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Aktueller Online-Flyer vom 25. April 2024  

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Krieg und Frieden
Bundeswehr raus – Ausstieg Deutschlands aus der NATO
Für die Freiheit Afghanistans
Von Klaus von Raussendorff

Ein breites Bündnis der Friedensbewegung hat aufgerufen, am 15. September in Berlin gegen den weiteren Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan zu protestieren. Die geplante Demonstration soll dazu beitragen, eine anstehende verhängnisvolle Entscheidung von Regierung und Parlament, wenn nicht zu verhindern, so doch wenigsten zu erschweren.

Mit dieser zeitgenau, direkt auf den politischen Entscheidungsprozess zielenden Mobilisierung tun die bundesweit organisierten Friedenskräfte zweifellos einen wichtigen Schritt, der über die periodisch wiederkehrenden Aktivitäten wie Ostermärsche, Antikriegstag, Friedensratschlag etc. hinausgeht. Die Umstände sind nicht ungünstig. Die Mehrheit der Deutschen ist gegen diesen Kriegseinsatz. Die Menschen vermögen nicht einzusehen, welche „deutschen Interessen am Hindukusch verteidigt“ werden sollen. Aber ist die Masse der Friedliebenden auch bereit, auf die Straße zu gehen? Haben sie andere Sorgen? Wie stark wirkt die Regierungspropaganda?


Foto: Umbruch Bildarchiv

Terroristen-Rückzugsgebiet?
 
Die Politik räumt offen ein, dass die Lage in Afghanistan „angespannt“ ist: „Die sicherheitsrelevanten Vorfälle haben im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zugenommen.“ So ein aktuelles Papier der Bundesregierung. „Im Süden verdoppelte sich die Zahl, im Osten stieg sie um ein Drittel, im Norden stieg sie nur leicht.“ Ferner heißt es: „Meldungen über zivile Opfer im Zusammenhang mit OEF und Isaf-Operationen haben in den letzten Monaten innerhalb der Bevölkerung für Unruhe gesorgt.“ Und schließlich habe das Jahr 2006 „die höchste jemals in Afghanistan erzielte Opiumernte“ eingebracht. („Die Welt“ v. 4.9.07)

Angesichts einer derartigen Bilanz der Afghanistanpolitik stellt sich für die Verantwortlichen die Frage, wie weiterhin wenigsten eine passive Akzeptanz des Afghanistan-Abenteuers hergestellt werden kann? Der staatstragende Medienapparat versucht, die Menschen dahin zu bringen, die Gefahrenpotentiale so zu sehen, wie sie im Regierungspapier beschworen werden: „Der internationale Terrorismus darf Afghanistan nicht wieder als Ruhe-, Rückzugs und Regenerationszentrum nutzen können. Insofern dient unser Afghanistan-Engagement unmittelbar deutschen Interessen.“ Doch allein die Tatsache, dass diese internationalen Terroristen und einheimischen Warlords in Afghanistan, als sie im Kampf gegen die Sowjetunion noch „Freiheitshelden“ hießen, erst durch den Westen zum Machtfaktor des Landes gemacht wurden, erschüttert die Glaubwürdigkeit dieses „Arguments“. Die Afghanen kämpfen für die Freiheit ihres Landes, wie sie dies in ihrer Geschichte immer taten. Da allerdings Spiegel, ZDF und andere Leitmedien zum Jahrestag der Anschläge in den USA am 11. September 2001 immer noch das Märchen von Osama bin Laden und den 19 Räubern verbreiten, kann Frank-Walter Steinmeier, „der Chefarchitekt der Politik Gerhard Schröders, die uns in das Afghanistan Abenteuer hinein gezogen hat“ (Willy Wimmer), auf eine gewisse Wirkung seines „Arguments“ hoffen.

Polizeiarbeit von Sauerland bis Hindukusch?
 
Seit dem 5. September beherrscht nun eindeutig die Angst vor der Terrorismus-Gefahr die Medien- Diskussion: Mit der Festnahme von drei mutmaßlichen Terroristen im Sauerland haben die deutschen Sicherheitsbehörden nach Angaben von Generalbundesanwältin Monika Harms einen der «bislang schwerwiegendsten» Anschlagspläne in Deutschland verhindert. Bei einem der Verdächtigen war schon Ende April eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden. Wer zu der Gruppe gehörte, was sie angeblich plante und was gegen sie unternommen wurde, war bereits in der Zeitschrift „Focus“ vom 7. Mai zu lesen. Nun habe man „die Gefahrenspitze abgebrochen,“ erläuterte der Chef des Bundeskriminalamtes (BKA) Jörg Ziercke. Und Innenstaatssekretär August Hanning räumte ein, dass man weiter nach „etwa zehn Hintermännern“ suche. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (v. 6.9.07) wundert sich, dass sich die Komplizen „von der Haussuchung nicht abschrecken ließen, dass sie im Gegenteil erst danach begannen, kanisterweise Explosivstoffe zu beschaffen, Häuser und Garagen zu mieten, militärische Zünder zu besorgen und in ihren (abgefangenen) E-Mails angeblich sogar die Fahnder verhöhnten.“ Die Zeitung spekuliert, ob die Observierten entweder die Sicherheitsbehörden unterschätzt hätten oder von anderweitigen Vorbereitungen ablenken wollten. Man fragt sich allerdings, warum die Polizei sich viel Zeit nahm zuzuwarten, wobei auch am 5. September noch keine aktuelle Bedrohung bestanden haben soll, dann aber doch zuschlug, bevor das terroristische „Netzwerk“ aufgerollt werden konnte. Diese Ungereimtheiten lassen auch an dem „Bedrohungsargument“ für den Afghanistaneinsatz Zweifel aufkommen, ganz abgesehen davon, dass die Spuren von den Terroristen in Deutschland nicht nach Afghanistan führen sollen, sondern nach Pakistan, bekanntlich ein ergebener Bündnispartner der USA.
 
