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Lokales
Wie die Kölner Eliten auf peinliche Veröffentlichungen reagieren
Zensur op kölsche Art
Von Werner Rügemer

 Der Kölner Autor Werner Rügemer wird am 22. August den von der Neuen Rheinischen Zeitung gestifteten Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik erhalten. Hier können Sie einen seiner Texte aus dem Jahr 2003 lesen, der – neben seinen Büchern – der NRhZ-Redaktion diese Entscheidung leicht gemacht hat. – Die Redaktion.


Werner Rügemer – veranstaltet gelegentlich Kölner
Klüngel-Führungen | Quelle: NRhZ-Archiv

Antwerpes droht mit Klage…
 
„Ich verklage Sie, Sie mit Ihren dauernden Lügengeschichten!“ - Der Hals des Ex-Regierungspräsidenten schwoll rot an, hässlich traten dicke Adern hervor. An seinem Arm baumelte ein Kasten mit leeren Mineralwasserflaschen. Er rannte auf mich zu und brüllte: „Sie gehen mir schon seit Jahren auf die…“. Antwerpes stockte und schaute zum Kamerateam. „Auf den Keks“, japste er etwas leiser. Es war der 23. März diesen Jahres. Die Redaktion des ZDF-„Länderspiegel“ hatte mich in der Kölner Max-Bruch-Straße vor der Villa des ehemaligen Kölner Oberbürgermeisters Konrad Adenauer zu einem Interview gebeten. Es ging um den „Kölner Klüngel“, der nicht erst mit der Müllaffäre begann, sondern mindestens bis zum christlichen Politiker Adenauer zurückreicht.
 

Franz Josef Antwerpes –
bei einem seiner WDR-Auftritte
Quelle: NRhZ-Archiv
 Wie es der Zufall will, wohnt Antwerpes seit seinem Antritt als Kölner Regierungspräsident 1979 in dem Haus direkt neben der Adenauer-Villa. Hinter ihm stand seine Ehefrau Elfi. Sie keifte mit Blick auf mich: „Der macht hier Führungen und kassiert dafür 6 Euro 50. Der verdient noch Geld an uns.“ Sie spielte offensichtlich darauf an, dass ich seit zwei Jahren die regelmässige Führung „Lindenthaler Klüngelpfad“ mache, die auch an den Häusern von Adenauer und Antwerpes vorbeiführt. „Dann verklagen Sie mich doch endlich, das hätten Sie schon längst tun sollen“, sagte ich zu dem geschwollenen Ex-Regierungspräsidenten. Er trottete mit den Mineralwasserflaschen zu seinem Audi. Frau Elfi folgte ihm.
 
…belässt es aber bei Schimpfkanonade
 
Antwerpes und ich waren uns noch nie begegnet. Wieso hatte er mich erkannt? Offensichtlich hatte er sich doch die Veröffentlichungen über seine unsauberen Praktiken bei Genehmigung und Auftragsvergabe des Kölner Müllofens, des Kanalmonsters „Vorfluter Süd“, bei der rechtswidrigen Drangsalierung aufrechter Untergebener usw. im Laufe der letzten Jahre zu Herzen genommen. Er hatte aber nie reagiert.
 
Glücklicherweise hat das ZDF-Team seine Schimpfkanonade aufgenommen und im Länderspiegel gezeigt. Seitdem ist der ehemals bekannteste Regierungspräsident Deutschlands vergleichsweise zurückhaltend. Wenn ich mit den Teilnehmergruppen bei den Führungen vor Adenauers und seinem Haus stehe, kommt er häufig vorbei, als sei er bestellt, und ruft fast kumpelhaft: „Ach Sie wieder, mit Ihren Lügengeschichten.“ Dann lachen die Teilnehmer, die ihn ja meist nur aus dem Fernsehen kennen, und fragen ungläubig: „Das ist wirklich der Antwerpes?“ Manchmal fragen sie, ob ich ein Double bestellt habe. „Nein“, behaupte ich dann immer, „der ist echt.“ Seit 1994 habe ich über seine unsauberen Machenschaften in der kleinen Kölner „Stadt-Revue“ berichtet und einen Teil dieser Berichte jetzt in das Buch „Colonia Corrupta“ aufgenommen. Aber auch trotz seiner jüngsten wortgewaltigen Ankündigung hat der echte Antwerpes mich nicht verklagt.
 
