NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 12. Mai 2024  

zurück  
Druckversion

Inland
UNO-Charta, Menschenrechte und Sicherheitsratsresolutionen achten!
Kritik von Links an Gysi-Rede zu Israel – Teil I
Von Peter Kleinert

In einer Rede bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) zur „Haltung der deutschen Linken zum Staat Israel“ und zu einer linken Außenpolitik hat Gregor Gysi dargelegt, dass seiner Ansicht nach für die Sicherheit Israels und Frieden mit allen seinen Nachbarn und den Palästinensern vor allem die Bildung eines lebensfähigen palästinensischen Staates notwendig sei. Dabei berief er sich u.a. auf den preußischen General und Militärtheoretiker Carl von Clausewitz. Nicht nur deshalb erntete Gysi Widerspruch von Mitgliedern des Gesprächskreises Frieden und Sicherheitspolitik der RLS.

Gregor Gysi: Solidarität mit Israel Staatsräson
Foto: gesichter zei(ch/g)en

 
Gregor Gysis Forderung nach einer Garantie der Sicherheit Israels werde von ihnen natürlich unterstützt, so die Autoren der öffentlichen Stellungnahme. Was er fordere, werde aber „seit mehr als vierzig Jahren von Israel nicht akzeptiert, weil bisher vermieden wurde, die Einhaltung des Völkerrechts und die Erfüllung der UNO-Sicherheitsratsresolutionen 242 aus dem Jahre 1967 und der 338 aus dem Jahre 1973 nachdrücklich einzufordern. So sahen sich die israelischen Regierungen bisher in der Besiedelung palästinensischer Gebiete und der Negierung der Flüchtlingsproblematik vor allem durch die USA toleriert.“ Auch die Bundesregierung habe wiederholt dagegen gewirkt, wenn es in der EU „Bemühungen gab, auf Israel im Interesse der Einhaltung des Völkerrechts einzuwirken.“ Im Nahen und Mittleren Osten spreche man von zweierlei Maß, „auch israelische Friedensaktivisten und viele Juden in aller Welt fordern immer wieder, dass Israel in dieser Hinsicht doch wie jeder andere Staat behandelt werden müsste“.


Collage: Christian Heinrici
(Bild Daniel Maleck Lewy u. Sarah J.)
Gysi meine, für die Linke habe „Solidarität mit Israel den Status einer Staatsräson“ Damit schließe er sich ausdrücklich der von Bundeskanzlerin Merkel zuletzt im März in der Knesseth gehaltenen Rede an. Doch, so die Frage an ihn: „Kann Staatsräson und Solidarität für die Linke dasselbe wie für Frau Merkel bedeuten?... Soll sich diese Solidarität auf alles beziehen, was dieser Staat tut, auch wenn es für Linke unakzeptabel sein muss?“ „Nein“, so die Autoren: „Solidarität muss da aufhören, wo staatliches Handeln Völkerrecht und Menschenrechte verletzt.“
 
Okkupation Hauptursache des Terrors

illegale siedlungen im westjordanland
Israelische Siedlungen im Westjordanland     
Karte: NRhZ-Archiv
Die Okkupation der palästinensischen Gebiete sei „die Hauptursache für terroristische Gewalt“ und „zur Waffe gegen eine militärisch überlegene, mit allem modernen Waffen ausgerüstete Besatzungsmacht“ geworden. Deshalb müsse die Linke „auch im Interesse der israelischen Bürger“ für die Beendigung der Besetzung eintreten. Zu diesem Ergebnis kämen auch die beiden israelischen Historiker Idith Zertal und Akiva Eldar in ihrem Buch über die Siedlerbewegung seit 1967 (1):

Die andauernde militärische Okkupation und die jüdischen Siedlungen hätten „die Demokratie des Landes und seine politische Kultur an den Rand des Abgrunds geführt… Die Herren des Landes - BuchtitelEin Staat, der aus der Katastrophe der Vernichtung des europäischen Judentums entstanden ist und aus dieser stets seine absolute Legitimation für die Art und Weise seiner Gründung und die Tatsache seiner Existenz gezogen hat, ist wegen der Siedlungen in seinem Innern zersplittert und wird im Ausland zunehmend zum Gegenstand bitterer Kontroversen… Erst wenn die israelische Gesellschaft den Mut finden sollte, sich von den Gebieten zu trennen, die es vor vierzig Jahren im Krieg besetzte, könnte das Land endlich seinen Platz in der Region finden und seine Stellung in der internationalen Gemeinschaft zurückerlangen.“ Deshalb sollte die Linke in Deutschland gegen eine Politik auftreten, die Israel bisher keinen Frieden gebracht habe.

