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Globales
Nahostpoker und Kriegsgetrommel aus israelischer Sicht
Warum Israel den Iran nicht angreifen kann
Von Roni Ben Efrat

Parallel zu Israels verbalen Ausschweifungen gegen das iranische Nuklearprogramm hat seine Luftwaffe Anfang Juni eine außergewöhnliche Übung durchgeführt. Der New York Times zufolge nahmen mehr als hundert F-15 und F-16 Kampfflugzeuge daran teil; 900 Meilen flogen sie Richtung Westen und kehrten wieder um – die selbe Entfernung müssten sie im Falle eines Angriffs auf die iranischen Atomanlagen in Natanz zurücklegen.

Israelischer F-15 Flieger in Manöver Ra'am
Israelische F-15 in Manöver                               
Israelis behaupten gern, sie würden die Hauptopfer einer nuklearen Entwicklung des Irans sein. Sie erinnern an die Scud-Raketen Saddam Husseins, die während des ersten Golfkriegs, als Israel am Konflikt nicht direkt beteiligt war, auf Tel Aviv niedergingen. Daher würden sie – sagen Israelis – auch diesmal im Fadenkreuz stehen, und dies rechtfertige einen Präventivschlag.

Doch drei Dinge stehen einem israelischen Angriff im Wege.

1. Die USA

Wir befinden uns nicht mehr in den aufregenden Tagen der ersten Präsidentschaft George W. Bush, als Vizepräsident Dick Cheney, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und der stellvertretende Chef des Generalstabs Karl Rove die Theorie des „Präventivkriegs“ propagierten. Heute leckt sich das Weiße Haus die Wunden, die ihm in Afghanistan und Irak beigebracht werden. Robert Gates, mit dem Rumsfeld ersetzt wurde, spricht sich gemeinsam mit Admiral Mike Mullen, Vorsitzender der Vereinten Stabschefs, und vielen anderen im Pentagon vehement gegen einen Angriff auf den Iran aus. Sie sind der Auffassung, die USA sollten ihre Kräfte aus dem Nahen Osten zurückziehen, anstatt dort immer tiefer im Schlamm zu versinken.

Die USA haben sich in den Irak in einem Anfall von Wunschdenken hineinbegeben. Die neue Demokratie, die den Neokonservativen zufolge auf dem Grabe Saddam Husseins erstehen sollte, sollte die prowestlichen Oppositionellen im Iran anspornen und „dem Diktator“ den Todesstoß versetzen. Geschehen ist das Gegenteil. Der Irak ist in einen Bürgerkrieg gestürzt, der das Ansehen des Iran nicht nur am Golf, sondern in der gesamten arabischen Welt enorm gehoben hat. Die Vereinigten Staaten, verstrickt im fernen Irak, stecken zu Hause zwischen unhaltbaren Schulden und in die Höhe schnellenden Ölpreisen fest. Aus Sicht Washingtons würde ein Angriff auf den Iran nicht nur diese Region in Brand setzen. Damit kommen wir zu dem zweiten Hindernis.

2. Der Zugang zum Öl

Olmert Bush Eric Draper
George W. und Ehud auf ihrem vorerst            
letzten Treffen | Foto: Eric Draper
Die mutmaßliche Reaktion des Iran auf einen israelischen Angriff würden, mit Ausnahme einiger Völkerschaften im Stromgebiet des Amazonas, alle unmittelbar zu spüren bekommen. Die Welt stöhnt derzeit über einen Ölpreis, der die Wirtschaft zu lähmen droht und die Transportkosten für Lebensmittel und andere Grundgüter steigen lässt. Vor einigen Wochen stand er bei 146 US-Dollar pro Barrel. Der Preis fiel, als Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad die Möglichkeit eines Kriegs mit den USA herunterspielte. Im Anschluss an ein privates Treffen zwischen Bush und Olmert im Mai jedoch ließ der israelische Transportminister Shaul Mofaz verlauten, ein Angriff auf den Iran sei „unvermeidlich“. Sofort stieg der Ölpreis um 11 US-Dollar.

Man darf nicht vergessen, dass der Iran nach Saudi Arabien über die größten Ölreserven der Welt verfügt. Ein Angriff Israels würde auch als Angriff der USA aufgefasst werden. Mohammad Jafari, Anführer der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC), spricht von Vergeltungsmaßnahmen wie etwa der Verminung der Straße von Hormuz, ein Schritt, der Öltanker am Verlassen des Persischen Golfs hindern würde. Der Iran hätte auch noch andere Optionen, er könnte beispielsweise die Ölfelder des amerikanischen Alliierten Saudi Arabien mit Raketen beschießen. Es ist nicht allzu schwer, sich vorzustellen, was das unter den Ökonomien der Welt anrichten würde. Und wer hätte Schuld an der neuen „Großen Depression“?

