaft" bemühen, sondern auch um den "Wissens-, Erfahrungs- und Know-how-Transfer zwischen den Kooperationspartnern" und um die "Optimierung und Ausweitung der Aus-, Fort- und Weiterbildung". Die Intensivierung der "zivil-militärischen Zusammenarbeit" und die Einflussnahme auf "Schulen, Hochschulen, Kirchen, Unternehmen und andere gesellschaftliche Partner" sollen die Vertragsparteien ihren Zielen näher bringen.[3]
 
Breites Publikum
 
Organisiert wird die Mainzer "Wissenschaftskonferenz" von dem Berliner Unternehmen "Adelphi Consult". Die Politikberatungsagentur führte zuletzt Anfang November eine gleich gelagerte Veranstaltung in der "Ökohauptstadt" Freiburg (Baden-Württemberg) durch; hier lautete das Thema "Sicherheitsbedrohung Klimawandel". Analog dem "Kooperationsabkommen" zwischen der Bundeswehr und dem rheinland-pfälzischen Umweltministerium bestand das erklärte Ziel auch der Freiburger Konferenz darin, "das komplexe Thema Klimawandel und Sicherheit einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und den gesellschaftlichen Dialog hierzu zu fördern".[4]
 
Goldrausch
 

Auf dem Freiburger Podium vertreten waren neben namhaften Bundespolitikern wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier und dem Staatsminister im Auswärtigen Amt Gernot Erler Manager deutscher Großkonzerne, die die Veränderung des Weltklimas und die katastrophalen Folgen für eine Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit nutzen möchten. Während sich Repräsentanten des Energieversorgers EnBW und der Deutschen Telekom für den verstärkten Export computergesteuerter Solaranlagen aussprachen [5], hoffte der Vertreter der Münchener Rück auf eine Verkaufssteigerung bei Versicherungspolicen zur Abdeckung von Umweltschäden [6]. Der Leiter des staatlichen Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme, Eike Weber, verglich die Entwicklung moderner Solartechnologien gar mit dem "Goldrausch" in den USA des 19. Jahrhunderts: "Reich wurden nicht die Goldgräber selbst, sondern diejenigen, die die Schaufeln entwickelten."[7]
 
Vielleicht militärisch
 

Außenminister Steinmeier plädierte in seiner Eröffnungsrede zur Freiburger Konferenz für eine "vorausschauende Außenpolitik", die danach frage, "wo die Konflikte von morgen liegen". Dabei sei der "Fokus" auf diejenigen Regionen zu richten, "die vom Klimawandel am stärksten betroffen sind".[8] Staatssekretär Erler forderte in seinen Beiträgen die Entwicklung eines um die ökologische Dimension "erweiterten Sicherheitsverständnisses" [9] und die "Übertragung einer Erfahrung aus der klassischen Sicherheitspolitik auf diese neue Sicherheitspolitik": Da es nicht machbar sei, "Konflikte international immer erst hinterher zu reparieren, mit Interventionen, vielleicht sogar mit militärischen Interventionen", sei eine "globale Präventivpolitik" vonnöten, lautete sein Fazit.[10]
 
Zusammenbruch
 
Die Entwicklung einer "Geopolitik des Klimawandels" forderte auch der Politikwissenschaftler Dirk Messner. Messner warnte vor einer durch Umweltschäden an der Peripherie ausgelösten "Intensivierung" der Migration in die westlichen Metropolen.[11] Der Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) und Berater der Bundesregierung in Sachen "Globale Umweltveränderungen" [12] liegt damit auf einer Linie mit einem Report, den die Organisatoren der Veranstaltungen in Mainz und Freiburg erstellt haben. Darin äußert "Adelphi Consult" die Befürchtung, dass "Ressourcenverknappung" und "Umweltdegradation" in den Entwicklungsländern zu "Migrationsbewegungen" in die westlichen Industriestaaten führen. Dies könne die dortige "ethnische Balance" gefährden und "soziale Spannungen" auslösen, heißt es - bis hin zum "Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung".[13]
 
R2P
 
Dass die Bundeswehr die Debatte um den Klimawandel aktiv vorantreibt, lässt erkennen, dass die Bundesregierung militärische Antworten zur Bewältigung seiner sozialen Folgen in Betracht zieht. Ähnliche Überlegungen stellt das Auswärtige Amt seit geraumer Zeit in Verbindung mit einer weltweiten Interventions-Initiative an: dem Konzept der "Schutzverantwortung" ("Responsibility to Protect"/"R2P"). "R2P" verlangt, dass es zulässig sein soll, in Staaten zu intervenieren, wenn diese den "Schutz" ihrer Bevölkerung vernachlässigen. Als zulässige Interventionsgründe werden in diesem Zusammenhang auch Natur- und Umweltkatastrophen genannt.[14] (PK)

 
[1] s. dazu Orwellscher Friede
[2] Wissenschaftskonferenz. Forschungserfordernisse im Kontext von Klimawandel und Sicherheit; www.adelphi-consult.com/mainz/index.htm
[3] Kooperationsvereinbarung Friedenssicherung und Nachhaltigkeit zwischen dem Ministerium für Umwelt und Forsten des Landes Rheinland-Pfalz und dem Wehrbereichskommando II. Mainz, 23.09.2004
[4] Sicherheitsbedrohung Klimawandel, www.freiburg-konferenz.de
[5] Climate Change as a Security Threat. Conference Report. Strategies for Policy-Makers, Science and Business, Freiburg/Germany 06./07.11.2008
[6] Sicherheitsrisiko Klimawandel - Panel 1: Prof. Dr. Peter Hoeppe (Geo Risks Research/Corporate Climate Centre Munich Reinsurance Company), Freiburg 06.11.2008
[7], [8] Auswärtiges Amt: "Sicherheitsbedrohung Klimawandel". Konferenz des Auswärtigen Amts in Freiburg; www.auswaertiges-amt.de
[9] Rede des Staatsministers Gernot Erler anlässlich der Eröffnung der Internationalen Konferenz "Sicherheitsbedrohung Klimawandel - Handlungsoptionen für Politik, Wissenschaft und Wirtschaft". Konzerthaus, Freiburg 06.11.2008
[10] Abschlussrede des Staatsministers Gernot Erler bei der Internationalen Konferenz "Sicherheitsbedrohung Klimawandel - Handlungsoptionen für Politik, Wissenschaft und Wirtschaft". Konzerthaus, Freiburg 07.11.2008
[11] Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderung (WBGU): World in Transition. Climate Change as a Security Risk. Berlin 2007
[12] Messner ist außerdem Mitglied des für die Erarbeitung des "Bertelsmann Transformation Index" (BTI) verantwortlichen "BTI-Board". Der BTI beurteilt die Staaten der sogenannten Dritten Welt anhand ihrer Fähigkeit, gemäß westlichen Vorgaben "Marktwirtschaft" und "Demokratie" zu implementieren. S. dazu Menschenopfer unverzichtbar, Harte Anpassung und Rezension zum "Bertelsmann Transformation Index 2008"
[13] Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ): Klimawandel und Sicherheit. Herausforderungen für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit. Eschborn 2008. Hier heißt es: "Adelphi Consult wurde (...) von der GTZ beauftragt, die Auswirkungen des Klimawandels auf Konflikte und Sicherheit aus entwicklungspolitischer Sicht zu bewerten und Vorschläge für die weitere Behandlung dieses Themas in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu formulieren."
[14] s. dazu Das Recht des Stärkeren, Kein Kurswechsel und Instrument westlicher Machtpolitik
 
Mehr unter www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57407

Online-Flyer Nr. 175  vom 03.12.2008

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