Zwei-Staaten-Lösung
 
„Am Ende Deiner Ausführungen argumentierst Du für die Notwendigkeit der Zwei-Staaten-Lösung“, halten die RLS-Autoren Gysi vor. Wenn er das aber mit dem Satz begründe: “Wer nur einen Staat für Jüdinnen und Juden, Palästinenserinnen und Palästinenser mit demokratischer Struktur will, akzeptiert damit heute, dass die Palästinenserinnen und Palästinenser die Mehrheit stellten, alles besetzten und die Verfolgungen, Unterdrückungen und Pogrome gegen Jüdinnen und Juden wie seit Tausenden von Jahren wieder begännen, nicht zu verhindern wären“, dann vergesse er, dass es trotz dieser gegenwärtig mehrheitlich vertretenen Lösung, „von Anfang an bis heute sowohl auf jüdischer als auch palästinensischer Seite Bestrebungen gab und gibt, gemeinsam in einem demokratischen Staat zu leben“. Unterdrückungen und Pogrome entstammten „gerade nicht der nahöstlichen (und der islamischen) Kultur“, sondern seien „Teil europäischer (und deutscher!) Geschichte“ gewesen.
 
„Existenzrecht“
 
Wie im herrschenden Diskurs immer wieder hervorgehoben, betone Gysi das „Existenzrecht“ Israels. Dabei sei Israel „de jure international und de facto auch von den arabischen Staaten längst anerkannt“ worden, auch durch die PLO. Und selbst die Hamas habe „längst und mehrfach die Anerkennung angeboten – allerdings um den Preis der Anerkennung eines palästinensischen Staates innerhalb der 1967 besetzten Gebiete“. Verschleiert durch die gebetsmühlenhaft wiederholte Forderung nach der Anerkennung des „Existenzrechts“ werde aber die Kernfrage einer endgültigen „Definition des Staatsgebiets Israels“. Und „hinter der Beschwörung des Existenzrechts Israels und der besonderen deutschen Verantwortung“ dafür verberge „sich nicht nur der Unwillen der israelischen Regierung, die Territorialfrage zu lösen. Auch unsere Regierung vermeidet damit unangenehme, ja peinliche Fragen: Wie hielt und hält es denn die Bundesrepublik Deutschland mit der Rückgabe des „arisierten Eigentums“? Wie hat sie die Forderungen nach Entschädigung und Versorgung jener jüdischen Menschen behandelt, die den Horror des Nazi-Regimes überlebt haben? Hier wären Taten angebracht gewesen – bei uns!“ (2)
 
Unterzeichnet wurde die Stellungnahme von 
PD Dr. Johannes M. Becker, Marburg.
Murat Cakir, Sprecher des Europäischen Friedensrats Türkei.
Dr. Ingrid el-Masry, Marburg.
Prof. Dr. Hans-Jürgen Krysmanski, Münster und Hamburg.
Prof. Dr. John Neelsen, Tübingen und Verdun.
Prof. Dr. Werner Ruf, Edermünde.
Jochen Scholz. Oberstleutnant a.D., Mitglied in der Kommission Bundeswehr und Europäische Sicherheit beim ISFH.
Dr. Peter Strutynski, Kassel, Sprecher des Bundesausschuss Friedensratschlag.
Prof. Dr. Wolfgang Triebel, Mitglied der LAG FIP Berlin.

Anmerkungen der Redaktion:
(1) Idith Zertal und Akiva Eldar: „Die Herren des Landes. Israel und die Siedlerbewegung seit 1967“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007 und NRhZ 146 Offener Brief von Dr. Meir Margalith an Angela Merkel.
(2) Britta Bopf: „Arisierung in Köln - Die wirtschaftliche Existenzvernichtung der Juden 1933-1945“ und NRhZ 138 „Zugesehen – mitgemacht – profitiert? – Böse Taten – keine Täter“ von Eberhard Reinecke (PK)

In der nächsten NRhZ-Ausgabe folgt Teil II




Online-Flyer Nr. 148  vom 28.05.2008

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE