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Aktueller Online-Flyer vom 27. April 2024  

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Globales
Globale Konkurrenz am Horn von Afrika
„Afrika ist für uns alle wichtig“
Von David Meienreis

Die UN-Militärmission UNAMID im Sudan und die EU-Mission EUFOR Tchad/RCA in den Nachbarländern Tschad und Zentralafrikanische Republik (ZAR) sollen die von Konflikten zerrissene Region offiziell befrieden. Dabei werden im Sudan die Rebellen, in besagten Nachbarländern aber die Regierungen unterstützt. In allen drei Staaten gilt die politische und militärische Lage als „unübersichtlich“, doch westliche Rohstoffinteressen und der Kampf gegen die chinesische Konkurrenz spielen allerorts eine ausschlaggebende Rolle.

Zur Anwendung von Gewalt berechtigt

 
Der UN-Sicherheitsrat beschloss am 31. Juli die Vergabe des Mandats an UNAMID, eine bis zu 26.000 Mann starke Truppe, für den Einsatz in der westsudanesischen Region Darfur. Bestehend aus bis zu 19.555 Soldaten und rund 6.000 zivilen Mitarbeitern, inklusive Polizei, hat sie offiziell den Auftrag, die Friedensabkommen zwischen der sudanesischen Zentralregierung und den verschiedenen bewaffneten Gruppen in Darfur und anderen Landesteilen durchzusetzen. Dazu wird UNAMID auch befugt, in angrenzende Gebiete und Staaten vorzudringen.

Afrikanische Union Darfur Nigeria
Nigerianische Soldaten werden von der US Airforce nach Darfur gebracht
Quelle: wikicommons


AMIS, die Mission der EU-finanzierten Afrikanischen Union (AU), sowie Teile der bereits im Südsudan operierenden UN-Mission UNMIS, sind in UNAMID eingegliedert.[1] Die Bundesregierung will sich mit bis zu 250 Bundeswehrangehörigen beteiligen, wobei „den eingesetzten Kräften zur Durchführung ihrer Aufträge auch das Recht zur Anwendung von Gewalt … erteilt“ wird.[2]
 
„Bridging Mission“ im Tschad
 
Wenige Wochen später, am 15. Oktober, beschlossen die Außenminister der EU-Staaten die Entsendung einer EU-Militärmission in die Staaten Tschad und Zentralafrikanische Republik (ZAR). Dieser Einsatz, EUFOR Tchad/RCA genannt, soll als „Bridging Mission“ einen Brückenkopf errichten und die Ankunft von Polizeiausbildern der UN-Mission Minurcat im Tschad vorbereiten.[3] Ausdrücklich geht es bei diesem Einsatz um Einfluss auf den Darfur-Konflikt im angrenzenden Sudan, dessen westliche Nachbarn den zahlreichen bewaffneten Gruppen, die in Darfur kämpfen, als Rückzugsgebiete dienen. Wie im Sudan toben auch im Tschad und in der ZAR seit ihrer Unabhängigkeit vom Kolonialismus in den sechziger Jahren fast ununterbrochen Bürgerkriege, in denen verschiedene Clans und Banden um die Kontrolle über Staat und wirtschaftliche Ressourcen kämpfen.

Regierungen von Frankreichs Gnaden

Idriss Dèby Tschad Sudan
Idriss Déby - Freund Frankreichs
Quelle: wikicommons
Frankreich, die ehemalige Kolonialmacht, stützt in beiden Ländern die Regierungen der Präsidenten: Bozize in der ZAR und Déby im Tschad. Letzterer gelangte 1990 durch einen Putsch an die Macht, die er sich seither in Wahlen hat bestätigen lassen. Sein Sturz durch Rebellengruppen im April 2006 wurde von französischen Truppen verhindert. Sie vertrieben Débys Gegner aus der Hauptstadt bis zurück in den Osten des Landes an die Grenze zum Darfur. Auch die Regierung Bozize kann sich nur dank militärischer Hilfe aus Frankreich halten.[4]


Die aktuelle EUFOR wird vor Ort der französische Brigadegeneral Ganascia, ehemaliger Fremdenlegionär und erfahren durch Einsätze im Libanon und auf dem Balkan, kommandieren. Der Einsatz stützt sich außerdem auf die Erfahrungen der EUFOR DRCongo aus dem vergangenen Jahr, bei der die EU-Staaten ihre Fähigkeit zur logistischen Durchführung gemeinsamer Auslandseinsätze erfolgreich probten.
 
