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Globales
Proteste gegen „Murdered-by-Mumia“-Medienkampagne in den USA
Ein Buch für die Hinrichtung von Mumia Abu-Jamal
Von Peter Kleinert

„Mumia ist unschuldig! Freiheit jetzt!“ schallten Sprechchöre vor den NBC-Studios in New York, als Maureen Faulkner und Rundfunksprecher Michael Smerconish in Matt Lauers Today-Show auftraten, um für ihr Buch „Murdered by Mumia“ („Von Mumia ermordet“) zu werben. In absehbarer Zeit wird nämlich die Entscheidung des Dritten US-Bundesberufungsgerichts zur Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den Journalisten Mumia Abu-Jamal erwartet, der seit 1982 in der Todeszelle gegen seine Hinrichtung kämpft (siehe NRhZ 25, 32, 52 und 92).

Lügen wieder aufgewärmt

mumia abu-jamal KAOS-archiv
Mumia Abu Jamal –        
1982 zum Tode verurteilt
Foto: KAOS-Archiv
Das Buch wärmt die Lügen von Polizei und Staatsanwaltschaft wieder auf, die benutzt wurden, um Mumia Abu-Jamal wegen Ermordung des Polizisten Daniel Faulkner am 9. Dezember 1981 in Philadelphia zum Tode verurteilen. In seinem Mittelpunkt steht der Ruf nach Hinrichtung des – wie man seit Jahren weiß – unschuldig verurteilten engagierten Journalisten.


Smerconish und Frau Faulkner, Daniel Faulkners Witwe, machen kein Geheimnis aus dem politischen Zweck des Buches. Sie geben die Linie der Staatsanwaltschaft wieder, nach der die Mitgliedschaft des bei den herrschenden Politikern unbeliebten schwarzen Journalisten in seiner Jugend bei den Black Panthers beweise, dass er schon jahrelang geplant hätte, einen Polizisten zu ermorden. Erica Williamson vom Partisan Defense Committee (PDC) erklärt dazu: „Die rassistischen kapitalistischen Herrscher wollen Mumia tot sehen, weil sie in ihm das Gespenst der schwarzen Revolte erkennen. Der Kampf für Mumias Freiheit ist ein wichtiger Brennpunkt im Kampf, die rassistische Todesstrafe, dieses Erbe der Sklaverei, abzuschaffen.“

„Rassisti­sches und politisches Komplott“

Solidaritätsgruppen wie International Concerned Family and Friends of Mumia Abu-Jamal, Journalists for Mumia und Educators for Mumia unternahmen eine Kampagne, in der sie die Today-Show aufforderten, Mumias Unterstützern zu erlauben, Frau Faulkner und Smerconish in der Sendung zu widersprechen. Nach dem Protest vor den NBC-Studios erklärte Rachel Wolkenstein, Anwältin des Partisan Defense Committee: „Heute in der Today-Show und auf der Straße war klar, dass es zwei deutlich abgegrenzte Seiten gibt: jene, die aufgrund Mumias Unschuld für seine Freiheit kämpfen, und die Kräfte des rassistischen ,Recht und Ordnung‘, angeführt von der Fraternal Order of Police, die Mumias Hinrichtung anstrebt.“


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Proteste am 6. Dezember vor den Studios von NBC | Quelle: KfsV

Rachel Wolkenstein, die von 1995 bis 1999 in Mumias Anwalts­team arbeitete, weiter: „Das ist ein Fall eines rassisti­schen und politischen Komplotts. Über 900 Seiten von FBI/­COINTELPRO-Akten zeigen, dass das FBI und die Polizei von Philadelphia es auf Mumia abgesehen hatten, seitdem er als Fünfzehnjähriger Sprecher für die Black Panther Party war. Er wurde verstärkt ins Visier genommen, als er zum Unterstützer der MOVE-Organisation wurde und zum Journalisten, der als ,Stimme der Entrechteten‘ weithin bekannt war.“

Maureen Faulkner und Michael Smerconish lassen keine Unwahrheit in ihrem Versuch aus, den Weg zur Hinrichtung Mumias zu ebnen. So zeichnen sie in ihrem Buch ein verlogenes Bild von MOVE, einer von Mumia als Journalist unterstützten kommuneartigen „Zurück-zur-Natur“-Organisation, so als wäre sie ein Haufen „gesetzloser“ und „gefährlicher“ Mörder gewesen. Tatsächlich wurde eine jahrelange Kampagne staatlichen Terrors gegen MOVE 1985 durch einen Brandbomben-Anschlag der Polizei auf deren Haus in der Osage Avenue gekrönt, bei dem elf Menschen, darunter fünf Kinder, ermordet und ein ganzes afroamerikanisches Viertel zerstört wurden. Die Autoren von Murdered by Mumia stellen dagegen MOVE als die Verantwortlichen für diesen Massenmord dar, der von der Polizei unter dem afroamerikanischen Bürgermeister, Wilson Goode von der Demokratischen Partei, ausgeführt und vom FBI unterstützt und begünstigt wurde.

Mit dem Ziel, jeden einzuschüchtern, der sich für Mumia einsetzen könnte, führt das Buch auch einen frontalen Angriff auf das Partisan Defense Committee, das sich mit MOVE solidarisierte und seit 20 Jahren für Mumias Freiheit kämpft. Faulkner und Smerconish greifen sogar Stuart Taylor an, einen konservativen Rechtskommentator, der die Fairness von Mumias Prozess vom Jahr 1982 in Frage stellte, dem der als „Henker-Richter“ bekannte Albert Sabo vorsaß.

