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Aktueller Online-Flyer vom 06. Dezember 2024  

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Kultur und Wissen
Das Wort am Sonntag: „Mit Gott und den Faschisten“ Folge VII
Franco
Von Karlheinz Deschner

Im Kölner Dom wurde unter großem öffentlichem Beifall ein Kirchenfenster eingeweiht, das  nicht – wie ursprünglich geplant – sechs WiderstandskämpferInnen gegen die Nazis ehrt, sondern stattdessen 11.263 quadratische Glasstücke in 72 verschiedenen Farbtönen zeigt. Warum die katholische Kirche – deren Kardinal Meisner wenig später mit dem Hinweis, dass „die Kultur entartet“, Schlagzeilen machte – solche Probleme mit dem Aufarbeiten ihrer jüngeren Vergangenheit hat, wird durch Karlheinz Deschners Serie zur Politik der Päpste im 20. Jahrhundert deutlich. – Die Redaktion. 
Das römische Papsttum – durch Krieg und Betrug groß geworden, durch Krieg und Betrug groß geblieben – hatte durch Pius X. den Ausbruch des Ersten Weltkriegs gefördert und durch Pius XI. entscheidend die Heraufkunft des Faschismus in Italien, Deutschland, schließlich in Spanien. 

Seit der Antike besaß der Klerus in Spanien besondere Macht. Die Ketzerverfolgungen, Judenpogrome, die Inquisition, die Sklaverei florierten, und dementsprechend war der Reichtum der Kirche – allein die Jusuiten kontrollierten im frühen 20. Jahrhundert ein Drittel des gesamten spanischen Kapitals. 

Tausende saßen seinerzeit auf Betreiben der Kirche in Gefängnissen, wurden nach mittelalterlichen Methoden gefoltert, Hunderte erschossen. Ganze Landstriche verfielen dem Hunger. So schlossen sich die bis aufs Blut ausgebeuteten Massen immer mehr den liberalen, sozialistischen und radikalsozialistischen Parteien an. Zu Beginn der dreißiger Jahre war Spanien nicht mehr katholisch. Fast ohne einen Tropfen Blut zu vergießen und mit Zustimmung der überwältigenden Mehrheit beseitigte man 1931 die Monarchie, erklärte die Republik und führte eine Fülle von bisher hintertriebenen, dringend notwendigen Reformen durch. 

Die neue, durch legitime Wahlen zustandegekommene Regierung war keineswegs antireligiös oder gar darauf aus, Spanien antichristlich zu machen. Doch das Episkopat versuchte sofort, seine ursprüngliche Machtposition wiederzugewinnen. Es hetzte offen gegen den Staat, dabei gestützt auf die Anhänger des alten Regimes, Großagrarier und Adel, sowie auf die rückständigste Schicht, Teile der bäuerlichen Bevölkerung, dank der katholischen Erziehungsarbeit noch im dritten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts zu 80 Prozent Analphabeten.

Bereits im Siegesjahr Hitlers forderten die spanischen Bischöfe und der Papst in einer Enzyklika vom 3. Juni einen „heiligen Kreuzzug für die vollständige Wiederherstellung der kirchlichen Rechte". Als Ende 1933 die alle Maßnahmen der Regierung bekämpfenden Rechtsparteien die Mehrheit im Parlament erlangten, wurden in den „beiden schwarzen Jahren" des sehr kirchen- und faschistenfreundlichen Kabinetts Lerroux die Errungenschaften der jungen Republik wieder liquidiert. Ungezählte verloren nun erneut Arbeit, Brot, landeten, ohne jeden Prozeß, nur aus politischen Gründen, im Kerker, wo man sie häufig noch folterte: allein im Oktober/November 1934 dreißigtausend Menschen. Es kam zu einer Kette von Streiks, Massendemonstrationen, lokalen Erhebungen. Schließlich schlossen sich wegen des wachsenden Drucks der Rechten am 16. Januar 1936 Arbeiter, Bauern, Klein- und Mittelbürgertum samt der sozial empfindenden Intelligenz in der „Volksfront" zusammen und errangen am 16. Februar gegen die „Nationale Front", die kirchlichen, faschistischen, monarchistischen Kreise, einen überwältigenden Sieg. 


Franco | Quelle: Wikipedia
Gerade dieser Triumph aber veran- laßte die Rechtsradikalen zum offenen Aufstand gegen die Regier- ung. Noch Ende Juli beförderten deutsche Transportflugzeuge Francos mohammedanische Mauren, die ihre Opfer kastrierten, und seine Legion- äre, Losung: „Es lebe der Tod! Nieder mit der Intelligenz!" zur Rettung des katholischen Abendlands übers Meer, worauf sie ihre ersten Helden- taten in Sevilla vollbrachten, dessen Arbeiterviertel sie durch Artilleriebe- schuß dem Erdboden gleichmachten, nachdem sie alle – so gut wie waffen- losen – Männer auf den Straßen zusammengetrieben und mit dem Messer abgestochen hatten. 


