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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Lokales
Kollegen der Frankfurter Rundschau besuchen Kölner Neven DuMont-Haus
Verantwortung in Köln eingefordert - Streik in Frankfurt
Von Hans-Dieter Hey

„Patriarch" Alfred, dessen Privatvermögen auf eine Milliarde Euro geschätzt wird, hat sich nicht sehen lassen, als seine nach Köln gereisten neuen „Untergebenen" von der „Frankfurter Rundschau" am Montag im „Neven DuMont-Haus" einen an ihn gerichteten Offenen Brief übergaben und auf dem Gelände Flugblätter verteilten. Sie fordern darin eine neue Verhandlungsbasis für die Zukunft und die Früchte ihrer Arbeit, weil sie fürchten, dass ihre 1945 gegründete Zeitung durch die Strategie des Kölner Mehrheitseigentümers scheibchenweise zerschlagen werden soll.



Auch beim Mutterkonzern M. DuMont-Schauberg (MDS) mussten in den vergangenen Jahren rund 800 Mitarbeiter von 1.950 ins Gras beißen. Meist trennte man sich „heimlich" mit Abfindungen. Das ist weniger öffentlichkeitswirksam, weil es keinen Sozialplan gibt. Auch 2008 hat man sich „durch die Hintertür" wieder von über 130 Mitarbeitern mit Abfindungen getrennt. Demnächst steht die Abteilung „Korrektur" auf der Streichliste. Für die betroffenen Beschäftigten hat der Betriebsrat in letzter Sekunde noch mal eine Weiterbeschäftigung erreicht. Doch geplante neue Drucktechniken werden die Personalstruktur weiter unter Druck setzen und ausdünnen. „Die versuchen es immer wieder. Auf Dauer werden qualifizierte Arbeitsplätze abgeschafft und durch Billigarbeitsplätze ersetzt", so der Kölner MDS-Betriebsratsvorsitzende Robert Josephs. Und offenbar regiert „Der Patriarch" – so Mitarbeiter über ihren Alt-Herrenmeister Alfred Neven DuMont – mit dem Prinzip der Angst, denn es gebe nur schwachen Widerspruch aus der Belegschaft. Ein Mitglied des Betriebsrats traut sich: „Wer bei DuMont nicht springt oder den kritisiert, fliegt raus, da ist der völlig hemmungslos."  

In Neven DuMonts Haifischbecken

Seit einem Jahr liegt auch die „Frankfurter Rundschau" in DuMonts Haifischbecken. Die NRhZ hat mehrfach über die Folgen berichtet, zuletzt in Nummer 149. Schon vor der Mehrheitsübernahme durch den Kölner Konzern mussten in Frankfurt in den letzten Jahren rund 1.000 Beschäftigte ihre Arbeitsplätze räumen. Seit MDS das Sagen hat, wurde zu Lasten der Qualität der Zeitung das von Fachleuten geächtete „Tabloid-Format" eingeführt, die Bereiche Rechnungswesen und Controlling sollen ab Juli nach Köln verlagert werden – zu Lasten der Arbeitsplätze in Frankfurt. Grafik, Layout und Produktionsplanung sollen in die bereits bestehende „FR Design GmbH" zum billigen Aussenhandelstarif ausgegliedert werden. Angedroht  wird von der  Chefredaktion auch, daß die  Außenredaktionen ebenfalls  in GmbHs ausgegliedert werden könnten. 


