NRhZ-Online - Neue Rheinische Zeitung - Logo
SUCHE
Suchergebnis anzeigen!
RESSORTS
SERVICE
Unabhängige Nachrichten, Berichte & Meinungen
Aktueller Online-Flyer vom 26. April 2024  

zurück  
Druckversion

Inland
Werbung für militärpolitische Anliegen in der Öffentlichkeit
Kriegsbereitschaft stärken
Von Hans Georg

Deutsch-französische Militärkreise leiten in diesen Tagen die Gründung eines EU-weiten Verbandes zur Stärkung der Kriegsbereitschaft in der Bevölkerung ein. Grundlage ist eine Übereinkunft zwischen der deutschen Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik (GfW) und der französischen Organisation CiDAN (Civisme Défense Armée Nation).
Beide sind bislang in nationalem Rahmen mit der Werbung für militärpolitische Interessen in der Öffentlichkeit befasst. Die aktuellen Planungen sehen vor, besonders Journalisten und Lehrer („Multiplikatoren“) in ganz Europa „von der Notwendigkeit“ zu überzeugen, „die Anstrengungen auf dem Gebiet der Sicherheit und der Verteidigung zu bündeln“. Ziel sei „die Behauptung des Ranges“ der EU „in der Welt“ mit Hilfe einer EU-Armee. Die auf deutscher Seite an den Planungen beteiligte GfW ist mit der Bundeswehr und den Berliner Regierungsparteien eng verflochten. Sie ist in den vergangenen Jahren immer wieder wegen Kontakten zu rechtslastigen Milieus kritisiert worden.
 
Schloss Klingenthal

Die aktuellen Bemühungen um die Stärkung der Kriegsbereitschaft in der europäischen Bevölkerung finden im Rahmen des diesjährigen

Treffpunkt Schloß Klingenthal
Quelle:
www.military-for-peace.net
„Klingenthal- Treffens“ statt, das von der CiDAN veran- staltet wird. Es hat am Montag vergangener Woche im Schloss Klingenthal in der Nähe von Strasbourg begonnen und dauerte bis Freitag an. Schloss Klingenthal befindet sich im Besitz der Basler Johann Wolfgang von Goethe Stiftung, die 1968 von dem früheren NS-Kulturfinanzier Alfred Toepfer ins Leben gerufen wurde – unter weitgehender Über- nahme der Mittel einer gleichnamigen Stift- ung aus Vaduz. Bei der 1931 in Vaduz einge- tragenen Institution handelte es sich um eine Parallelgründung zur Alfred Toepfer Stiftung F.V.S., die bis heute wegen der Tätigkeit ihres Stifters zur NS-Zeit kritisiert wird.[1]


Prof. Dr. h.c. mult. Alfred
C. Toepfer
| Quelle: www.aski.org













Geist der Verteidigung
 
Die Veranstalterin der „Klingenthal-Treffen“, die Organisation CiDAN, widmet sich seit ihrer Gründung im Jahr 1999 dem Ziel, den „Geist der Verteidigung“ und die „Beziehungen zwischen der Zivilgesellschaft und der Welt des Militärs“ zu stärken. CiDAN hat 2001 begonnen, diese Arbeit mit den „Klingenthal-Treffen“ auf ganz Europa auszudehnen. Man müsse unter der Bevölkerung sämtlicher EU-Staaten für ein „europäisches Verteidigungsbewusstsein“ werben, schreibt die Organisation.[2] Zu diesem Zweck lädt sie einmal pro Jahr Politiker, Militärs und Wissenschaftler auf Schloss Klingenthal ein. Die diesjährige Tagung wurde unter anderem von der Fondation Entente Franco-Allemande (Stiftung Deutsch-Französische Verständigung) sowie von der Charles Léopold Mayer Stiftung für den Fortschritt der Menschheit (Lausanne) unterstützt. CiDAN selbst steht dem Pariser Verteidigungsministerium nahe.
 
Weltweite Interessen
 
Die deutsche Gesellschaft für Wehr- und Sicherheitspolitik, die zu ihren Zielen die „Erhaltung der allgemeinen Verteidigungsbereitschaft“ zählt, hat sich im Jahr 2004 in den Prozess eingeschaltet. In ihrem Präsidium sitzen zwei CDU-MdBs (Claire Marienfeld-Czesla und Thomas Kossendey), eine von der SPD-Fraktion (Ursula Mogg) und ein Oberst a.D. Nach einer ersten Übereinkunft im April 2006 hat sie am 9. Oktober 2007 gemeinsam mit CiDAN eine „Charta zur Förderung eines 'Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsbewusstseins'„ verabschiedet, die deutliche deutsche Spuren zeigt. Die Charta soll Grundlage eines EU-weiten Zusammenschlusses werden und Verbände aus sämtlichen Mitgliedstaaten einbeziehen.
 
Wie es in dem Dokument heißt, bedarf die EU zur Verteidigung ihres Territoriums sowie zur „Wahrung ihrer weltweiten Interessen“ „einer Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie europäisch organisierter und geführter, einsatzfähiger Streitkräfte“.[3] Um die weltweite Kriegstätigkeit der EU-Armee innenpolitisch abzusichern, wollen GfW und CiDAN „die Unterstützung für eine gemeinsame Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik unter den Bürgern der Europäischen Union stärken.“ Nach Auskunft von CiDAN sind bereits Organisationen aus 16 EU-Mitgliedstaaten an der Unterzeichnung der Charta interessiert.
 