Amerongen stellt sich tot
 
Ich werde oft gefragt, ob denn die selbsternannte Kölner Elite keine Ehre habe, ob sie sich denn nicht gegen meine „Lügengeschichten“ zur Wehr setze. Es ist richtig: sie setzt sich nicht zur Wehr, öffentlich. Sie scheut die offene Auseinandersetzung. Die Elite verteidigt ihre Ehre nicht, weil sie keine Ehre hat. Und weil sie keine Argumente hat. Mit wahren „Lügengeschichten“ geht der Kölner Klüngel anders um: die öffentliche Diskussion verhindern. Totschweigen. Verdrängen.


Otto Wolf von Amerongen –
wollte lieber nicht antworten
Quelle: NRhZ-Archiv
Als ich mit einem Kollegen für WDR und ARD die TV-Dokumentation „Hehler für Hitler – die geheimen Geschäfte der Firma Otto Wolff“ erstellte, verweigerte Otto Wolff von Amerongen, Firmeninhaber seit 1941 und langjähriger Kölner IHK-Präsident, jegliches Interview, mehrmals. Aber hintenherum versuchte er durch eine Intervention beim WDR-Intendanten, die Sendung zu verhindern. Als die Sendung doch kam, stellte Amerongen sich tot: keine Reaktion. Der Arm solcher Klüngel-Könige reicht übrigens weit, und sie haben so manche Mittäter. Als der Förderverein Romanische Kirchen aus Anlaß der „Kristallnacht“-Wiederkehr im Jahre 2000 mit dem Kölner Schriftstellerverband eine Lesereihe vereinbarte, wurde ich ausgeladen. Mein Text, der sich mit Otto Wolff von Amerongen befaßte, durfte nicht gelesen werden: „Wolff von Amerongen ist einer unserer größten Sponsoren“.
 
Erich Schäfer läuft gegen die Wand
 
Eine andere Methode des Verdrängens besteht in Verleumdungsklagen der „Betroffenen“. Zunächst könnte man denken, dass Verleumdungsklagen doch eine öffentliche und offensive Form der Auseinandersetzung darstellen. Aber nicht so in diesen Fällen und in Kölle. Zum Beispiel verklagte mich 1993 der „abfallpolitische Sprecher“ der SPD im Kölner Stadtrat, ein gewisser Erich Schäfer, auf 500.000 Mark Schadenersatz, ersatzweise zwei Jahre Erzwingungshaft. Schäfer war auch Aufsichtsratsmitglied der privaten Betreibergesellschaft AVG der Kölner Müllverbrennungsanlage. Ich hatte die korruptiven Machenschaften in seinem privaten Institut für Abfall- und Abwasserentsorgung offengelegt. Das erregte, obwohl es nur in der kleinen „Stadt-Revue“ stand, Aufsehen, auch weil Schäfers Verbindungen ins Düsseldorfer und Bonner Umweltministerium reichten. NRW-Umweltminister Matthiessen und ein gewisser Dr. Heugel, damals SPD-Fraktionschef im Kölner Rathaus, drängten ihren Genossen, mich zu verklagen. Von den Fakten her war es aussichtslos. Aber Schäfer musste erst mal demonstrieren, dass er dem „Verleumder“ mit allen rechtlichen Mitteln das Maul stopfen würde. Schäfer nahm sich einen der teuersten Anwälte, Schaefer III (damals auch Chef der Kölner „Haie“), und kämpfte sich durch die Instanzen. Stillschweigend zogen ihn die Genossen von allen politischen Ämtern zurück. Er verlor die Gerichtsverfahren, und er war ruiniert. Aber davon erfuhr die Öffentlichkeit so gut wie nichts.
 
Norbert Burgers fünf Einkommen


Kardinal Meisner – segnet gelegentlich
auch Soldaten |  Quelle: NRhZ-Archiv
Ähnlich verhielt es sich bei einem gewissen Norbert Burger. In der Stadt-Revue veröffentlichte ich 1994 die fünf verschiednen Einkommen des damaligen Kölner Oberbürgermeisters und Präsidenten des Städtetages. Als OB bekam er eine Aufwandsentschädigung in Höhe einer Bundestagsdiät. Als Beamter „im einstweiligen Ruhestand“ erhielt er zusätzlich seit 1983 eine Pension in der Höhe von etwa 12.000 Mark, dann noch eine weitere Summe in ähnlicher Höhe, denn er war ja noch Landtagsabgeordneter, dazu kam ein Zubrot durch eine Anzahl von Aufsichtsratsmandaten (Rheinbraun AG, KölnMesse, Flughafen…), schließlich unterhielt der Vielbeschäftigte noch eine Rechtsanwaltspraxis. Burger klagte wegen Verleumdung und wollte 40.000 Mark Schmerzensgeld. (Diese willkürlich erscheinende Summe könnte in etwa seinem Monatseinkommen entsprochen haben) Als zwei Jahre später das Oberlandesgericht das Verfahren zu Lasten Burgers bzw. der Stadtkasse einstellte, erfuhr die Öffentlichkeit nichts davon.
 
