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Lokales
Altes und Neues von Steueroasen und anderem bei der Oppenheim-Bank
„Ein bißchen viel der Nähe“
Von Werner Rügemer

Am 20. August 2008 veröffentlichte www.nrhz.de meinen Artikel „Liebedienerei der Medien – Die Kölner Oppenheim-Bank, ihre Steueroasen und die Süddeutsche Zeitung“. Der juristische Wadenbeißer der Bank, die Berliner Prominentenkanzlei Schertz Bergmann, brauchte in diesem Fall ungewöhnlicherweise zwei Wochen, um zuzubeißen. Die routinemäßige Standardformel lautete auch hier: „Wegen der Eindeutigkeit der Sach- und Rechtslage“ sollten die NRhZ und ich uns umgehend verpflichten, bei acht Textpassagen zu unterlassen, sie zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen.


Freiherr Christopher
von Oppenheim: „Für
uns spielen Steuer-
oasen keine Rolle“
Quelle: NRhZ-Archiv
Ohne uns auf die kurze Frist einzulassen, erklärten wir nach eingehender Prüfung, dass wir keinen Grund sehen, eine solche Unterlassungs-Erklärung abzugeben. Unsere Darstellung sei gut belegt. Nach einer für die Bank und ihre juristischen Wadenbeißer wiederum ungewöhnlich langen Frist von zwei Wochen hieß es, die Bank verzichte auf drei der geforderten Unterlassungen; sie kündigte aber zu den restlichen fünf Textpassagen eine Klage an.
 
Nun sind aber gerade die drei Stellen, deren Unterlassung die feine Bank nicht mehr fordert, die wichtigsten im ganzen Text. Wir dürfen nun also mit dem Segen der Bank und ihrer anwaltlichen Korrektheitswächter veröffentlichen und/oder verbreiten und/oder veröffentlichen und verbreiten lassen: Die Bank Oppenheim ist in den von uns genannten Finanzoasen Liechtenstein, Tortola, Mauritius, Panama, Delaware/USA, Dublin, Nikosia/Zypern, Schweiz, Luxemburg und Cayman Islands in verschiedener Form tatsächlich tätig. Über dortige Briefkastenfirmen werden z.B. auch die Gewinne der aufgekauften Fensterbau-Firma WERU im baden-württembergischen Waiblingen abgeschöpft undsoweiter undsofort.


Oppenheims Mathias Graf von Krockow –
eilte zur Eröffnung nach Lugano
Quelle: www.oppenheim.de
Man erinnere sich dagegen an die von der Süddeutschen Zeitung kritiklos wiedergegebene Behauptung des Freiherrn Christopher von Oppenheim: „Für uns spielen Steueroasen keine Rolle.“ Offensichtlich ist das Gegenteil der Fall: Steuer- und Finanzoasen gehören zur elementaren Operationsbasis dieser Bank. Ach so, wo wir gerade bei diesem Thema sind: Im September eröffnete Oppenheim eine weitere Niederlassung, und zwar wo? In einer durch Mafia und Millionäre berühmt gewordenen Finanzoase: Lugano. Das „Leistungsangebot“ umfasst „sämtliche Dienstleistungen in der Vermögensverwaltung“, wie einschlägige Medien berichten. Bankchef Mathias Graf von Krockow eilte zur Eröffnung und verkündete: „Mit unserer Strategie folgen wir den Wünschen unserer Kunden.“ Selbstverständlich wurde die Niederlassung in einem repräsentativen Haus der Altstadt von Lugano bezogen, neben dem Rathaus.