Afghanistan, Palästina, Irak
 
Wie ein Mitglied von CiDAN, der Oberst der Bundeswehr Manfred Rosenberger, mitteilt, dient das aktuelle „Klingenthal-Treffen“ nun dazu, das Netzwerk zur Schaffung eines EU-weiten Zusammenschlusses im Sinne der Charta zu verdichten. „Ohne militärische Fähigkeiten kann in der Weltpolitik kein Einfluß genommen werden“, schreibt Rosenberger: „Dies wird besonders deutlich mit Blick auf Afghanistan, Palästina und Irak.“ Dem Oberst zufolge ist die „Zustimmung der Bürger in ganz Europa“ zu künftigen Kriegseinsätzen einer EU-Armee unentbehrlich. „Alle müssen von der Notwendigkeit überzeugt werden, die Anstrengungen auf dem Gebiet der Sicherheit und der Verteidigung zu bündeln“.[4] Rosenberger verlangt die Entfaltung neuer Kriegsbereitschaft mit Hilfe von „Erziehung zu einem Sicherheits- und Verteidigungsdenken durch die Bildungseinrichtungen“. Neben Lehrern („an Universitäten und Schulen“) müssten vor allem auch Journalisten als Kooperationspartner „gewonnen werden“.


Werbung für „Verteidigungsbewusstsein“ auf der CiDAN-homepage
Quelle: www.cidan.org

Geld vom Bundespresseamt
 
Rosenberger war bei CiDAN bereits in einem frühen Stadium an den Planungen für den neuen Zusammenschluss beteiligt. Er gehört seit 1980 den engeren Zirkeln der deutsch-französischen Militärkooperation an. Von 2001 bis 2005 war er an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik tätig, die in enger Zusammenarbeit mit dem Bundeskanzleramt Personal an die inneren Machtzirkel der Berliner Militärpolitik anbindet.[5] Die GfW, die 2004 in die Planungen von CiDAN einstieg, ist die offiziöse deutsche Organisation zur Werbung für Streitkräfte und Militärpolitik in der Öffentlichkeit. Zur Erleichterung ihrer Arbeit hat sie den privilegierten Status eines gemeinnützigen Vereins erhalten. Rund drei Viertel ihrer Gelder bekommt sie vom Bundespresseamt, ihre Gremien und Sektionsleitungen werden zu großen Teilen von Bundeswehrpersonal (zum Teil außer Dienst), Politikern und Ministerialbeamten besetzt. Ihre Mitgliederzahl ist seit 1990 kontinuierlich auf rund 7.500 Personen gestiegen, die in bundesweit rund 100 Sektionen PR-Tätigkeiten für das Militär ausüben. 

„1939 – viele Schuldige“


Generaloberst a.D. Georg-
Hans Reinhardt
Quelle: www.generals.dk
Gegründet wurde die GfW (unter der Bezeich- nung Gesellschaft für Wehrkunde) bereits 1952, also früher als die Bundeswehr. Ehemalige Wehrmachtsoffiziere setzten sich in der Orga- nisation für die Wiederbewaffnung der Bundes- republik ein – mit Erfolg. Rund die Hälfte ihrer Mitglieder wechselten Mitte der 1950er Jahre in die westdeutsche Armee. In den Jahren des Übergangs (1954 bis 1963) wurde die GfW von einem verurteilten Kriegsverbrecher geleitet. Generaloberst a.D. Georg-Hans Reinhardt hatte bereits in der Kaiserlichen Armee sowie in der Reichswehr gedient und war im Oktober 1948 wegen Kriegsverbrechen in der Sowjetunion zu 15 Jahren Haft verurteilt, allerdings im Juni 1952 vorzeitig entlassen worden.
 
Die GfW ist in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert worden, weil einzelne Sektionen Umgang mit rechtslastigen Milieus pflegten. Als im Jahr 1999 öffentlich bekannt wurde, dass die Organisation Referenten mit Kontakten in die rechtsextreme Szene [6] eingeladen hatte, installierte das Verteidigungsministerium einen ehemaligen Generalinspekteur der Bundeswehr auf dem Chefposten der GfW. Er warf bereits ein Jahr später das Handtuch.[7] Vor drei Jahren kam es erneut zu einem Eklat. Eine Lesung aus einem damals frisch erschienenen Buch vor der GfW-Sektion Rendsburg konnte nur knapp verhindert werden. Der Buchtitel lautete: „1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte“. (PK)

                   
                    Vor drei Jahren ein Eklat
 
[1] s. dazu Nicht verstrickt, Kriegstreiber, Förderer der SS und Europäische Werte

[2] Colloques annuels de Klingenthal; www.cidan.org
[3] Charta zur Förderung eines „Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsbewusstseins“

[4] Auf dem Weg zu einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungskultur; www.military-for-peace.net

[5] s. dazu Strategic Community, In die Zange nehmen und Hintergrundbericht: Bundesakademie für Sicherheitspolitik

[6] Braune Kameraden – Mit Steuergeldern auf Vortragsreise; daserste.ndr.de/panorama/archiv/1999/t_cid-2943702_.html

[7] Der deutsche Militarismus. Analysen zur Militarisierung der bundesdeutschen Gesellschaft, Aachen o.J.
 
Mehr unter www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57089

Online-Flyer Nr. 125  vom 12.12.2007

Druckversion     



Startseite           nach oben

KÖLNER KLAGEMAUER


Für Frieden und Völkerverständigung
FOTOGALERIE