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Lokales
Die Ehre von „pro NRW“-Chef Beisicht und die Ehre der Waffen SS
Prozess in Leverkusen
Von Eberhard Reinecke

Am 10. September fand beim Amtsgericht Leverkusen die Verhandlung des „pro-NRW“- Chefs und Rechtsanwalts Markus Beisicht gegen gegen den engagierten Neonazi-Gegner Gottfried Schweitzer statt. Warum Beisicht den Prozess vom Zaun gebrochen hat, konnte man in der letzten NRhZ lesen. Heute berichtet Rechtsanwalt Reinecke, der Gottfried Schweitzer vor dem Amtsgericht in Leverkusen vertreten hat, über den Prozess und die Hintergründe. – Die Redaktion.


Markus Beisicht mit seiner Parteifreundin Judith Wolter auf einer „pro Köln“-Kundgebung | NRhZ-Archiv
 
Was hat Gottfried Schweitzer gesagt?

Am 16.8.2008 hatte Gottfried Schweitzer an einem „pro NRW“-Infostand in Leverkusen-Rheindorf öffentlich über Markus Beisicht aufgeklärt, an welchem ein Aufruf für den in Köln geplanten rassistischen „Anti-Islam-Kongress" verteilt wurde: „Hier steht Markus Beisicht, der Verteidiger von „Ruhm und Ehre der Waffen-SS" vor dem Bundesverfassungsgericht.“ Gelegentlich hatte er auch in Kurzform gerufen: „Markus Beisicht der Verteidiger der Waffen-SS.“ Beisicht selbst und seine Rechtsanwältin und politische Mitstreiterin Judith Wolter hingegen behaupteten, Schweitzer habe gerufen: „Markus Beisicht hat in der Vergangenheit Angehörige der Waffen-SS in Strafverfahren verteidigt“. Diese Äußerung, die Schweitzer gar nicht gemacht hatte, sollte ihm verboten werden. An sich also ein Streit um die Frage, was wirklich gesagt wurde.
 
Dem Gericht lagen einander widersprechende eidesstattliche Versicherungen einerseits von Beisicht und Wolter, andererseits von Schweitzer und einem weiteren Teilnehmer vor. Das Gericht vernahm dann noch zwei weitere Zeugen. Während ein Freund von Schweitzer – Wolfgang Stückle, Betriebsratsvorsitzender am Klinikum Leverkusen gGmbH – dessen Darstellung bekräftigte, erlitt Rechtsanwältin Wolter mit dem von ihr benannten Zeugen Schiffbruch: Die Äußerung, dass Markus Beisicht Mitglieder der Waffen-SS in Strafverfahren verteidigt habe, hatte auch er nicht gehört. Rechtsanwältin Wolter, die vorher noch überlegt hatte, sich selbst als Zeugin zu benennen, ließ das dann doch lieber sein. Das Urteil soll am 24. September verkündet werden. Da allerdings Beisicht seine Version nicht bewiesen hat, dürfte die Klage abgewiesen werden.
 
„Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts“

Das Interessante an dem Verfahren ist deshalb eher die Frage, dass Beisicht gegen die Äußerung, die Schweitzer gemacht hat, nicht vorgegangen ist, weil es sich dabei um eine zulässige Meinungsäußerung handelt: Beisicht war Ende 2001/Anfang 2002 Bevollmächtigter in einem Verfahren, das beim Verwaltungsgericht (VG) Minden begann und beim Bundesverfassungsgericht endete. Ein Herr O. hatte für eine Gruppierung „Initiative der weißen Art“ an der Wewelsburg, einem der Lieblingsplätze des Reichsführers der SS, Heinrich Himmler, eine Neonazi-Veranstaltung unter dem Motto „Ruhm und Ehre der Waffen SS“ durchführen wollen, die von der Polizei erfreulicherweise verboten worden war.
 
Der Entscheidung des VG Minden kann man die Verbotsgründe entnehmen: „In diesem Verfahren kommt wegen der besonders schwerwiegenden Provokationswirkung im Hinblick auf den Versammlungsort allein das Verbot in Betracht... Grundlegende soziale und ethische Anschauungen werden hier nämlich deshalb verletzt, weil eine Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts durch öffentlich bekannte Neonazis an einem Ort stattfinden soll, dem eine erhebliche Symbolwirkung hinsichtlich der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zukommt. Entgegen der Darstellung des Antragstellers ist sehr wohl maßgeblich, dass die Wewelsburg in nationalsozialistischer Zeit für Terror gestanden hat. Seine Darstellung, die Nutzung als ,Quasi-Kultstätte der SS' sei im Verhältnis zur Existenzdauer der Burg eine ,statistisch vernachlässigbare Größe', verschleiert nach Überzeugung der Kammer die wahren Motive, die zur Auswahl dieses Versammlungsortes geführt haben.