Frankfurter Rundschau im Haifischbecken
Quelle: Vertrauensleute bei der FR


Die Betriebsratsvorsitzende der Frankfurter Rundschau, Ingrid Eckert, will deshalb die "Muttergesellschaft" MDS an ihre Verantwortung für das Frankfurter Unternehmen erinnern, damit dort endlich eine wirtschaftlich sinnvolle Perspektive geschaffen werde. In einem am Montag in Köln übergebenen offenen Brief wandte sich der FR-Betriebsrat an den Mehrheitseigner und warf dessen Geschäftsführung darin vor, vereinbarte Verträge nicht einzuhalten und ein „unternehmerisches Konzept" entwickelt zu haben, mit dem man „bei keiner Bank der Welt auch nur einen Cent" erhalten würde. Seit Oktober sei die FR-Geschäftsführung ergebnislos aufgefordert worden, in konstruktive Gespräche einzutreten. Nun liege seit April ein Konzept vor, dass aber „keinerlei wirtschaftliche Daten, Fakten und Analysen beinhalte". Alle Rahmendaten seien darin verfehlt worden, vor allem sei „die innerbetriebliche Kultur des Miteinanders in der Frankfurter Rundschau systematisch von dieser Geschäftsführung zerstört" worden. Harter Tobak für den von MDS tolerierten FR-Geschäftsführer Karl-Heinz Kroke.

Notfalls Streikmaßnahmen ausweiten

Marcel Bathis, Sprecher des FR-Vertrauenskörpers: "Nach vielen Opfern und einem Personalabbau von 1.000 Arbeitsplätzen ist unsere Belegschaft auf 600 Mitarbeiter geschwunden. Es ist geplant, den Betrieb in Einzelteile zu zerlegen, um aus der Tarifbindung für Druckindustrie und Redakteure auszusteigen, die Einkommen der Kolleginnen und Kollegen zu senken und die Arbeitszeiten zu verlängern. Wir sind hier, um dem Anteilseigner unmissverständlich klar zu machen: Wenn sie von ihrem Weg nicht ablassen, werden wir unsere Streikmaßnahmen ausweiten."


"Grabstein" vor dem Neven-DuMont-Haus: Kein Interesse...
Fotos: arbeiterfotografie


Schwierigkeiten hat man beim Pressekonzern M. DuMont-Schauberg offenbar auch im Umgang mit der freien Meinungsäußerung. Offenbar soll alles vermieden werden, was dem Heiligenschein „Neven DuMont" – an dem seit Jahren eifrig gebastelt wird – den Glanz nehmen könnte. So führte am Montag das Aufhängen von Plakaten am „Grabstein" (so der Mitarbeiter-Jargon) vor dem Neven DuMont-Haus fast zu körperlichen Auseinandersetzungen mit Vertretern der Kölner Führung. Rainer Maria Kalitzky vom Frankfurter Vertrauenskörper verteidigte das Anbringen der Plakate für „Qualität, gute Preise für gute Arbeit und Pressefreiheit": „Wir haben verschiedene Motive aufgehängt. Und die haben nichts Besseres zu tun gehabt, als die Plakate wieder abzureißen. Es war beschämend, wie die sich präsentiert haben. Mit zwei, drei Sekretärinnen, dem Sicherheitsdienst und dem Hausjuristen haben sie versucht, die Sachen wieder abzureißen. Damit haben die sich entblößt."


...an freier Meinungsäußerung
Fotos: arbeiterfotografie
Nach diesem Eklat schien es doch zu Verhandlungen zu kommen. Am Abend traf man sich jedenfalls mit der Konzernführung, um sich über die unterschiedlichen Positionen auszutauschen. Und dabei machten die Frankfurter klar, dass sie sich nicht so leicht geschlagen geben und MDS notfalls einige öffentlichkeitswirksame Kämpfe liefern werden, wenn keine sinnvolle Lösung für sie in Sicht kommen sollte.

Am Dienstag gab es ein langes und von kämpferischer Stimmung gepärgtes Treffen der FR-Vertrauensleute in Neu-Isenburg, in dem weitere mögliche Aktionen und Schritte in Richtung Arbeitskampf besprochen wurden. Am Donnerstagmorgen werden als Höhepunkt dieser Aktionswoche ab 11 Uhr in Neu-Isenburg die FR-MitarbeiterInnen in einer Betriebsversammlung über das geplante weitere Vorgehen unterrichtet. Auch die Gewerkschaft ver.di – die sich bisher eher zurückhaltend zeigte – hat inzwischen offenbar erkannt, dass die anstehenden Fragen lokal nicht zu lösen sind und den Fall Frankfurter Rundschau jetzt an die Gewerkschaftsspitze in Berlin abgegeben. Es wäre nämlich ein schwerer Schlag für die Pressefreiheit, wenn diese liberale und qualitativ hochwertige Zeitung aus der Presselandschaft in Deutschland verschwinden würde. (PK)