Die Nazis schickten bald Jagd-, Kampf-, Aufklärungsmaschinen sowie sonstiges Kriegsmaterial. Gleichzeitig eilten die Italiener Franco zu Hilfe. Der von Gott gesandte Duce, den spanischen Verschwörern schon 1934 mit Waffen und Geld beigesprungen, setzte jetzt mehr als hunderttausend Soldaten in Marsch. Das hochklerikale Portugal, seit 1931 „unserer Lieben Frau von Fatima" geweiht, nun Hauptnachschubweg Hitlers und Waffenankaufszentrale Francos, warf zwanzigtausend Menschen in die Schlacht. Ebenfalls schickte das katholische Irland eine Brigade für den „christlichen Kreuzzug". Als sie jedoch neben Francos Mohammedanern fechten sollten, die man, um den Schein zu wahren, in Mönchskutten gesteckt hatte, waren die Iren nicht mehr für den heiligen Krieg zu gebrauchen und wurden kaum noch eingesetzt. 

Doch obwohl in Spanien weder ein kommunistischer noch antireligiöser, ja, auch kein grundsätzlich antikatholischer Staat bestand, obwohl es unter den fast fünfhundert Abgeordneten des spanischen Parlaments nur 15 Kommunisten gab, täuschten die Klerofaschisten der ganzen Welt ihren Putsch als Religionskrieg gegen den gottlosen Kommunismus, als, so wörtlich das spanische Episkopat, „Kreuzzug gegen die rote Weltrevolution" vor – eine vom Vatikan ebenso wie von Hitlers Propagandaminister verbreitete Geschichtsfälschung, die sich auf den Entschluß fast aller europäischen Länder und der USA auswirkte, die spanische Regierung nicht zu unterstützen. 

pius xii
Pius XII. | Quelle: Wikipedia                   
Die Kurie aber intensivierte in der ganzen katholischen Welt eine breit angelegte Kampagne gegen den Bolschewismus. Als erste ausländische Flagge wehte über Francos Hauptquartier die päpstliche, und über dem Vatikan wurde bald das Banner Francos gehißt. Auch rief Papst Pius XI. zur selben Zeit wie Hitler in Nürnberg die Welt zum Kampf gegen den Kommunismus auf, nannte die Bombenhilfe seiner faschistischen Verbündeten „Schutz- und Heilmittel" und schlug im Sommer 1938 die Bitte der französischen und englischen Regierung, sich einem Protest gegen die Bombardierung der republikanischen Zivilbevölkerung anzuschließen, rundheraus ab. Dagegen dankte er, mitten im Krieg, dem Rebellengeneral Franco für ein Huldigungstelegramm, hocherfreut darüber, „daß wir in der Botschaft Ew. Exzellenz den angestammten Geist des katholischen Spanien pulsieren fühlen". Und am Ende des dreijährigen Gemetzels forderte der kurz zuvor gekrönte Pius XII. Franco auf, „mit neuer Energie die alten christlichen Traditionen" wieder aufzunehmen. 

Redefreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit wurden nun in Spanien wieder aufgehoben; Literatur, Film, Funk unter strenge Zensur gestellt; alle Parteien, außer der faschistischen, verboten, alle nichtkatholischen

Graf Ciano
Quelle: Wikipedia
Bekenntnisse unterdrückt, auch sämtliche protestantische Kirchen und Schulen geschlossen. Der Katholizismus wurde Staatsreligion. Militärtribunale und Exekutionskommandos waren pausenlos tätig. Allein in Madrid fanden nach Schätzungen des italienischen Außenministers Graf Ciano täglich 200 bis 250 Hinrichtungen statt. Nach offiziellen Statistiken der spanischen Regierung ließ Franco vom Ende des Bürgerkrieges 1939 bis zum Frühjahr 1942, also in der Zeit, in der er auf Wunsch des neuen Papstes begann, „die alten christlichen Traditionen" wiederaufzunehmen, mehr als 200.000 Menschen erschießen; das entspricht einem Drittel aller Opfer des Bürgerkrieges. (CH)

Karlheinz Deschner,1924 in Bamberg geboren, im Krieg Soldat, studierte Jura, Theologie, Philosophie, Literaturwissenschaft und Geschichte. Über seine literarischen, literatur- und kirchen-kritischen Werke berichtet der Dokumentarfilm „Im Grunde bin ich ein aus lauter Zweifeln bestehender gläubiger Mensch“ (siehe www.kaos-archiv.de). Der 83jährige arbeitet zurzeit am 9. Band seines Werks „Kriminalgeschichte des Christentums“ (siehe www.deschner.info) und erhielt – nach einigen anderen Literaturpreisen – Anfang 2007 in Mailand den Giordano Bruno-Preis.

Einen Teil des hier vorliegenden Textes finden Sie als Filmausschnitt in dieser NRhZ-Ausgabe.


Online-Flyer Nr. 121  vom 14.11.2007

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