EU
„globaler Akteur“?
 
Ein „globaler Akteur“ will die Europäische Union schon seit einigen Jahren werden. Weltmacht sagte man früher dazu, wenn Staaten rund um den Globus militärische „Machtprojektion“ betrieben und sich mit Grenzziehungen und Regierungsformen ferner Länder beschäftigten. Anfang 2007 meldeten die ersten „Battle Groups“, die Schlachtgruppen, der EU ihre Einsatzbereitschaft. Konzipiert waren diese international zusammengesetzten schnellen Eingreiftruppen von Anfang an speziell für den Einsatz im Nachbarkontinent Afrika. CDU-Strategen schreiben Afrika den Vorteil zu, dass man dort nicht den Amerikanern bei der Herstellung von Ordnung ins Gehege komme.
 
China ist schneller
 
Nun aber sind die Chinesen da. Im neuen Jahrtausend engagiert sich dieses „konkurrierende Schwellenland“ [5] in zahlreichen Staaten des verarmten Kontinents, zahlt Entwicklungshilfe ohne neoliberale Auflagen, hilft den Staaten beim Schuldendienst gegenüber Internationalem Währungsfonds und westlichen Gläubigern und verknüpft diese Kontakte mit Wirtschaftsabkommen. Im Sudan und im Tschad beutet die Chinesische Nationale Petroleum Corporation (CNPC) fast im Alleingang die in den 90er Jahren entdeckten Erdölvorkommen aus. CNPC hat aus dem Süden des Sudan, wo rund 80 Prozent der bislang entdeckten Vorkommen des Landes lagern, eine Pipeline an den Hafen Port Sudan bauen lassen, die von 4.000 chinesischen „zivilen Sicherheitskräften“ bewacht wird.

Weitere Untersuchungen haben ergeben, dass sich die Ölfelder vom Südsudan aus nach Westen erstrecken, also nach Darfur hinein, aber auch darüber hinaus in den Südwesten des Tschad. Seit 2000 baut ein Konsortium aus den US-Konzernen Exxon Mobil und Chevron sowie der malaysischen Petronas unter Beteiligung der Regierungen des Tschad und Kameruns eine unterirdische Pipeline an den Atlantikhafen Kribi.[6] Mit Weltbankunterstützung finanziert [7], soll dieses Projekt den Abtransport des tschadischen Öls in Richtung USA sichern. Sinn macht dieses Vorhaben aber nur, wenn auch die Kontrolle über die 300 Bohrtürme des Tschads in die Hände der beteiligten Unternehmen übergeht. Denn die CNPC, die gegenwärtig die tschadischen Vorkommen ausbeutet, wird diese Route wohl kaum nutzen.

Erdöl Gasvorkommen Sudan CPNC
     Zeichner: Michael Till-Lambrecht
       Quelle: wikicommons


Bundesregierung unterstützt bei Rohstoffakquise
 
Der Energiebedarf der chinesischen Wirtschaft macht das Land zu einem der größten Importeure weltweit. Die Deckung der chinesischen Rohstoffnachfrage, die zu enormen Preissteigerungen auf den internationalen Märkten geführt hat, ist eines der zentralen Anliegen der chinesischen Außenpolitik und bereitet unter Anderem den Spitzen der deutschen Wirtschaft erhebliche Sorgen.
 
