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Aktueller Online-Flyer vom 02. Mai 2024  

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Literatur
Der Klassiker und die Nachwelt – zweite Folge
Vorsicht, Hacks!
Von Georg Fülberth

Der Schriftsteller Peter Hacks wäre dieses Jahr achtzig Jahre alt geworden – Georg Fülberth nimmt dies zum Anlass für eine ausführliche Würdigung des Dichters und Marxisten. In dieser und in der kommenden Ausgabe der NRhZ beleuchtet er verschiedene Aspekte des Lebens und künstlerischen Schaffens eines der bedeutendsten deutschen Autoren der letzten Jahrzehnte: Hier über Staatskunst, „sozialistische Klassik“ und die Produktionsbedingungen in der DDR – die Redaktion.

Produktionsbedingung DDR

Wer Peter Hacks gerecht werden will, muß Abstand halten, mag beim erkenntnisfördernden Bemühen um Distanz zunächst auch wieder die eine oder andere Ungerechtigkeit unterlaufen. Versuchen wir dies anhand seiner Biographie:

Berthold Brecht Zeichnung Margitta Bieker 2006
Berthold Brecht
Zeichnung Margitta Bieker 2006    
Geboren 1928, wurde Peter Hacks ein Jahr vor der Zeit eingeschult, übersprang eine Klasse, war mit 23 Jahren promoviert, hatte ganz früh literarische Erfolge, darunter mit seinen Stücken „Das Volksbuch vom Herzog Ernst“ und „Eröffnung des Indischen Zeitalters“. Da war er Mitte Zwanzig und langweilte sich längst an seinem Wohnort München. Für den einzigen ihm gemäßen Umgang hielt er Bertolt Brecht und Thomas Mann. Er suchte die Bekanntschaft der beiden zu machen. Thomas Mann starb 1955, Brecht konnte den siebenundzwanzigjährigen Hacks nicht daran hindern, im selben Jahr in die DDR umzuziehen.

Der Eleve schrieb zunächst Dramen in der Manier des Meisters, mit denen er zeigte, daß er diesem auf dessen eigenem Feld gewachsen, im zuspitzenden Humor sogar überlegen war. Er konnte einfach alles. Diese Erkenntnis machte ihn übermütig, und er versuchte sich an einem neuen Beweis: daß er nämlich den antifaschistisch-demokratischen Umbau und den Sozialismus in Dramen darzustellen vermochte, in denen Brikettarbeiter, Glasarbeiter, Bauern und ein Sauhirt in Versen reden – „Die Sorgen und die Macht“, „Moritz Tassow“. Dies gelang ihm vorzüglich, aber die sozialistische Obrigkeit nahm übel. Zwar ließ sie sich sonst gern besingen, aber doch bitte nur so, wie sie es sich vorher selber zurechtgelegt hatte. Die DDR zeigte sich als ein Ort, an dem, wer alles konnte, doch nicht alles durfte.

peter hacks
Als André Müller 1963 die Aufzeichnung seiner Gespräche mit Hacks begann, bemerkte er, wie dieser angesichts solcher Auseinandersetzungen unter innerer Spannung stand, die er aber zu meistern versuchte. Vielleicht hat er schon damals jenen Habitus auszubilden begonnen, den  er selber „Haltung“ nannte und später in seinem Stück über den Tod des Seneca darstellte. Wer alles konnte, fand Wege, trotz der nun entdeckten Bedingungen,  unter denen dies in der DDR gerade noch  zu machen war, politisch und ästhetisch Sinnvolles zu tun. „Der Frieden“ nach Aristophanes ist auch heute noch ein Hit der Festspielsommer, mit „Polly“ und „Die schöne Helena“ verstand Hacks zu unterhalten. Er wurde zum meistgespielten deutschsprachigen Dramatiker und reich.