Der Mörder hat die Tat längst zugegeben

Rachel Wolkenstein: „Indem dieses Buch als Memoiren verfasst wurde, vermeidet es, die Massen an Beweismaterial für Mumias Unschuld widerlegen zu müssen, die in den Jahren nach seinem Prozess zu Tage gefördert wurden. Tatsächlich kann man dieses Beweismaterial auch nicht widerlegen.“ Bereits 1999 hatte Arnold Beverly in einer eidesstattlichen Versicherung erklärt, dass er, nicht Mumia, den Polizisten Faulkner erschossen und getötet habe (siehe ­www.partisandefense.org).


Karikatur: Kostas Koufogiorgos
Karikatur: Kostas Koufogiorgos

Beverly sagte damals aus, dass er und ein anderer Mann angeheuert wurden, um Faulkner umzubringen, der ein Problem für die Unterwelt und für korrupte Polizisten darstellte, weil er Bestechungen und Abfindungen aus Prostitution, Glücksspiel und Drogen behinderte. Zur Zeit der Ermordung Faulkners liefen gegen das Philadelphia Police Department mindestens drei FBI-­Ermittlungen in Sachen Korruption und Polizei-Mafia-Verbindungen. Ein Drittel der Polizisten, die in Mumias Fall involviert waren, standen unter Korruptionsverdacht. Rachel Wolkenstein: „Das unterstreicht, dass die Polizei auf Mumias Tod besteht – nicht nur weil er eine laute Stimme für die Freiheit der Schwarzen war, sondern auch, weil sie so Beweise für ihre eigenen Vergehen begraben können.“

Unter denen, die der Today-Show schrieben und von ihr einen wahrheitsgemäßen Bericht forderten, war auch Veronica Jones, eine der Zeuginnen, die vor dem Prozess von der Polizei eingeschüchtert worden waren. Sie sagte 1996 in einer Berufungsanhörung aus, dass die Polizei sie genötigt hatte, im Prozess von 1982 zu Ungunsten Mumias zu lügen.

Auch Fotos vom Tatort beweisen Mumias Unschuld

In einer 2001 an Bundesstaats- und Bundesgerichte eingereichten eidesstattlichen Erklärung zeigte Wolkenstein, dass es keine Beweise gab, dass Mumias Waffe in jener Nacht abgefeuert wurde. Auch das Fehlen von Einschusslöchern auf dem Gehweg widersprach der Behauptung der Polizei, dass Mumia wiederholt abdrückte, als er über Faulkner stand, und ballistische Hinweise deuten auf mehr als einen Schützen (siehe die Broschüre des Komitees für soziale Verteidigung KfsV „Der Kampf für die Freiheit von Mumia Abu-Jamal – Mumia ist unschuldig!“).
               
Fotos des freiberuflichen Fotografen Pedro Polakoff, die vor kurzem vom Heidelberger Universitätsdozenten Michael Schiffmann zutage gefördert wurden, widerlegen das Szenario der Polizei noch mehr (www.abu-­jamal-news.com). Sie beweisen nicht nur, dass es keine Einschusslöcher auf dem Gehweg gab, sondern bestätigen auch, dass ein Taxifahrer, der gegen Mumia aussagte, überhaupt nicht am Tatort war, wie Polizei und Staatsanwälte behaupteten. Sie zeigen auch deutlich Polizisten, die mit Waffen und anderem Beweismaterial herumhantieren, um Abu-Jamal den Mord anzuhängen. Polakoffs Fotos wurden am 4. Dezember auf einer Pressekonferenz in Philadelphia gezeigt.

Demo Freiheit für Mumia Abu Jamal
Proteste auch in Deutschland | Foto: KfsV

Aufruf zu Notfallprotesten

Gene Herson, Gewerkschaftsverantwortlicher des PDC, erklärt: „Es gibt keine Gerechtigkeit in diesem System für Leute wie Mumia, für Kämpfer für die Freiheit der Schwarzen, für Arbeiter-Aktivisten, für Gegner des kapitalistischen Systems mit seiner Demokratischen und Republikanischen Partei. Die Tatsache, dass Verurteilung und Todesstrafe von einem Gericht nach dem anderen trotz überwältigender Unschuldsbeweise aufrechterhalten wurden, beweist das.“ Gleichzeitig verwies Herson auf einen Aufruf des PDC und anderer Organisationen für Notfallproteste am Tag nach einer negativen Entscheidung des Dritten Bundesberufungsgerichts und auf einen geplanten nationalen Protest in Philadelphia am dritten Samstag nach einer solchen Entscheidung. Er betonte: „Diese Proteste müssen ein Sprungbrett für die Wiederbelebung von Massenprotesten sein mit dem Aufruf: Mumia ist unschuldig – Freiheit jetzt! Weg mit der rassistischen Todesstrafe!“ (CH)


Weitere Informationen unter
www.mumia.de,
www.freiheitfuermumia.de,
www.partisandefense.org
Und in der NRhZ 52 finden Sie den langen Dokumentarfilm „Hinter diesen Mauern – Mumia Abu-Jamal und der lange Kampf um Freiheit“,
als DVD auch bestellbar bei www.kaos-archiv.de


Online-Flyer Nr. 127  vom 02.01.2008

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