Auf zwei Rohstoffgipfeln 2005 und 2007 hat der Bund der deutschen Industrie die jeweiligen Bundesregierungen bereits zu energischerem Vorgehen und einer „Arbeitsteilung zwischen Politik und Wirtschaft … Arbeitsteilung im Dienst der Rohstoffsicherung“ (BDI-Präsident Thumann) aufgefordert. Kanzler Schröder erkannte seinerzeit punktgenau den Zusammenhang zwischen Rohstoffsicherung und der „Stabilisierung“ Rohstoff exportierender Staaten. Zu diesem Zwecke versprach er, die Handlungsfähigkeit der EU als globalem Akteur erhöhen zu wollen.[8] Angela Merkel erklärte, die Industrie künftig aktiv bei der Rohstoffakquise unterstützen zu wollen. Dazu hat sie im Anschluss an den Gipfel 2007 einen interministeriellen Ausschuss „Rohstoffe“ einrichten lassen, in dem Vertreter des BDI mit Mitarbeitern verschiedener Ministerien und des Auswärtigen Amts Strategien erarbeiten sollen. Und Bundespräsident Köhler, der eine eigene Afrika-Initiative leitet, erklärt „Afrika ist für uns alle wichtig!“

Einseitige Parteinahme
 
Die Politik der „internationalen Staatengemeinschaft“, selbstbewusst und nun auch militärisch vertreten durch die EU und ihren transatlantischen Partner, zielt auffälligerweise im Sudan auf eine Schwächung der Khartumer Zentralregierung, die Verträge mit CNPC unterhält, im Tschad und der ZAR aber auf die Stärkung der Regierungen, deren Menschenrechtsbilanzen um nichts erfreulicher sind als die ihres Nachbarn. Die politische und militärische Situation in allen drei Staaten wird gemeinhin als „unübersichtlich“ beurteilt. Widerstand gegen die ausländischen Missionen haben verschiedene Rebellengruppen schon im Vorfeld angekündigt, vor allem weil sie die Interventionen als einseitige Parteinahmen betrachten.[9]
 
Das Schicksal der Vertriebenen in den Flüchtlingslagern legt die EU vertrauensvoll in die Hände der örtlichen Polizeien, die für grässliche Menschenrechtsverletzungen in eben jenen Lagern berüchtigt sind.[10] Ihr Verhalten soll sich, so die fadenscheinige Hoffnung, durch den positiven Einfluss der UN-Polizeiausbilder bessern. (YH)

[1] Die UNMIS bleibt im Süden mit der Überwachung des Umfassenden Friedensabkommens zwischen den Rebellen der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLA) und der Zentralregierung betraut.
[2] Die Bundesregierung, „Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der AU/UN Hybrid Operation Darfur (UNAMID) […]“, Bundestagsdrucksache 16/6941
[3] European Union, Council Secretariat, „EU Military Operation in Eastern Chad and North Eastern Central African Republic"
[4] Christoph Marischka, „Französischer Kolonialismus unter EU-Banner“,
[5] Die Bundestagsfraktionen der CDU/CSU und SPD, „Energie- und Entwicklungspolitik stärker verzahnen – Synergieeffekte für die weltweite Energie- und Entwicklungsförderung besser nutzen“, www.bundestag.de
[6] Chad Cameroon Oil Pipeline Project der Columbia University
[7] Tatsächlich benötigten die beiden Regierungen Weltbankkredite, um ihre je 1,5%igen Beteiligungen zu erwerben
[8] Rede von Bundeskanzler Gerhard Schröder auf dem BDI-Kongress 2005 „Rohstoffsicherheit – Herausforderung für die Industrie“
[9] taz, 17.10.2007, „Schatten über Tschad-Mission“
[10] Martin Zint, ein Journalist, der sich seit Jahren mit der Region beschäftigt, schreibt: „Wenn der derzeitige Präsident des UN-Sicherheitsrates, der Kongolese Pascal Gayama, ankündigt, im Rahmen der Mission werde eine neue tschadische Polizeieinheit geschaffen, die für Recht und Ordnung in den Flüchtlingslagern sorgen soll, dann klingt das für Kenner der Situation wie eine Drohung.“, „Keine Lösung für Darfur


Online-Flyer Nr. 121  vom 14.11.2007

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