Zum Dissidenten hatte er keine Lust, und er hatte das auch gar nicht nötig. Statt dessen machte er aus der Not, in die er mit „Die Sorgen und die Macht“ sowie „Moritz Tassow“ geraten war, eine Tugend, nämlich Theorie und Praxis einer sozialistischen Klassik oder auch einer „postrevolutionären Dramatik“. Das ging so: Wenn die alte herrschende Klasse noch nicht abgedankt hat und die künftige noch nicht herrscht, schlägt die Stunde einer Staatskunst, die beide im Gleichgewicht hält.

walter ulbricht briefmarke DDR
Walter Ulbricht im Briefmarken-            
format
Das ist auch die Zeit der Klassik in der Kunst: Elisabeth I. von England und Shakespeare, Herzog Carl August und Goethe, Walter Ulbricht und Peter Hacks. Der Erste Sekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands hatte erklärt, daß der Sozialismus eine relativ selbständige Gesellschaftsformation im Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus sei, keine Klassengesellschaft mehr, sondern eine sozialistische Menschengemeinschaft. Hier konnten, so fand Hacks, die Künste gedeihen.

Diese Verhältnisse stellte er in seinem Drama „Margarete in Aix“ dar. Ludwig XI. von Frankreich war Walter Ulbricht, in König René von der Provence bildete Hacks sich selbst ab. André Müller: „Er hat einen Traum: eine Gesellschaft, die ihn versteht und ihm die gebührende Stellung zubilligt, die höchste also, und viele Menschen, die ihrerseits durch ihre Fähigkeiten auch hochstehen und ihm fast ebenbürtig sind.“

In „Margarete in Aix“ kommen Kunst und Macht am Ende zueinander in das beiden gemäße Verhältnis. 1969 fand in Basel die Uraufführung statt. Die DDR-Premiere im Oktober 1973 in der Inszenierung von Benno Besson wurde eine Katastrophe: nicht etwa, weil das Publikum das Stück ausgepfiffen oder die Kritik es verrissen hätte, sondern weil Hacks sich danebenbenahm.

Müller berichtet: Der Dichter sitzt im Zuschauerraum, Besson läßt ihn holen, Hacks „steht widerwillig auf und geht lässig, mit finsterem Gesicht, eine Hand in der Hosentasche, von der zehnten Reihe aus auf die Bühne. Ich sehe, wie er sich verdrossen verbeugt, die Karusseit (die Hauptdarstellerin) leicht auf die Wange küßt und dann wieder – die Hand weiter in der Hosentasche – zurück zu seinem Platz geht. Er hat Besson damit vor aller Welt desavouiert. Natürlich ist der Beifall kaputt, und es gibt mindestens 20 Vorhänge weniger. (…) Die Schauspieler weinen und besaufen sich, die Karusseit heult ungeheuer und geht dann empört auf mich los. Dann wollen sie Hacks verprügeln, saufen aber lieber.“

Was war passiert?

Lesen Sie die Antwort auf diese Frage und  die Fortsetzung von Georg Fülberths Artikel „Vorsicht, Hacks!" in der kommenden Ausgabe der NRhZ. 
Der Artikel erschien im Original in der Jungen Welt.

Das letzte Wort soll aber auch dieses Mal dem Dichter Peter Hacks gehören:
(CH)

Denkmal für ein Denkmal (2)

    Was für roter Fels im Heidesand,
    Wirre Blöcke, ungefüge Kloben?
    Wie gelangt Granit ins märkische Land?
    Welche Eiszeit hat ihn hergeschoben?

    Lenins Trümmer sind dies. Letztes Jahr
    Ward sein Bild zerstört und hier vergraben.
    Als sie Stalin kippten, das war klar,
    War auch Lenin nicht mehr lang zu haben.

    Terror kann der Leninbilder spotten,
    doch nicht Lenins Wort im Wald versenken.
    Terror kann die Denkmäler verschrotten,
    Nicht das Denken.


Das Gedicht entstammt der Werkausgabe von Peter Hacks (15 Bände, Berlin 2003). Wir danken dem
Eulenspiegel Verlag für die freundliche Genehmigung zur Veröffentlichung.

Online-Flyer Nr. 151  vom 18.06.2008

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