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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Globales
Afrikanische Ölkriege und die Rolle des „Westens“
Das neue Objekt der Begierde
Von Jürgen Wagner

Erst in den letzten Jahren haben die USA und Europa die wachsende geostrategische Bedeutung Afrikas für sich entdeckt. 2007 wurde folgerichtig erstmals ein – als notwendiger Schritt im Rahmen des „Kriegs gegen den Terror“ verkauftes – eigenes Afrika-Kommando (AFRICOM) eingerichtet. Im Zentrum des Interesses aber steht der Zugang zu Rohstoffen und insbesondere den erheblichen Erdöl- und Erdgasressourcen afrikanischer Staaten. Dieses Interesse wird durch die chinesische Präsenz auf dem Kontinent belebt.

Öl als Katalysator des Bedeutungswandels
 
Etwa zehn Prozent der weltweiten Öl- und acht Prozent der Gasvorräte sollen in Afrika liegen, große Mengen noch unentdeckt sein. Die zunehmende Instabilität der Golfregion sowie der Machtzuwachs des Organisation Erdöl produzierender Staaten, OPEC, gegenüber den Konsumenten des wertvollen Rohstoffs, steigern das Interesse des Westens –allen voran der USA-, anderswo die Kontrolle über die Vorräte zu übernehmen und einen Beitritt weiterer Produzentenstaaten zur OPEC zu verhindern. Die Gefahr einer Kartellbildung auf dem inhomogenen afrikanischen Kontinent erachtet man als gering.
 
Eine wachsende US-Militärpräsenz in Afrika soll somit verhindern, dass Ölimporte durch innenpolitische Unruhen oder gar zwischenstaatliche Kriege gefährdet werden. Doch es soll auch Druck auf die dortigen Staaten ausgeübt werden, ihre Rohstoffe nicht nur außerhalb der OPEC auf den Weltmarkt zu liefern, sondern auch den USA den Erstzugriff einzuräumen.

Djibouti Öl Geostrategie
Soldaten aus Frankreich und USA bei einer gemeinsamen Übung in Djibouti
Quelle: US-Armee

 
Auch Deutschland und die Europäische Union wollen am afrikanischen Reichtum teilhaben. Die Kooperation mit den USA ist aufgrund weitgehend gleicher Interessen meist eng. So visieren zentrale EU-Dokumente bereits gemeinsame europäisch-amerikanische Rohstoffkriege an, und Szenarien, die im Zuge dessen in Deutschland, der Europäischen Union und der NATO durchgespielt werden, gleichen sich dabei fast wie ein Ei dem anderen und konzentrieren sich alle auf Afrika.
 
Dass China bereits etwa dreißig Prozent seines Energiebedarfs aus Afrika bezieht und Militärpräsenz auf dem Kontinent ebenfalls ausweitet, steigert den westlichen Einsatz und lässt US-Strategen in den – angesichts der eigenen Politik absurden – Vorwurf eines „Rohstoffimperialismus“ Chinas ausbrechen
 
Die Militarisierung Afrikas
 
Zugleich führen die USA zahlreiche Programme zur Militarisierung Afrikas durch.
 
Die 2001 gestartete Pan-Sahel Initiative soll – mit einem jährlichen Budget von inzwischen 100 Millionen US-$ - afrikanische Streitkräfte beim Training und der Ausrüstung von Anti-Terror-Einheiten unterstützen. Doch im Rahmen des seit 2005 in Trans Sahara/Trans Counter Terrorism Initiative (TSCTI) umbenannten Programms werden u. a. Soldaten des Tschad ausgebildet, die auch zum Schutz einer neu gebauten Pipeline verwendet werden könnten, die das Öl des Landes über Kamerun an die Atlantikküste pumpt.
 
Zur schnellen ,Konfliktbekämpfung’ z.B. wurden „lily pads“ oder „Cooperative Security Locations“ errichtet. Sie verfügen über eine kleine Besetzung, aber auch über ausreichend Kapazitäten für einen schnellen Ausbau im Bedarfsfall Dieses Netzwerk kleiner Basen soll dem US-Militär als Sprungbrett für schnelle, unauffällige Truppenverlagerungen in Konfliktgebiete dienen. Auch die seit Anfang 2007 einsatzbereiten europäischen schnellen Eingreiftruppen (Battlegroups) sind primär auf Kampfeinsätze in Afrika ausgerichtet.

Eine große US-Militärbasis gibt es in Afrika bereits: Camp Lemonier in Dschibuti. Offiziell hatte die Ende 2002 aufgestellte Combined Joint Task Force-Horn of Africa (CJTF-HOA) die Aufgabe, Terroristen in der Region zu bekämpfen. Inzwischen sichert die 1.500 Mann starke Truppe aber eher den us-amerikanischen Einfluss am Golf von Aden und damit am Horn von Afrika. 25 Prozent der Weltölproduktion gehen dort vorbei.
 
Auch hier sind EU-Truppen direkt involviert, mit einem multinationalen Flottenverband, der Task Force 150, an der neben Deutschland und den USA unter anderem auch Frankreich und Großbritannien beteiligt sind.
 
Schließlich haben die USA 2007 ein eigenes regionales Oberkommando, AFRICOM, eingerichtet, dass fast den gesamten Kontinent einer einheitlichen Befehlsgewalt unterstellt. AFRICOM ist explizit mit der Planung und Durchführung von Militäreinsätzen beauftragt. 2008 soll sein Sitz nach Afrika verlegt werden; ein Land, das AFRICOM gerne beherbergen will, hat sich aber – in berechtigtem Misstrauen – noch nicht gefunden.