Pleitebank IKB

Eine der Textstellen, deren Unterlassung die Bank nun gerichtlich einklagen will, bezieht sich auf die Pleitebank IKB. Ich hatte geschrieben, dass Oppenheim an der IKB eine „hohe Beteiligung“ hat. Mit ihrem 4,5 Prozent-Anteil war Oppenheim zur Zeit der Veröffentlichung des Artikels der drittgrößte Aktionär, nach der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der Stiftung Industrieforschung, die dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) gehört. Uns gegenüber behauptet Oppenheim nun, sie habe nur einen Anteil von „unter einem Prozent“. Das trifft inzwischen, mehrere Wochen später, sicherlich zu. Denn nach dem Erscheinen des Artikels haben sich die Mehrheitsverhältnisse in der IKB entscheidend geändert, sie wurde bekanntlich Anfang September an die US-„Heuschrecke“ Lone Star verkauft.

Nach „Heuschrecken“-Art

Oppenheim stieg mit Beginn der Spekulationswelle in den USA (Handel mit faulen US-Hypothekenkrediten) bei der IKB ein und verstärkte kurz vor der Pleite und dem Ausbruch der Finanzkrise ihr Engagement. 2004 gründete Oppenheim mit der IKB zusätzlich die gemeinsame Tochterfirma Argantis, eine Art „deutsche Heuschrecke“, die z.B. die erwähnte Fensterbaufirma WERU aufkaufte und sich seitdem mit Entlassungen bemerkbar machte. 2005 kaufte Argantis u.a. die Firma Czewo in Zülpich und verkaufte sie nach „Heuschrecken“-Art bereits 2008 an einen portugiesischen Investor weiter. 2007 erhöhte Oppenheim den IKB- Anteil schrittweise auf über fünf Prozent. Anfang 2008, als die IKB längst vor der Pleite stand und mit Staatshilfen gepäppelt wurde, ließ sich Oppenheim-Gesellschafter Dieter Pfundt in den IKB-Aufsichtsrat wählen – was übrigens auch ein Hinweis darauf ist, dass Oppenheim einen „hohen Anteil“ an der IKB hatte. Das Handelsblatt lobte: „Der leidenschaftliche Golfer kam zur rechten Zeit“, der „erfahrene Banker“ werde die IKB gewiss aus ihrem „Tiefpunkt“ herausführen.

Faule Hypothekenkredite

Da sind wir wieder bei den Steuer- und Finanzoasen, die angeblich „keine Rolle spielen“: Die Verluste der IKB von ca. 10 Milliarden Euro waren ja gerade dadurch entstanden, dass die IKB mit faulen Hypothekenkrediten spekulierte, für die sie in der US-Finanzoase Wilmington/Delaware eigens zwei Briefkastenfirmen gründete, und zwar mit den bodenständig-folkloristischen Namen „Rhineland“ und „Rhinebridge“. Diese auch Special Purpose Vehicles oder „Zweckgesellschaften“ genannten Briefkästen wurden zudem außerhalb der IKB-Bilanz geführt. Auch hier wird deutlich, wie elementar Finanzoasen und die dazugehörigen Heimlichkeitspraktiken zum Geschäftsmodell von IKB und Oppenheim gehör(t)en.


Werner Rügemer bei einer Stadtführung zum Oppenheim Palais in Köln
Quelle: NRhZ-Archiv

 
Die Sprecher der Bank Oppenheim – vom ehemaligen Seniorchef Alfred von Oppenheim über seinen Sohn- und SZ-Interviewpartner Christopher von Oppenheim bis zum gegenwärtigen Chef Mathias Graf von Krockow – betonen mit ermüdender, aber unermüdlicher Beständigkeit, der Staat habe sich nicht in die Wirtschaft und schon gar nicht in die Banken einzumischen. Wenn diese feinen Herren, pardon diese „erfahrenen Banker“ aber in ihrer Gier und Heimlichkeit sich in die Pleite organisieren, dann schreien sie ganz unschuldig nach dem Staat, als hätten sie nie etwas anderes gefordert. Da schiebt der Staat schon mal wie bei der IKB schnell und ohne Parlamentsbeschluss 10 Milliarden Euro rüber. Da erweist sich, worin die Fähigkeiten eines „erfahrenen Bankers“ bestehen: Es „dürfte auch Pfundts ‚direkter Draht‘ zu Berliner Entscheidern hilfreich gewesen sein“, wie das Handelsblatt notiert. Aus dem Tiefpunkt hat Oppenheim die IKB nicht herausgeführt, sondern war am endgültigen und dann doch wieder profitablen Sturz beteiligt: Lone Star bekam die IKB für den Schnäppchenpreis von 120 Millionen. Dass die Bank Oppenheim jetzt plötzlich nicht mehr so gern an ihre Verantwortung und ihr Versagen erinnert werden möchte, mag verständlich sein. Wir tragen hier aber die Entwicklung seit dem 20. August 2008 um der Wahrheit willen pflichtgemäß und auch gerne nach.

