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Lokales
Zum dritten Mal in Köln: Fachmesse für Kirchenbedarf "ecclesia"
"Ave", "Pax" und "himmelwärts"
Von Hans-Detlev v. Kirchbach

Zum dritten Mal fand "ecclesia", die "Fachmesse für Kirchenbedarf", in den Kölner Messehallen statt, und der Begriff "Messe" scheint für diese Veranstaltung in seiner Doppeldeutigkeit durchaus gerechtfertigt: Es war Handelsveranstaltung und religiöse Zeremonie zugleich - eine Messe der Markt-Religion in jedem Sinne. Grund genug für den Autor, mal vor der christlichen Tür zu kehren, anstatt - wie seit einiger Zeit in "unseren Medien" üblich - vor der des Islam. Die Redaktion

Kaum zu glauben: Auf der diesjährigen "ecclesia" konnte man tatsächlich gläubigen ChristInnen begegnen, noch dazu solchen, die sogar zum Urchristentum zurück wollen. Wie etwa jener Dame, die sich den Beginen verbunden fühlt, frommen, aber emanzipierten Frauen, die schon im Mittelalter der etablierten Patriarchen-Kirche mit Parteinahme für die Armen und Anknüpfung an die "Sendung des Urchristentums" auf die Nerven fielen. Die moderne "Begine" meinte im Interview, wenn Gemeindehäuser leer stünden oder Kirchen keine Menschen mehr anzögen, dann sollten sie doch für Arbeits- und Obdachlose geöffnet werden, um ein neues, aber "urchristliches" Modell des solidarischen Zusammenlebens zu ermöglichen - unter dem Banner der "Caritas", die doch auch "Benedikt" beständig beschwöre. (s. Interview und O-Töne als Sound-Datei (mp3) zu diesem Bericht) Doch damit wird die Fundamental-Christin bei ihrer Kirche auf Granit beißen, denn die wusste schon immer, dass Geld ein härterer Stoff ist als alle Ideen.

Und so passt denn auch die Messe "ecclesia" durch und durch zur "Ecclesia", der Kirche, wie sie heute und eigentlich schon seit Jahrhunderten eben ist. Wären da nicht die kirchenspezifischen Artikel vom priesterlichen Kleidungsbedarf bis hin zur Turmuhr gewesen, so hätte man sich auf einer beliebigen Fach- und Verbrauchsmesse wähnen können. Herren im Geschäftsführer-Outfit vermittelten kommerzielle Professionalität, und attraktive Meß-Hostessen verbreiteten den für solche Veranstaltungen obligatorischen, dezenten Hauch kühler erotischer Verlockung. Einen Schwerpunkt bildeten so originär christliche Bereiche wie Consulting-Firmen, PR-Agenturen und Psycho-Motivations-Trainer.

Heute - und das klingt wie ein trauriges Pfeifen im dunklen Walde der religiösen Gleichgültigkeit - muss die Kirche eben "für Gottes Wort schärfer werben", wie einer der Messe-Initiatoren meinte. Der hilfreiche Rat für's rechte Tun, die Vermittlung der frohen Botschaft und die Stärkung der Seele im Glauben - all das kann die Kirche alleine nicht mehr leisten, obwohl sie doch die eigentliche Erfinderin anhaltenden Organisationserfolges, wirkungsvoller Produktwerbung und psychischer Massenbeeinflussung ist. Und also ward das Wort Gottes auf dieser Messe von den kaum minder mystischen Liturgieformeln aus dem Almanach von Betriebswirtschaft und Management überlagert. Ist doch der Kapitalismus die einzige noch verbindlich gebliebene "Religion". Der aber frönen auch die beiden Religionsunternehmen, die sich auf den barfüßigen Messias berufen, der nicht im Mercedes, sondern auf dem Esel in Jerusalem eingeritten sein soll. Er hätte in den Messehallen zu Köln wohl auch jene Händler und Wechsler wieder erkennen können, gegen die er, der Legende zufolge, einst im Tempel vom Leder zog. Was heute allerdings sinnlos wäre, da doch die Kölner Messe eben ein Tempel des Heiligen Commercius ist.

Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos

Und so mochte auch der ungläubige Betrachter eine moderne Version des legendären Tanzes ums goldene Kalb mutmaßen, wenn es auf den Vorträgen in den Kölner Rheinhallen um Verkündigungsthemen ging wie "Facility Management", "Fund-Raising", "Immobilien-Management", "aktive Finanzmittelbeschaffung". In den offiziellen Messeverlautbarungen wurde als insofern angemessenes Ziel definiert, die Kirche als "Unternehmen am Markt" zu platzieren und den milliardenschweren Grund- und Anlagenbesitz der beiden großen Konfessionskonzerne angesichts angeblich rückgängiger Kirchensteuereinnahmen effizient zu nutzen und gewinnbringend zu verzinsen. Und natürlich die wohltätigen Werke der Kirche noch gezielter an die Mühseligen und Beladenen zu bringen.

Dabei wurde allerdings auf dieser Messe schamhaft verschwiegen, dass die viel gerühmten kirchlichen Sozialeinrichtungen zu durchschnittlich circa neunzig Prozent aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden und nicht aus dem Opferstock der Kirche. Wie ja auch das Gehalt etwa des Kölner Erzbischofs aus der Kasse des Landes Nordrhein-Westfalen bezahlt wird. Die vom Staat eingetriebenen kirchlichen Mitgliedsbeiträge, aber auch allgemeine Steuermittel, die den Kirchen zugute kommen, dürften daher auch an so manche Aussteller der "ecclesia" zurückfließen, vorausgesetzt, sie sind christlicher Konfession - zum Beispiel an Softwareanbieter für Personal-Management-Systeme, Energieeinsparung und kirchliches Meldewesen.


Aber auch das Evangelium selbst ist mittlerweile voll digitalisiert ins virtuelle Paralleluniversum abgewandert, und der heilige Geist spricht in unseren elektronischen Zeiten durch Bits und Bytes. Woraus sich - der "Synergieeffekte" halber - der Beschluss ergab, dieses Jahr erstmalig die einst avangardistische "Credo Bit- Fachmesse für kirchenspezifische Soft- und Hardware" mit der "ecclesia" zusammen zu legen. Endlich kann sich der Gläubige Bibelwahrheit, Gebote und geistlichen Trost aus dem Netz herunterladen, ja mehr noch: Auch Beichte und Vergebung sind jetzt per Mausklick möglich. Bei soviel Betriebswirtschaft und Computerisierung wirkte sogar das "Beicht-Mobil" der Initiative "Kirche in Not" rührend antiquiert - ein Kleinbus, der als Erlösungsgefährt zum bußwilligen Sünder kommt.

Aber auch auf dem Gebiet der klassischen "Kirchenprodukte" tut sich was - so wird das, jedenfalls in der katholischen Kirche, ohnehin schon farbenreiche Parament, also das Ornat des Geistlichen, seit kurzem durch grellbuntes, poppiges Deko-Styling aufgepeppt. "Leben in die Liturgie" verheißt die progressive Gewänderschneiderei. Ob damit auch Leben in die Bude - pardon - die Kirche kommt? Die Zahl der Kirchenbesucher jedenfalls geht seit Jahren unaufhaltsam zurück, und die rein formale Kirchenmitgliedschaft auch. Nur noch zwei Drittel der Bevölkerung gehören einer der beiden Großkirchen an, woran selbst die "Kircheneintrittsstelle" wenig geändert haben dürfte, die auf der Messe um Neukunden warb.

Einer vom Kölner Erzbistum in Auftrag gegebenen Sinus-Studie zufolge laufe die Kirche Gefahr,zur Minderheitenkirche zurückzufallen, musste Manfred Becker-Huberti, "Kommunikationschef" des Kölner Kardinals Meisner, einräumen. Gleichzeitig aber, so konnte man den offiziellen Messedokumenten entnehmen, segelt die Messe "ecclesia" seit drei Jahren auf konsequentem Erfolgskurs, dieses Jahr mit über einhundertachtzig Ausstellern aus neun Ländern, mit Firmennamen wie "Ave", "Pax" und "himmelwärts".

Download der O-Töne zum Messebesuch als Sound-Datei (mp3 - 7,24 Mb)


Online-Flyer Nr. 31  vom 14.02.2006

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