3. Abhängigkeiten

Das dritte Hindernis für einen Angriff Israels hängt mit den politischen Grenzen zusammen, die ihm gesetzt sind. Seit dem ersten Golfkrieg hat Israel seine Schritte nicht nur mit den Vereinigten Staaten, sondern auch mit seinen gemäßigten arabischen Nachbarn koordiniert. Dies war im zweiten Libanonkrieg offensichtlich, die Anti-Hisbollah-Front bestand aus Israel, Saudi Arabien, Ägypten und der libanesischen Regierung selbst. Israel ist auf diese Art von Zusammenarbeit angewiesen. Mit unilateralen Maßnahmen ist das Land vorsichtig geworden. Es gibt Leute, die sagen, die jüngsten Gespräche mit Syrien würden nicht um des Friedens willen geführt, sondern um den Iran und die Hisbollah zu isolieren.

Saudi Crown Prince Abdullah Bush
Bush und Saudischer König Abdullah
Würde Israel den Iran angreifen, müsste Saudi Arabien – das vermutlich Hauptziel eines Vergeltungsschlags sein wird – dem zuvor zustimmen. Anderenfalls stünde Israel allein da. Tatsächlich machen sich die Saudis wegen der wachsenden Macht des Iran in der Region große Sorgen. Sie waren seinerzeit gegen den US-amerikanischen Angriff auf den Irak, sie hatten vorausgesehen, dass Saddams Untergang das Ansehen des Iran heben würde, und sie hatten Recht.

Aus Sicht des Iran stellt Saudi Arabien tatsächlich eine größere strategische Bedrohung dar als Israel. Man muss sich nur an die 80er Jahre erinnern, als die Saudis Saddams Angriff auf den Iran Khomeinis unterstützten. Damals dauerte der Krieg acht Jahre und fügte dem Iran schweren Schaden zu. Am Rande sei bemerkt, dass der Iran selbst keine Geschichte von Angriffen auf seine Nachbarn hat. Darum gibt es keine historische Grundlage dafür, dem Iran nicht zu glauben, wenn er darauf besteht, seine Nuklearindustrie sei nur für friedlichen Nutzung gedacht.

Warum spielt Israel in den feindseligen Erklärungen Ahmadinedschads und anderer Iraner dann eine so zentrale Rolle? Der Grund sind die innenpolitischen Probleme des Iran: Unterentwicklung, Armut, Unterdrückung und religiöser Zwang. Der Iran benutzt den israelisch-palästinensischen Konflikt, um die enttäuschten Massen von diesen Problemen abzulenken. Auch im Südlibanon hat dieser Konflikt seinen Zweck erfüllt, dort diente er dazu, eine gemeinsame Front mit der Hisbollah zu errichten. Der Ausbau der nuklearen Fähigkeiten zielt daher auf inländische Probleme ab. Wie Pakistan vor ihm hat der Iran die Atomenergie als Mittel gewählt, um den Nationalstolz zu stärken.

Die Hysterie, die Israel gegen eine mögliche iranische Bombe zu schüren versucht, erinnert an einen Dieb, der „Haltet den Dieb!“ ruft. Ausländischen Quellen zufolge verfügt Israel über Atombomben, lehnt internationale Kontrollen ab und weigert sich, den Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen. Seine nuklearen Fähigkeiten machen die arabische Welt nervös. So erklärte beispielsweise die ägyptische Regierung, Israels Überlegenheit – sowohl in konventioneller als auch nicht-konventioneller Hinsicht – sei genau das, was Länder wie den Iran dazu motiviert, Massenvernichtungswaffen zu bauen.

Atomwaffenfähige F-16 Maschine der israelischen Luftwaffe Foto: MathKnight
Atomwaffenfähige F-16 der israelischen Luftwaffe, ausgezeichnet für den Abschuss von sieben syrischen Flugzeugen und die Bombardierung eines irakischen Atomreaktors | Foto: MathKnight

Nähme Israel die notwendigen Schritte in Angriff, um seinen Konflikt mit den Palästinensern zu lösen, würde das regionale Rennen um die Atomwaffen entschärft. Die Hisbollah würde ihre Bedeutung verlieren und die Hamas würde langsam verschwinden. Doch solange der Konflikt besteht und sich verschärft, werden ihn Staaten wie der Iran benutzen, um von ihren internen Problemen abzulenken. Und in der Zwischenzeit sitzen wir auf einem Fass höchst unberechenbaren Materials. (CH)

Roni Ben Efrats Kommentar erschien im Original in der aktuellen Ausgabe von Challenge – einem mehrsprachigen Magazin für israelisch-palästinensische Verständigung.
Übersetzung: Endy Hagen.


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Online-Flyer Nr. 158  vom 06.08.2008

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