Ruanda Kigali U.S. Air Force
Ruandische Soldaten besteigen in Kigali eine U.S. Air Force C-17 Globemaster III
Quelle: defenselink
| Autor: Staff Sgt. Bradley C. Church

Die Praxis der Ölkriege: Westafrika …
 
Als „Hilfe zur Selbsthilfe“ angepriesen, versuchen nicht nur die USA den Schutz der Ölquellen durch die Schulung in Aufstandsbekämpfung afrikanischen Truppen aufzubürden. Eigenes Eingreifen behält man sich, sollten die Dinge aus dem gewünschten Ruder laufen, natürlich vor.
 
Der Seeweg von der Westküste Afrikas, wo die größten afrikanischen Ölreserven lagern, ist relativ kurz und recht gut zu kontrollieren. Auf dem Lande hat Nigeria als ölreichstes Land des Kontinents und fünftgrößte Quelle für US-Ölimporte eine Schlüsselfunktion inne. Besonders problematisch sind aus Sicht Washingtons dort die gezielten Angriffe auf die Ölförderung im Zuge der Aufstände im Nigerdelta. Zwar versucht Nigeria mit Truppen, die aller Wahrscheinlichkeit nach im Rahmen des bereits erwähnten Anti-Terrorprogramms TSCTI ausgebildet wurden, den Schutz der Ölinstallationen zu garantieren, jedoch drängen die die USA, selbst militärisch „für Ordnung“ zu sorgen.
 
Auch die nigerianische Regierung überlegt, die USA zu einer Intervention einzuladen. Bereits heute, patrouillieren US-Schiffe unmittelbar vor der nigerianischen Küste, um die dort liegenden Ölfelder, aber auch die Tankerrouten zu schützen.
 
… und Sudan
 
Der Sudan könnte gar zum Prototyp sino-amerikanischer Stellvertreterkriege werden. Seit es in dem Land zu einem regelrechten Ölboom gekommen ist, ist es in der westlichen Interventionsagenda an vorderste Stelle gerückt. Adressat der Interventionsdrohungen war die sudanesische Regierung. 2005 sah sich diese gezwungen, einen „Friedensvertrag“ zu unterschreiben, der der Sudanesischen Befreiungsarmee (SPLA) im Süden des Landes faktisch die Regierungsgewalt überträgt. 2011 soll der Süden in einem Referendum über die Abspaltung vom Norden abstimmen – dies deckt sich exakt mit den ökonomischen und strategischen Interessen der westlichen Akteure, ist aber tragischerweise gänzlich ungeeignet den Bürgerkrieg dauerhaft beizulegen.
 
Dem wichtigsten Verbündeten der sudanesischen Regierung und größten Importeur sudanesischen Öls – China – würde allerdings im Sinne des Wortes der Boden entzogen. Denn die sudanesischen Ölreserven befinden sich im Süden des Landes und werden derzeit per Pipeline in den Norden nach Port Sudan am Roten Meer gepumpt, was der Zentralregierung Einfluss auf die Vorkommen gibt. Spaltet sich der Süden in vier Jahren erwartungsgemäß ab, wird das Öl künftig wohl nach Südosten zum Indischen Ozean oder besser noch nach Westen transportiert werden. Es gibt bereits Pläne, die US-amerikanische Pipeline vom Tschad durch Kamerun zum Atlantik zu verlängern.
 
Darfur Sudan Landkarte
Autor: ChrisO | Quelle: wikipedia
 Bereits heute gibt es zwei Militärmissionen im Sudan: Einmal die UNMIS der Vereinten Nationen, an der auch Deutschland direkt beteiligt ist; auf der anderen Seite der AMIS-Einsatz der Afrikanischen Union, der in Darfur stattfindet und noch in diesem Jahr deutlich aufgestockt als UNAMID weitergeführt werden soll. UNMIS soll den prekären Waffenstillstand zwischen Regierung und SPLA im Süden sichern, vor allem aber sind diese Truppen bereits im Vorgriff auf die absehbare neuerliche Eskalation im Sudan stationiert. Nicht umsonst soll das UNMIS-Mandat mindestens bis 2011 aufrechterhalten werden, dem Zeitpunkt, zu dem die Abspaltung des Südens und damit ein potenzielles Aufflammen des Bürgerkriegs ansteht.

 
Kongo: Öl ist nicht alles, es gibt auch noch Coltan
 
Offiziell hatten die 2.000 Soldaten des EU-Militäreinsatzes EUFOR RD Congo, darunter 780 Deutsche, den Auftrag, die Wahlen 2006 zu sichern. Tatsächlich ging es um die Sicherung der Wahl Joseph Kabilas, damit dieser weiterhin den immensen Rohstoffreichtum des Kongo (u.a. große Mengen an Coltan, Kupfer und Kobalt) an westliche Konzerne verschleudern kann. Und wie im Falle des Sudan geht es auch im Kongo darum, den chinesischen Einfluss zurückzudrängen. Die Financial Times Deutschland brachte es auf den Punkt: "Der schwarze Kontinent ist unser Hinterhof. Dort sind auch die Ressourcen zu finden, die wir in Zukunft für unsere eigene wirtschaftliche Entwicklung brauchen. Die Chinesen haben das erkannt, sie kämpfen in Afrika schon längst um Öl-Lizenzen, bauen Straßen und Eisenbahnlinien. Die EU kann es sich nicht erlauben, im Kongo zu scheitern. Deswegen muss sie klotzen, nicht kleckern: Nicht 1000 Soldaten müssen nach Kongo, sondern 10.000 oder mehr." (YH)

Mehr bei  der Informationsstelle für Militarismus

Online-Flyer Nr. 118  vom 24.10.2007

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