Kardinal Meisner: Adenauer von Gott geschenkt
 
Eine theologische Variante des Verschweigens lieferte ein gewisser Joachim Meissner. Der Kölner Erzbischof und Kardinal hatte bei der Pontifikalmesse im Kölner Dom aus Anlass von Konrad Adenauers 125. Geburtstag gepredigt: „Er wurde uns von Gott geschenkt…“ Das fand ich eine Gotteslästerung. Hatte doch der vorgeblich christliche Politiker Adenauer in seiner Zeit als Kölner Oberbürgermeister schwarze Kassen geführt, Aktien-Insidergeschäfte getätigt und in die Kölner Stadtkasse gegriffen, dass seine Nachfolger und Nachahmer wie Helmut Kohl und Klaus Heugel wie Zwerge dastehen. Die Unterlagen dazu schickte ich an Meissner. Der Obersittenwächter schrieb mir zwei Briefe, in denen er sein Gottesgeschenk gegen jeglichen Vorwurf der Korruption mit Verweis auf Jesus Christus verteidigte. Als ich dem Kardinal mitteilte, dass ich den aufschlussreichen Briefwechsel in „Colonia Corrupta“ veröffentlichen wolle, ließ er dies strikt untersagen. Der Briefwechsel hat dennoch irgendwie Eingang in das Buch gefunden und sorgt bei Christen, Un- und Andersgläubigen für aufklärendes Gelächter.
 
Das Verschweigen und Verdrängen hindert freilich nicht, dass man gegebenenfalls gute Geschäfte macht. So die großen Kölner Buchhandlungen. Das Buchhaus Gonski am Neumarkt hatte bei Erscheinen von „Colonia Corrupta“ gleich 150 Exemplare beim Verlag geordert und neben der Kasse einen Stapel mit Plakat aufgestellt: „Der Bestseller zum Kölner Klüngel“. Doch auf die Anfrage, ob man auch eine Lesung mit dem Autor machen wolle, antwortete Gonski: „Wir verkaufen das Buch sehr gut, aber das Thema ist uns zu heiß.“ Die Mayer’sche Buchhandlung, die ebenfalls bestätigte, dass sie das Buch gut verkaufe, wurde noch etwas deutlicher: „Eine Lesung mit diesem Autor wäre für uns geschäftsschädigend“.
 
Alfred Neven DuMont und der Presseclub
 
Aufgrund des verstärkten Interesses – es setzte schon vor dem „Müllskandal“ ein - habe ich mehrere der Artikel aus den 90er Jahren in „Colonia Corrupta“ zusammengestellt. Keiner der „Betroffenen“ hat reagiert, öffentlich. Auch die nicht, die bei der Erstveröffentlichung geklagt haben (zu ihnen gehört neben den bereits Genannten auch Lothar Ruschmeier). Aber wenn etwa Norbert Burger privat gefragt wird, was er zu „seinem“ Kapitel in dem Buch meine, dann sagt er achselzuckend, dass ja alles stimme. Ähnlich ein gewisser Alfred Neven DuMont. Er äußert sich ebenfalls öffentlich nicht zu „seinem“ Kapitel in „Colonia Corrupta“. Aber Claus-Hinrich Casdorff, Vorsitzender des Kölner Presseclubs, berichtet, dass der rheinische Medienmonopolist am Tag nach der Diskussion über den Kölner Klüngel, zu der ich eingeladen war, sofort anrief und kategorisch verlangte, dass der Autor von „Colonia Corrupta“ nicht mehr einzuladen sei.


Alfred Neven DuMont: Diesen Autor nicht mehr einladen!
Quelle: NRhZ-Archiv
 
Wie gesagt, eine Ehre hat die selbsternannte Kölner Klüngelelite nicht, die verteidigt werden könnte. Argumente gegen die „Lügengeschichten“ hat sie auch nicht. Sie hat nur (noch) die Macht, die Wahrheit zu unterdrücken. Aber nicht (mehr) überall. (PK)
 
Erstmals veröffentlicht in „verzäll vun Kölle", 4/2003

Online-Flyer Nr. 156  vom 23.07.2008

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