Strafanzeigen

Ich hatte am 20. August 2008 geschrieben, dass es Strafanzeigen gegen Oppenheim-Manager wegen Kursmanipulation und Insidergeschäften gibt. Gegen diese Textstelle will die Bank ebenfalls klagen, weil gegen die Bankmanager nicht ermittelt werde. Die Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft München I am 30. September 2008 ergab: Die Strafanzeige richtet sich gegen einen Haupttäter und gegen die beiden Bankmanager als Nebentäter. Das Verfahren ist nicht eingestellt, gegen den Haupttäter wird ermittelt, gegen die Nebentäter bisher nicht. Allerdings ist offen, ob sich aus den Ermittlungen gegen den Haupttäter auch noch Ermittlungen gegen die Nebentäter ergeben. Somit können wir hier berichten, dass die neutrale Darstellung, es gebe Strafanzeigen, auch heute noch zu Recht besteht.

Nachgereicht

Bei der Gelegenheit kann auch noch nachgereicht werden, damit der Einfluss und die Praktiken von Oppenheim für das größere Publikum deutlicher hervortreten: Das – juristisch gesehen – Luxemburgische Bankhaus erwarb inzwischen 29,5 Prozent am Handelskonzern Arcandor, der bis vor kurzem den unangenehm gewordenen Traditionsnamen Karstadt/Quelle trug. Die bisherige Hauptaktionärin Madeleine Schickedanz ist mehrfache Kundin bei den Oppenheims. Sie ist Miteigentümerin des Oppenheim-Esch-Immobilien-Projekts Kölner Messehallen. Und sie ist bei der Bank Oppenheim hoch verschuldet. Gleichzeitig ist auch Arcandor-Chef Thomas Middelhoff Miteigentümer der Kölner Messehallen und auch noch Miteigentümer in einem Karstadt-Kaufhaus, das dem Oppenheim-Esch-Fonds gehört, wo Middelhoff von den Mieten profitiert, die sein Unternehmen Arcandor zahlt.

„Aus Gründen der Hygiene“

Ich hatte geschrieben, dass Oppenheim-Esch-Immoblien wie die KölnArena/Rathaus, Kölner Messehallen und Karstadt-Kaufhäuser „filzgestützte Abzocker-Projekte“ sind. Dagegen will Oppenheim weiter vorgehen. Aber selbst die traditionelle Hauszeitung der Bank, Die Welt, mahnt nun an, dass solche etwas anrüchigen Verbindungen „aus Gründen der Hygiene“ überprüft werden sollten. Aus Gründen der Hygiene! Ist die Bank unsauber, stinkt sie gar? Stinkt sie gar in den Nasen des eigenen Milieus, das in Geldsachen doch einiges gewohnt ist? Die Welt schreibt weiter: „Die größte Arcandor-Aktionärin Schickedanz steht beim zweitgrößten Aktionär Sal. Oppenheim in der Kreide. Gleichzeitig hält dort Vorstandschef Middelhoff einen Fonds mit Karstadt-Immobilien. Das ist ein bisschen viel der Nähe.“ (PK)

Online-Flyer Nr. 167  vom 08.10.2008

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