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Inland
Lufthansa kündigt wieder eine Großübernahme an
Schachspiel
Von Hans Georg

Noch für dieses Jahr kündigt die Deutsche Lufthansa die Entscheidung über eine erneute Großübernahme an. Erst im Sommer hatte die bedeutendste Airline der Bundesrepublik den Kauf der schweizerischen Fluggesellschaft Swiss komplettiert und einen Ausbau von deren Luftflotte angekündigt. Jetzt zieht die Firma die Übernahme der italienischen Alitalia in Betracht.
Berichten zufolge wird die Lufthansa, sollte sie den italienischen Konzern übernehmen, rund ein Drittel der Alitalia-Beschäftigten entlassen. Interesse hat die Lufthansa auch an der spanischen Airline Iberia. Während Rom Alitalia verkaufen will, wird Iberia noch von Madrid gegen eine Übernahme verteidigt - ganz wie beim Kampf um den spanischen Energieversorger Endesa. Dabei geht es um die dominierende Position im für Spanien wichtigen Fluggeschäft zwischen Europa und Lateinamerika, bei dem Iberia Marktführerin ist. Die Konkurrenzkämpfe um Iberia, Alitalia und weitere bislang noch eigenständige Fluggesellschaften stärken die Hegemonie von Konzernen aus den drei wirtschaftsstärksten EU-Staaten - Frankreich, Großbritannien und Deutschland.
 
Rekorde
 
Die Lufthansa AG, Deutschlands größte Fluggesellschaft und mit weltweit über 400 Konzern- und Beteiligungsgesellschaften eines der größten Unternehmen in der zivilen Luftfahrtbranche, hat infolge steigender Passagierzahlen von Januar bis September 2007 den Umsatz um rund zehn Prozent auf 16,4 Milliarden Euro gesteigert. Gleichzeitig verzeichnet sie einen Rekordgewinn von knapp 1,6 Milliarden Euro. Im Gesamtjahr will der Konzern das beste Betriebsergebnis in seiner Geschichte erreichen.[1]
 
Herausforderer
 
Trotz der Rekordergebnisse steht die Lufthansa im Inland wie im Ausland unter steigendem Konkurrenzdruck und reagiert mit neuer Expansion. Im Inland ist Air Berlin, die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft, mit mehreren Zukäufen (DBA, LTU und Condor) zu einem mächtigen Konkurrenten im Ferienfluggeschäft aufgestiegen. Die Lufthansa will dagegen mit ihrem 2002 gegründeten Billigflieger Germanwings Anbietern wie Easyjet und Ryanair Paroli bieten. Germanwings blieb bisher aber hinter den Erwartungen zurück und soll nun mit TUIfly fusioniert werden, dem erst kürzlich aus den Gesellschaften HLX und Hapagfly gebildeten Ableger des Touristikkonzerns TUI.[2]


Foto: KAOS

Wachsender Druck
 
International sieht sich die Lufthansa dem wachsenden Druck der großen Konkurrenten Air France-KLM und British Airways ausgesetzt. Eine Studie zur Leistungsfähigkeit der drei führenden Fluglinien in der EU beurteilt die Lufthansa weiterhin als leistungsfähigste, finanziell gesündeste und konkurrenzfähigste Fluggesellschaft in Europa; ihr jeweiliger Vorsprung ist jedoch gesunken. Der deutsche Konzern verfügt wie bisher über die stärksten Finanzen, büßte aber bei wichtigen Kriterien wie Ertragskraft, Produktqualität und Wachstum die führende Stellung ein. Insgesamt liegt die Lufthansa in der Bewertung nur noch knapp vor ihrem schärfsten Konkurrenten, Europas dem Volumen nach größter Fluggesellschaft Air France-KLM. Auch British Airways - einst abgeschlagen auf dem dritten Platz - schließt im Urteil der Experten auf.[3]
 
Bündnisse
 
Ausgetragen wird der Konkurrenzkampf der drei Fluggesellschaften auch über die von ihnen dominierten Luftfahrtallianzen. Die von der Lufthansa initiierte Star Alliance konkurriert mit den Bündnissen Skyteam (Air France) sowie OneWorld (British Airways); zusammen bestimmen die drei europäisch geführten Bündnisse in zunehmendem Maße den globalen Luftverkehrsmarkt. Der deutsche Konzern verfügt dabei mit der Star Alliance über die mit Abstand größte Luftfahrtallianz der Welt, die kontinuierlich weiter ausgebaut wird. Das aus Frankfurt geführte Bündnis begrüßte im Oktober Egypt Air als künftiges Mitglied und will im Dezember Air China und Shanghai Airlines aufnehmen. In Indien konnte noch keine der konkurrierenden Allianzen einen Partner werben; nun will die Star Alliance ihren Einfluss ausweiten und im Dezember über den Beitritt von Air India entscheiden.[4] Auch im stark wachsenden russischen Luftverkehrsmarkt will die Lufthansa expandieren. Sie schloss im Juli eine Kooperationsvereinbarung mit der - nach Aeroflot - zweitgrößten russischen Fluglinie, der AirUnion. Über deren Beitritt zur Star Alliance wird ebenfalls verhandelt.[5]
 
Biss
 
Hinsichtlich eigener Zukäufe hält sich die Lufthansa bisher noch zurück. Im Vordergrund steht zurzeit die Verbesserung der Rentabilität ("Upgrade Initiative"); die Lufthansa will zur profitabelsten Airline weltweit aufsteigen. Die operative Gewinnmarge von zuletzt 4,3 Prozent soll weiter verbessert werden; mittelfristig will der Konzern die Wettbewerber British Airways (zuletzt 8,3 Prozent) und Air France (4,4 Prozent) hinter sich lassen. Der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa AG, Wolfgang Mayrhuber, sieht den Konzern auch ohne Zukäufe für den Wettbewerb gut gerüstet: "Wir haben Biss und sind ehrgeizig, aber wir laufen diesen Dingen nicht verbissen hinterher."[6]
 
Potenzial
 
Mittel- bis langfristig könnte die Lufthansa jedoch bei den bevorstehenden Bietergefechten um die noch eigenständigen europäischen Fluglinien eine aktive Rolle spielen. Der deutsche Branchenprimus produziert im Jahr einen operativen Cash-Flow von zwei Milliarden Euro und könnte ohne Kapitalerhöhung bis zu 5,5 Milliarden Euro in eine Übernahme stecken - doppelt so viel wie Erzrivale Air France-KLM. Als Kandidaten für eine Übernahme gelten die polnische Lot, die österreichische AUA und die British Midland (BMI), an der die Lufthansa bereits eine Minderheitsbeteiligung hält.


Quelle: wikipedia

Perspektiven

Zum Verkauf stehen auch weiterhin die italienische Fluggesellschaft Alitalia sowie die spanische Iberia. In beiden Fällen hat die Lufthansa grundsätzliches Interesse bekundet, von konkreten Übernahmeangeboten aber abgesehen. Begründet wird dieses Vorgehen mit den taktischen Erwägungen: Die Übernahmeversuche müssten behandelt werden wie "ein Schachspiel, bei dem nicht nur für einen Zug, sondern auch für die folgenden vorausgedacht" wird und "die Reaktionen der Gegner einbezogen werden", erklärte Lufthansa-Finanzvorstand Stephan Gemkow.[7]
 
Iberia
 
In Bezug auf die Iberia war die Lufthansa noch im Frühjahr sehr optimistisch: Der Übergang des Madrider Traditionsunternehmens in den Besitz der Lufthansa könne "noch im April" beschlossen werden, hieß es.[8] Der Bieter-Wettstreit um Iberia zieht sich aber weiter in die Länge, obwohl ein Konkurrent bereits aufgegeben hat. British Airways verzichtet auf die Übernahme. Dafür will nun Air France-KLM eine Offerte vorlegen, während die Lufthansa sich weiter bedeckt hält. Zudem versuchen spanische Banken und Unternehmen einen Verkauf der Iberia an ausländische Mehrheitseigner zu verhindern.
 
Alitalia
 
Vom Bieterverfahren um die italienische Fluggesellschaft Alitalia hatte sich die Lufthansa im ersten Halbjahr 2007 ebenfalls ferngehalten; es scheiterte schließlich mangels verbindlicher Gebote. Alitalia nahm daraufhin Gespräche mit einem Kreis von Interessenten auf, zu dem auch die Lufthansa gehört.[9] Nachdem bisher Air France als Wunschpartner galt, nährt die deutsche Presse Hoffnung auf eine deutsche Übernahme. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, ist die Lufthansa "über Nacht zum attraktivsten Partner für Alitalia avanciert".[10] (PK)
 
[1] Lufthansa schafft Rekordgewinn; Die Welt 25.10.2007. S. auch Dünne Luft und Rekordflüge
[2] Die Fluggesellschaften suchen Verbündete; Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 25.11.2007
[3] Der Vorsprung der Lufthansa schmilzt; WirtschaftsWoche 36/2007
[4] Air India soll Star Alliance beitreten; Handelsblatt 07.11.2007
[5] Lufthansa findet russischen Partner; Handelsblatt 11.07.2007. S. auch Wichtiges Ziel
[6] Lufthansa-Chef fühlt sich alleine stark genug; Financial Times Deutschland 07.06.2007
[7] Die italienische Versuchung der Deutschen Lufthansa; Frankfurter Allgemeine Zeitung 26.11.2007
[8] s. dazu Umverteilung
[9] Alitalia sucht Gespräch mit Lufthansa; Financial Times Deutschland 09.10.2007
[10] Die italienische Versuchung der Deutschen Lufthansa; Frankfurter Allgemeine Zeitung 26.11.2007
 
Mehr unter http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/57084
 

Online-Flyer Nr. 124  vom 05.12.2007

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