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Aktueller Online-Flyer vom 19. Mai 2024  

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Inland
Interview mit Klaus Amoneit – LVR-Amtsleiter a. D. und Liedersänger
KiBiz-Protest ist ein Anfang
Von Peter Kleinert

Klaus Amoneit war bis Anfang Juli Leiter des Amtes für Jugendämter und Jugendförderung beim Landschaftsverband Rheinland (LVR). Außerdem ist er Landesvorsitzender des „Progressiven Eltern- und Erzieherverbandes“ (PEV) in NRW und Liedersänger. Dadurch geriet er in Konflikt mit der Leitung des LVR, worüber wir in dieser Ausgabe an anderer Stelle berichten.
Frage: Sie sind vergangenen Freitag mit einem Antrag auf Einstweilige Verfügung gegen den Landschaftsverband Rheinland zum Arbeitsgericht Köln gegangen, weil Ihr Arbeitgeber Ihnen untersagt hatte, mit einigen Liedern auf einer Demonstration gegen den Gesetzentwurf der Landesregierung aufzutreten, durch den nun auch – nach der Mitbestimmung von Eltern und Schülern an den Schulen des Landes – die Mitbestimmung in den Kindergärten eingeschränkt werden soll. Hatten Sie Erfolg?

 
Antwort: Ja, – der Landschaftsverband Rheinland hat gleich zu Beginn des Anhörungstermins beim Arbeitsgericht Köln erklärt, dass er seine bisherige Auffassung nicht aufrecht hält. Er begründete dies mit der zeitlichen Nähe der Kundgebung am 15.09.07 zu dem Termin meines Ausscheidens beim LVR in die Freistellungsphase meiner Altersteilzeit ab 01.08.07. Die Vertreterin des LVR erklärte ferner, dass der LVR von nun an nichts mehr dagegen einzuwenden habe, wenn ich die sogenannten Anti-KiBiz-Lieder, die von Eltern und Erzieherinnen im „Forum zur Förderung von Kindern“ entwickelt wurden, nun wieder öffentlich vortrage. 


Foto:S. Hofschläger Quelle: www.pixelio.de 

Wie erklären Sie sich die Haltung des LVR: Erst eine Verbeugung vor der Landesregierung durch das Verbot, „KiBiz“-Lieder öffentlich zu singen, und nun dieser Rückzieher?

 
Das Grund-Recht auf freie Meinungsäußerung ist auch für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes nicht eingeschränkt. Eine künstlerische Betätigung von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes ist in gleicher Weise durch das Grundgesetz geschützt. Von daher war der Versuch, mir das Singen der Anti-KiBiz-Lieder zu verbieten, von Anfang an rein rechtlich gesehen ein ziemlicher Unsinn. Trotzdem gibt es natürlich in der Verwaltungsspritze des LVR offensichtlich Persönlichkeiten, denen diese Grund- und Menschenrechte weniger wichtig sind. Wichtiger ist diesen einzelnen Persönlichkeiten offensichtlich vielmehr, dass sie hochrangigen Mitgliedern der Landesregierung ihre Untertänigkeit bezeugen, obwohl sie aufgrund ihres Fachverstandes wissen, dass der Entwurf des sogenannten Kinder-Bildungs-Gesetzes (KiBiz) der Landesregierung die solide Kindergartenpraxis in NRW zerstören wird.
 

Nun darf er wieder öffentlich zur Gitarre singen – Klaus Amoneit
Foto: LVR/ Ludger Ströter
























Bevor man jedoch durch Entscheid des Arbeitsgerichtes sich die Bestätigung seines rechtlich und moralisch unsinnigen Versuchs der Beschneidung von Grundrechten einholt, lässt man lieber die Text ersetzen. ersetzen. nachgeordneten Mitarbeiter beim Gerichtstermin erklären, dass man seine bisherige Meinung geändert hat. Ich war nun über mehr als 27 Jahre als Amtsleiter in Jugendämtern in NRW tätig und frage mich deshalb, was bedeutet ein solches Verhalten der Verwaltungsspitze des LVR wohl für die jeweilige persönliche Motivation meiner rund 14.000 Kolleginnen und Kollegen beim LVR, wenn ihre Leitungsebene ein solch „vorbildliches“ Führungsverhalten praktiziert? 

Warum versucht Ihrer Meinung nach die Landesregierung Bürgerrechte offenbar systematisch einzuschränken? Der sogenannte „KiBiz“-Gesetzentwurf von Minister Laschet ist ja nicht der erste Versuch in diese Richtung. 
 
Letztlich geht es nach den im Landtag mit der aktuellen Regierungsmehrheit von CDU und FDP getroffenen Gesetzesänderungen darum, Bürgerrechte abzubauen und demokratische Mitgestaltungsmöglichkeiten von Eltern, Schülern und Arbeitnehmern einzuschränken und selbst die bisher noch vorhandenen Spielräume der kommunalen Selbstverwaltung zu beschneiden:
 
- Die Mitbestimmung von uns Eltern und Schülern in den Schulen ist nach dem neuen Schulgesetz bereits eingeschränkt. Selbst konservative Elternverbände beschweren sich inzwischen mit Recht darüber, dass sie von den Schulleitungen und Lehrerkollegien nicht mehr ernst genommen werden. Die Eltern- und Schüler-Mitbestimmung in den Schulen ist durch Gesetz so schwach geworden, dass diese beiden wichtigen am Schulleben beteiligten Gruppen von den handelnden Lehrerkollegien nicht mehr ernst genommen werden. Die derzeit handelnde Regierungsmehrheit vertritt offensichtlich nicht mehr den Standpunkt, „dass unsere Schulen Schulen der Demokratie sind“.
 
