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Kultur und Wissen
Der Fern-Seher - Folge 8
Deus ist Love - eine neue Enzyklika für die ganze Welt
von Ekkes Frank
Manchmal übersieht man als Fern-Seher das Naheliegende. Da starre ich, ein bisschen ungläubig, auf das bemerkelnswerte Treiben unserer (nicht mehr ganz so) neuen Kanzlerin in Berlin, Paris, Washington und Moskau. Auf das weltweit wirklich wichtigste Ereignis aber muss ich von der Süddeutschen Zeitung gestoßen werden. "Papst warnt vor ungezügeltem Kapitalismus" brüllt mich die Aufmacherschlagzeile vom 26. Januar an.
Seit wir Papst wurden, war es ja ein wenig still geworden um uns, dem Herrn sei´s gedankt. Dafür aber jetzt dieser Paukenschlag! "Deus caritas est" (das Unaussprechliche sagen wir in Rom noch immer gern auf lateinisch) ist der Titel dieser ersten entzückenden Enzyklika von uns. Zum Glück gibt es spiegel-online, die übersetzen das ins zeitgemäß-internette "Love, love, love!" und schwärmen und schwärmen von dem Rara-Trara, dem radikalen Ratzinger-Erguss: Es ist ein Hohelied der Liebe, wie es einfacher und radikaler nicht geht. Und: Eros als gemischtgeschlechtliche Liebe bestimmt, Liebe zwischen Mann und Frau im Bett der Ehe: "Der Eros verweist von der Schöpfung her den Menschen auf die Ehe, auf eine Bindung, zu der Einzigkeit und Endgültigkeit gehören." Ein Gott, ein Gatte/eine Gattin. Und, logische Konsequenz: Der zum 'Sex' degradierte Eros wird zur Ware, zur bloßen 'Sache'; man kann ihn kaufen und verkaufen, ja der Mensch selbst wird dabei zur Ware.
Äh, Moment - jetzt bin ich aber doch ein bisschen verwirrt: ist das die Zügellosigkeit, vor welcher - laut SZ - der Papst warnt? Dass wir nicht übereinander herfallen wie Heuschrecken, sondern dass jeder seinen Anteil...äh, bekommt an der Liebe zwischen Mann und Frau, die nicht aus Denken und Wollen kommt, sondern den Menschen gleichsam übermächtigt?
Meiner Rätseleien Lösung, wie so oft: es kommt drauf an, was man in einem Text sucht und dann meist auch findet. In der Bibel zum Beispiel, mit deren Zitaten man alles belegen kann und das genaue Gegenteil davon ebenso. Oder dann halt auch in einer Enzyklika. Nach einem ersten Teil, in der sich der Paparatzi "moraltheologisch mit der Liebe Gottes und ihren Folgen für die Menschen" (Zitat SZ) befasst, kommt ein zweiter Teil, in dem er sich "mit der christlichen Soziallehre, humanitärer Hilfe und dem Verhältnis von Kirche und Staat" auseinandersetzt. Und siehe da: selbst die von der SZ gelieferten Belegsätze lassen die mich zunächst so erschreckende antikapitalistische Radikalität zusammenschnurren auf ein realkatholisches Seid-nett-zueinander. Und das macht dann auch begreiflich, warum die Enzyklika "auf große Zustimmung" gestoßen ist, von den Kardinälen Lehmann und Wetter über das Zentralkomitee der deutschen Katholiken bis hin zu dem "vatikankritischen Tübinger Theologen Hans Küng", der auch nur ein bisschen herummäkelt, dass vielleicht doch nicht alle Menschen sich so richtig mit der neovatikanischen Weltsicht einig sehen können, etwa "Geschiedene, Wiederverheiratete, Kirchenkritiker, am Zölibat Gescheiterte sowie Frauen und Männer, die Verhütungsmittel gebrauchen". Oder auch, sagen wir es doch: Homosexuelle.
Die Herren Ackermann, von Pierer, Schlecker und tutti quanti, welche in dem Buch des ZDF-Journalisten Michael Opoczyinski als "Blutsauger der Nation" vorgeführt werden (Untertitel: "Wie ein entfesselter Kapitalismus uns ruiniert") müssen jedenfalls keine Angst vor uns haben - unsere Enzyklika hebt allenfalls den Finger und mahnt "Du, du, du...!"
Eine echte Lebenshilfe könnte sie allerdings allen Menschen sein, die eine Prüfung vor sich haben. Wie in der gleichen SZ auf S. 14 berichtet wird, tun sich - nach einer britischen Studie - all jene Examenskandidaten leichter, die vor der Prüfung Sex hatten, "am besten Geschlechtsverkehr", denn "Selbstbefriedigung oder andere Sexpraktiken, bei denen es nicht zum Koitus kommt, haben der Studie nach eine deutlich schlechtere Anti-Stress-Wirkung." Aber natürlich nicht vergessen: das gilt nur für eheliche Prüfungsvorbereitungen! Da ist unsere Enzücklika unmissverständlich radikal. Wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn nicht.