„SS-Eheweihe" in der Wewelsburg, ca. 1935
Quelle: www.ns-gedenkstaetten.de

Der Bekanntheitsgrad dieses Ortes rührt nämlich daher, dass die Wewelsburg 1934 durch die SS angemietet wurde, um dort ein Zentrum der NS-Ideologie und eine Weihestätte für tote SS-Führungspersonen zu gründen. Für die Bauarbeiten verlegte die SS nach Abzug des Reichsarbeitsdienstes zunächst ein Kommando des Konzentrationslagers T. nach Wewelsburg. Schließlich wurde in der Nähe des Ortes, wo das ,Festzelt' der geplanten Versammlung stehen soll, im Jahr 1941 das Konzentrationslager ,O.' errichtet. Dort sind mindestens 1285 KZ-Häftlinge ums Leben gekommen... An einem solchen Ort die Parole ,Ruhm und Ehre der Waffen-SS' skandieren und verbreiten zu wollen, enthält eine nicht hinnehmbare Verhöhnung der Opfer und der Menschenwürde der Hinterbliebenen... Vielmehr wird im Gegenteil durch den Versammlungsort die Nähe zur Terrorherrschaft des NS-Regimes gesucht. Für diese Annahme sprechen die weiteren Umstände des Versammlungsablaufs... Auch die Veranstalter und Redner sind bekannte Personen aus der rechtsextremistischen Szene... Die als Redner vorgesehenen Personen sind entweder ehemalige Aktivisten oder Vorsitzende von inzwischen verbotenen rechtsextremistischen Organisationen, wie etwa der FAP oder der ANS/NA.“
 
Gegen diese Entscheidung des VG Minden wurde Beschwerde eingelegt. Das OVG wies die Beschwerde zurück. Auch der Versuch von Beisicht, beim Bundesverfassungsgericht eine einstweilige Anordnung durchzusetzen, scheiterte.


22. September 1934 – Übernahme der
Wewelsburg durch SS-Chef Heinrich
Himmler | Quelle: www.lwl.org
In dem Antrag gegen Gottfried Schweitzer behauptete nun Rechtsanwältin Judith Wolter im Auftrag von Beisicht: „Für den Antragsteller als Spitzenkandidat der Bürgerbewegung pro NRW ist die Behauptung, er habe Angehörige der Waffen-SS verteidigt, ehrverletzend und geeignet ihn in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.“ – Immerhin eine interessante Einsicht. Nun fragt man sich allerdings, warum es eigentlich ehrenhafter sein soll, eine Versammlung unter dem Motto „Ruhm und Ehre der Waffen-SS“ vor dem Bundesverfassungsgericht durchsetzen zu wollen, als einzelne Mitglieder der Waffen-SS vor Gericht zu verteidigen. Vielleicht meinte Beisicht ja, so insgesamt eine Diskussion über dieses Kapitel seiner Tätigkeit verhindern zu können. Das Gegenteil ist eintreten. Den Prozess wird er wohl verlieren und unabhängig davon wird immer mehr Menschen bekannt werden, wofür der „pro NRW“-Vorsitzende noch vor ein paar Jahren als Anwalt eingetreten ist. Anmerkung der Redaktion: Immerhin sollte die Wewelsburg laut Heinrich Himmler nach dem „Endsieg“ der Nazis das „Zentrum der neuen Welt“ darstellen. (PK)

Hinweis der Redaktion: Weil „pro Köln“ und „pro NRW“ in Leverkusen auch weiter begleitende rassistische Propaganda für ihren Kölner „Anti-Islam-Kongress" machen wollen, ruft das Bündnis gegen „pro Köln“ dazu auf, auch dieses „Rahmenprogamm“ zu verhindern, und zwar am Freitag, 19. September, 11:00 Uhr in Leverkusen-Wiesdorf – Wiesdorfer Platz/Ecke Otto Grimm-Straße, und am Sonntag, 21. September, 10:00 Uhr am gleichen Ort. Nähere Infos zu diesen und anderen Gegenaktivitäten in Kürze unter: www.hingesetzt.mobi






Online-Flyer Nr. 164  vom 17.09.2008

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