- Die Mitbestimmung der Eltern in den Kindergärten in einem eigenen Elternrat mit Rechten und Pflichten und in einem Kingergartenrat, in dem Trägervertreter, Eltern und Fachkräfte nach dem geltenden "Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (GTK)" gemeinsam die Grundlinien der Erziehung eines Kindergartens vereinbaren, soll nun nach dem KiBiz-Entwurf der Landesregierung in gleicher Weise, wie beim Schulgesetz bereits eingeschränkt, nun auch für die Kindergartenpraxis durchgezogen und auf eine freundliche Gesprächsebene von Elternbeiräten mit Spielwiesen-Funktion eingeschränkt werden.
 
- Ich nenne außerdem den massiven Abbau von Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmer nach dem Landespersonalvertretungsgesetz in NRW.
 
- Ich nenne den beabsichtigten massiven Einschnitt in die kommunale Selbstverwaltung durch die Einschränkung der wirtschaftlichen Betätigung von kommunalen Unternehmen.
 
- Ich nenne den Eingriff in unsere Informationsfreiheit durch Beschränkung des kommunalen Bürgerfunks mit dem Zwang, allein nur über sogenannte kommunale Themen berichten zu dürfen. Wo doch jeder weiß, dass unsere Lebensbedingungen im Stadtteil und Wohnbezirk gerade durch landes- und bundespolitische Entscheidungen massiv und existentiell beeinflusst werden.
 
Alle diese bereits beschlossenen oder noch in Arbeit befindlichen Gesetze (der Katalog ist längst nicht vollständig) machen deutlich, dass es hier um einen Abbau von Demokratie durch die Einschränkung von Bürgerrechten geht.


Gute Simmung bei Anti-KiBiz-Demo
Foto: Beate


Welche Möglichkeiten sehen Sie, wie die betroffenen Bürger – z.B. Kindergarten-Eltern und Personal, Arbeitnehmer, für die das Landespersonalvertretungsgesetz gilt, Bürgerfunker und deren Publikum – sich gegen diesen Demokratieabbau mit Aussicht auf Erfolg wehren können?

 
Es ist angezeigt, das sich verschiedene gesellschaftliche Gruppen zusammenschließen, um gegen diesen Demokratie-Abbau vorzugehen und ihm Einhalt zu gebieten. Es gibt deshalb an verschiedenen Stellen in NRW die Überlegung zu dem Thema „Abbau von Bürgerrechten“ in einen strukturierten Kommunikationsprozess einzutreten. Hierzu sollen Seminare und Info-Veranstaltungen auch mit Kulturschaffenden aus Musik, Theater, Bildender Kunst und der schreibenden Zunft stattfinden.
 
Haben Sie den Eindruck, dass die üblichen Medien einen möglichen Widerstand der Bürger unterstützen würden?
 
Soweit verantwortlich und frei schreibende Journalisten in den Print- sowie den audiovisuellen Medien die Kraft besitzen, frei und ungebunden nach der Wahrheit zu forschen, soll uns dies Recht sein. Allerdings stehen Zeitungen und vor allem private Fernsehsender natürlich massiv in der Verpflichtung der Wirtschafts-Unternehmen, die bei Ihnen ihre Anzeigen schalten.
 
Von daher sollten wir uns u.a. auf alte, demokratische Tugenden in Schule, Jugendarbeit und Hochschule besinnen. Hier haben Lehrer, Bildner und Hochschullehrer die Aufgabe, Bildungsprozesse zu organisieren, Schüler und Studenten in Projekten, die gesellschaftliche Brennpunkte aufgreifen, für die Sicherung von Bürgerrechten und jene demokratiebildenden Elemente sensibel machen, die dazu dienen, Gesellschaft und Ökonomie nach menschlichen Maßstäben weiter zu entwickeln.
 
Allerdings sind wir aufgrund der öffentlichen Unter-Finanzierung sowohl der kommunalen Jugendhilfe, wie auch der Schule und unseres Hochschulwesens gerade dabei, das heilige Prinzip der „Freiheit von Bildung, Forschung und Lehre“ z.B. an unseren Hochschulen durch Sponsering von Wirtschafts-Unternehmen in interessengeleitete Auftragsbildung umzuwandeln.  
 
Also, – unser Widerstand gegen unmenschlichen Zeitgeist und die angesprochenen gesellschaftlichen Fehlentwicklungen ist gefragt. Hierbei kommt es jedoch darauf an, nicht nur den rhetorischen Diskurs zu pflegen, sondern ins gesellschaftliche Handeln zu kommen. Der Protest von Eltern, Erzieherinnen sowie ihren Verbänden, Mitarbeitervertretungen und Gewerkschaften gegen den schlechten Entwurf der Landesregierung für ein Kinderbildungsgesetz ist ein Anfang. (PK)
  
Lesen Sie hierzu auch der Artikel „Laschet’s sein!“–Singen wieder erlaubt
 
 
 
 

Online-Flyer Nr. 116  vom 10.10.2007

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