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Aktueller Online-Flyer vom 18. Mai 2024  

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Arbeit und Soziales
Tarifkonflikt im Einzelhandel in Bewegung
Rewe schert aus
Von Hans-Dieter Hey

Mit zahlreichen Arbeitsniederlegungen setzten am Freitag die Beschäftigten im Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen wieder ihre Streiks fort. Auch in Köln zogen über 500 Rewe-Bschäftigte vor die Tore ihres Konzerns, um Druck in die Verhandlungen zu bringen. Rewe scherte deshalb schon mal aus dem Arbeitgeberlager aus und machte einen Vorschlag.

Rund 2,6 Mio. Beschäftige arbeiten im Einzelhandel, ca. 400.000 in Nordrhein-Westfalen. Deren Lohnzuwachs betrug in den letzten drei Jahren gerade mal ein Prozent. Hauptstreitpunkt war nun die Absicht der Arbeitgeber, Spät- und Nachtzuschläge zu streichen und die Löhne lediglich um 1,7 Prozent zu erhöhen. Insgesamt ergibt sich für die Beschäftigten allerdings ein Minus in der Lohntüte. Ver.di-Verhandlungsführerin Lieselotte Hinz: „Die Arbeitgeber wollen durch Kürzungen der bestehenden Zuschläge Vollzeitbeschäftigten etwa 180 Euro brutto im Monat wegnehmen. Da ist es doch nur logisch, wenn die Beschäftigten wütend auf solche Zumutungen sind.“


Auf zur Rewe-Zentrale

Auch eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit steht auf der Wunschliste der Arbeitgeber. Ohnehin arbeiten inzwischen über die Hälfte im Einzelhandel nur noch in Teilzeit. Für zusätzliche Aufregung sorgte auch eine Entscheidung des Metro-Konzerns, alle Beschäftigten in neu eröffneten real-Märkten in eine eigene, nicht tarifgebundene Gesellschaft einzugliedern, in der die Löhne gekürzt, Zuschläge und Zusatzleistungen gestrichen und Arbeitszeiten verlängert werden. Für die Gewerkschaft ver.di ein rotes Tuch. Kein Wunder also, dass bisher insgesamt 100.000 Beschäftige gestreikt haben, so viel wie nie zuvor.

Längere Ladenöffnungszeiten haben sich nicht gelohnt

Nun wird für einen Mindestlohn von 1.500 Euro gekämpft, um Tariferhöhungen von 4,5 Prozent und einen Sicherheitstarifvertrag, der Sicherheit der Beschäftigten in der Spätschicht im Supermarkt und ihren gesundheitlichen Schutz regelt. Gerade aber die Forderung der Streichung der Spät- und Samstagszuschläge und die Kürzung der Nachtarbeitszuschläge sind den Beschäftigten ein Dorn im Auge. Denn es ist davon auszugehen, dass die Arbeitgeber nun die höheren Kosten - verursacht durch die von ihnen selbst gewollten verlängerten Ladenöffnungszeiten - auf ihre MitarbeiterInnen abwälzen wollen, indem sie Zuschläge streichen.


Forderung nach Flächentarif deutliche gemacht: Ver.dianer bei Rewe
Fotos: arbeiterfotografie


Der Einkauf zu nachtschlafener Stunde oder an heiligen Sonntagen hat sich nämlich für nur wenige Einzelhandelsunternehmen gelohnt, so eine Veröffentlichung der Gewerkschaft ver.di vom 20. November. Im September sank der Einzelhandelsumsatz sogar um 3,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Für den Tarifkonflikt sind also auch die ausgeweiteten und äußerst verschiedenen Landöffnungszeiten mitverantwortlich, die die Verbraucher ohnehin verunsichern. Außerdem will man endlich weiter kommen im Flächentarifvertrag, der allen Beschäftigten des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen die gleichen Beschäftigungsbedingungen bieten soll.

Einer der großen im Einzelhandelsgeschäft ist die Rewe-Group mit rund 80.000 Beschäftigten, zu der unter anderem die Märkte Minimal, Stüssgen, Otto Mess, Kontra oder der Sanierungsfall Penny gehören. Im Jahr 2006 betrug der Umsatz 43,5 Mrd. Euro. Das hört sich viel an. Doch mit den üblicherweise kläglichen Gewinnmargen des Einzelhandels dümpelte Rewe in den ersten neun Monaten des Jahres 2006 mit 1,6 Prozent Rendite eher dahin - verglichen mit Aldi mit 5 Prozent und Lidl mit 2,5 Prozent, die deutlich über dem Schnitt liegen. Die Streiks dürften also dem putschartig als neuer Rewe-Vorstands-Chef an die Macht gekommenen Alain Caparros weniger in den Kram passen, hat er sich doch vorgenommen, die Rendite bis auf 5 Prozent zu erhöhen.

Rewe erhöht Angebot


Will am Flächentarifvertrag arbeiten:   
Bernfried Dornseifer von Rewe
Vom Gewinn möchten nun auch Beschäftigten etwas mitbekommen. Die massiven Streiks bisher haben dazu geführt, dass man sich bewegt. Jedenfalls ist am Donnerstag Rewe schon mal aus der Linie des Arbeitgeberlagers ausgebrochen und hat einen Vorschlag gemacht. Bernfried Dornseifer, Personalchef der Rewe und Mitglied in der Tarifkommission: "Was wir mit ver.di hier machen, wird uns nur nützen, wenn es am Ende wieder einen Flächentarifvertrag gibt. Wir haben schon die Absicht, genau daran zu arbeiten. Und wir sind vor allem deshalb so weit gekommen, weil sie sich als Betriebsräte und Gesamtbetriebsräte positioniert haben. Was wir bisher erarbeitet haben sind für jeden in der Regel 450 Euro für 2007, und ab 1. Januar gibt es drei Prozent Erhöhung. Das sind Werte, die sie in dieser Tarifrunde noch an keiner Stelle gehört haben. Wir haben richtig Krach im Arbeitgeberlager, weil die Ansichten darüber, ob das richtig oder falsch ist, weit auseinander gehen".

Das Pfeifkonzert machte deutlich, dass dies wohl noch nicht ausreicht. Jochen Welsch von der Landesfachbereichsleitung Handel bei ver.di hält es für eine Diskussionsgrundlage, ist aber aus einem anderen Grund noch skeptisch: "Die Mitarbeiter haben zwar ein Angebot von Rewe bekommen, aber es gibt überhaupt noch keine Bewegung im Flächentarifvertrag. Da stocken die Verhandlungen seit über einem Jahr. Aber dass wir hier Druck gemacht haben, zeigt, dass er wirkt". Und um diesen Druck noch zu erhöhen, ist man offensichtlich bereit, auch Heiligabend zu streiken, lieber zu Hause zu bleiben und die Ladenöffnungszeiten am Allerheiligsten vorbei gehen zu lassen. (HDH)



Online-Flyer Nr. 126  vom 19.12.2007

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