Aktuelle Ergänzung der Redaktion:

Am Donnerstag legten die FR-MitarbeiterInnen in der Druckerei die Arbeit nieder. Ziel des Streiks war, dem Kölner DuMont-Konzern und der SPD-eigenen Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (ddvg) durch das Nichterscheinen der Freitagausgabe klar zu machen, dass der Widerstand notfalls verstärkt werden könne. MDS und der FR-Geschäftsführung gelang es aber, die in der Gewerkschaft ver.di organisierten Drucker des Madsack-Konzerns in Hannover zum Streikbruch zu bewegen.

"Und sie erschien doch", gratulierte der Geschäftsführung und den Streikbrechern die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Nach Erscheinen der FR am Freitag, dem 13. - wenn auch in erheblich geringerer Auflage - schickte ein ver.di-Vertrauensmann einen Offenen Brief an seine Gewerkschaft und an den DGB – Überschrift: .
 
Thema: Wie buchstabiert man den Inhalt der Solidarität?
 
Wenn unsere Informationen alle auch nur annähernd wahr sind, machen Frankfurter aus der Chefredaktion und der Taskforce die auch “Terstiege Truppe” genannt wird, Streikbruch. MDS-Mitarbeiter in der Technik von Köln ebenso: Streikbruch. Diese leiten die Daten nach Hannover zu Madsack (und angeblich auch nach Belgien oder Luxenburg). In Hannover wird eine (intern sogenannte) Notausgabe von Verdi-Mitgliedern in einer Auflage von ca. 50.000 gedruckt.

Alle Betriebsratsfürsten aus Köln und Hannover und auch die Hauptamtlichen aus diesen Streikbruch-Orten sind dummerweise angeblich nicht erreichbar und/oder müssen/möchten auf “Rechtslagen” etc. Rücksicht nehmen. Praktische S O L I D A R I T Ä T ist sowohl in Köln als auch in Hannover ein Fremdwort.
 
Diese Duckmäuser lügen unsere streikende Belegschaft an und der ver.di-Apparat schaut tatenlos zu. So wie auch in anderen Städten lassen diese Herren Funktionäre zu, dass kämpfende Belegschaften verbrannt statt unterstützt werden.
 
Ich hoffe, nicht nur einige Vertrauensleute haben aus der GDL-Story gelernt, sondern auch unsere Belegschaft. In Neu Isenburg wurde keine FR für Freitag den 13. Juni 2008 gedruckt. Wenn uns jemand das Genick brechen könnte, ist es bestimmt nicht die Gegenseite sondern die Hosenscheisser aus den eigenen Reihen, siehe Text oben. Dies müsste so auch in der Öffentlichkeit benannt werden.
 
Nicht nur die deutsche Fussballnationalmanschaft hat gestern ihr Spiel verloren, sondern auch verdi mit den entsprechenden Betriebsräten hat wieder einmal durch mehrere Eigentore ein Spiel vergeigt. Bald wird ver.di in die 2. Liga absteigen und Mitglieder aus der “Hansen-Familie” werden dann bei den Kapitalisten um Gnade kratzen. Es ist erst 5 nach 12, und noch lange nicht ist der Widerstand der FR-Belegschaft gebrochen. Der ver.di-Elefant ohne Füsse hat daran aber recht wenig Anteil.
 
Herr Wernecke und Herr Birske, sorgen sie bitte schnellstens mit dafür, dass Mitglieder die Streikbrucharbeit leisten, auch wenn es Betriebsratsfürsten sind, aus unserer Gewerkschaft ausgeschlossen werden.
 
Rainer Maria Kalitzky
ver.di-vertrauensmann FB 08, Mitglied der betrieblichen Streikleitung bei der FR und seit 2006 Betriebsratmitglied bei der FR

 

Online-Flyer Nr. 150  vom 11.06.2008

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