Unser Fern-Seher
Foto: NRhZ-Archiv
Online-Flyer Nr. 29 vom 31.01.2006
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Der Fern-Seher - Folge 8
Deus ist Love - eine neue Enzyklika für die ganze Welt
von Ekkes Frank
Manchmal übersieht man als Fern-Seher das Naheliegende. Da starre ich, ein bisschen ungläubig, auf das bemerkelnswerte Treiben unserer (nicht mehr ganz so) neuen Kanzlerin in Berlin, Paris, Washington und Moskau. Auf das weltweit wirklich wichtigste Ereignis aber muss ich von der Süddeutschen Zeitung gestoßen werden. "Papst warnt vor ungezügeltem Kapitalismus" brüllt mich die Aufmacherschlagzeile vom 26. Januar an.
Seit wir Papst wurden, war es ja ein wenig still geworden um uns, dem Herrn sei´s gedankt. Dafür aber jetzt dieser Paukenschlag! "Deus caritas est" (das Unaussprechliche sagen wir in Rom noch immer gern auf lateinisch) ist der Titel dieser ersten entzückenden Enzyklika von uns. Zum Glück gibt es spiegel-online, die übersetzen das ins zeitgemäß-internette "Love, love, love!" und schwärmen und schwärmen von dem Rara-Trara, dem radikalen Ratzinger-Erguss: Es ist ein Hohelied der Liebe, wie es einfacher und radikaler nicht geht. Und: Eros als gemischtgeschlechtliche Liebe bestimmt, Liebe zwischen Mann und Frau im Bett der Ehe: "Der Eros verweist von der Schöpfung her den Menschen auf die Ehe, auf eine Bindung, zu der Einzigkeit und Endgültigkeit gehören." Ein Gott, ein Gatte/eine Gattin. Und, logische Konsequenz: Der zum 'Sex' degradierte Eros wird zur Ware, zur bloßen 'Sache'; man kann ihn kaufen und verkaufen, ja der Mensch selbst wird dabei zur Ware.
Äh, Moment - jetzt bin ich aber doch ein bisschen verwirrt: ist das die Zügellosigkeit, vor welcher - laut SZ - der Papst warnt? Dass wir nicht übereinander herfallen wie Heuschrecken, sondern dass jeder seinen Anteil...äh, bekommt an der Liebe zwischen Mann und Frau, die nicht aus Denken und Wollen kommt, sondern den Menschen gleichsam übermächtigt?

Die Herren Ackermann, von Pierer, Schlecker und tutti quanti, welche in dem Buch des ZDF-Journalisten Michael Opoczyinski als "Blutsauger der Nation" vorgeführt werden (Untertitel: "Wie ein entfesselter Kapitalismus uns ruiniert") müssen jedenfalls keine Angst vor uns haben - unsere Enzyklika hebt allenfalls den Finger und mahnt "Du, du, du...!"
Eine echte Lebenshilfe könnte sie allerdings allen Menschen sein, die eine Prüfung vor sich haben. Wie in der gleichen SZ auf S. 14 berichtet wird, tun sich - nach einer britischen Studie - all jene Examenskandidaten leichter, die vor der Prüfung Sex hatten, "am besten Geschlechtsverkehr", denn "Selbstbefriedigung oder andere Sexpraktiken, bei denen es nicht zum Koitus kommt, haben der Studie nach eine deutlich schlechtere Anti-Stress-Wirkung." Aber natürlich nicht vergessen: das gilt nur für eheliche Prüfungsvorbereitungen! Da ist unsere Enzücklika unmissverständlich radikal. Wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn nicht.

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