Absicherung des friedlichen Aufbaus?
 
Die USA hatten Deutschland kritisiert. Es stünden in Afghanistan nicht genügend deutsche Polizisten als Ausbilder zur Verfügung. Inzwischen hilft die Bundeswehr mit dreißig Feldjägern. Nun fordern die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion: „Der Ausbau der afghanischen Polizei einschließlich der Grenzpolizei und dem Ausbau von Spezialkräften etwa zur Terrorbekämpfung muss erheblich verstärkt werden“. So heißt es in einem Positionspapier, mit dem sie sich laut „Die Welt“ (v. 6.9.07) „auf Gespräche mit skeptischen Bürgern“ vorbereiten wollen. Deutschland müsse, so die Unionsabgeordneten, „auch die bilateralen Bau- und Ausstattungsprojekte für die afghanische Polizei erhöhen". Auch sollten Bundeswehrsoldaten die afghanische Armee bei ihren ersten Einsätzen begleiten dürfen. Der afghanische Präsident Hamid Karsai wird von den christlich-demokratischen Abgeordneten wegen seiner mangelnden Durchsetzungsfähigkeit im Kampf gegen die grassierende Korruption kritisiert. Dass nun Deutschland für Sicherheit und Ordnung in Afghanistan sorgen muss, scheint als „Argument“ für jene gedacht, die auch unter Militär- und Polizeischutz zu „Aufbau- und Enwicklungshilfe“ bereit sein wollen. Aber die Zeiten kolonialer „Zivilisierung“ fremder Völker lassen sich nicht wieder herbeibomben. Eine neue multipolare Weltordnung ist im Entstehen.
 
Bündnis mit den USA über alles?
 
Worum es in Wirklichkeit geht, erläuterte der CDU-Sicherheitspolitiker Willy Wimmer in einem Interview mit „freitag“ (v. 3.8.07): „Die USA nutzen von ‚humanitärer Intervention’ bis ‚regime change’ alle Kampfbegriffe, die seitens der Briten im 19. Jahrhundert verwendet wurden, um unter globalen Aspekten ihre Kolonialinteressen durchzusetzen,“ Aber, so der Bundestagsabgeordnete,: „Die hinter der Fassade verborgenen Ziele sind oft alles andere als humanitärer Natur. Nehmen Sie das Beispiel Darfur, hier werden nie geostrategische Erwägungen genannt, wenn man die schwierige Lage im Sudan zum Anlass nimmt, um Interventionsvarianten durchzuspielen. Das Gleiche findet seit Jahrzehnten in Zentralasien statt, wo sich die Amerikaner den Zugriff auf Bodenschätze längst gesichert haben, die im 21. Jahrhundert von existenziellem Wert sind.“ Schließlich spricht Wimmer, der selbst einmal Staatssekretär im Verteidigungsministerium war, den wohl empfindlichsten Punkt der deutschen Afghanistanpolitik an: „Demnach sichert die Bundeswehr in Afghanistan geostrategische Präventionen der USA ab.“ Und er warnt seine Kollegen: wer für die Mandatsverlängerung stimmt, der „trägt dazu bei, dass wir in Afghanistan festgehalten werden aus Gründen, die in der ausschließlichen Entscheidungskompetenz eines anderen Staates stehen.“
 

Foto: Roli/Umbruch Bildarchiv

Austritt Deutschlands aus der NATO!
 
Der direkte Kriegseinsatz in Afghanistan sei „nur die sichtbarste Beteiligung Deutschlands an westlichen Kriegen und Interventionen“, heißt es in einem besonderen Appell aus den Reihen der Friedensbewegung. Daher sollte sich der Protest am 15. September in Berlin auch gegen alle anderen Auslandseinsätze der Bundeswehr richten. „Aber auch die von Deutschland ausgehende militärische, logistische und politische Unterstützung des Krieges gegen den Irak, der Kriegsdrohungen gegen Syrien und Iran, der Einmischung im Libanon und der israelischen Besatzung in Palästina muss beendet werden.“ Der Aufruf ist von Gruppen und Einzelpersonen unterzeichnet, die sich in der internationalen Solidarität mit verschiedenen Ländern gegen äußere Einmischung und Bedrohung engagieren. Zu den Unterzeichnern gehören die Europa-Abgeordnete Sahra Wagenknecht sowie Cornelia Hirsch und Ulla Jelpke von der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE. Der Aufruf der internationalistischen Kräfte in der Friedensbewegung geht davon aus, dass ein Ausscheren wichtiger Nato-Mitglieder aus dem Afghanistaneinsatz den Zusammenhalt des westlichen Bündnisses gefährden würde. Dies sei eben auch der Grund, warum praktische Erwägungen, inwiefern der Afghanistaneinsatz noch Erfolg versprechend sei, bei den beteiligten Regierungen in den Hintergrund rückt. Folgerichtig heißt es in dem Aufruf: „Wir fordern ein Ende dieser von wirtschaftlichen Interessen geleiteten militärischen Machtpolitik und einen Ausstieg Deutschlands aus der NATO.“ (YH)

Online-Flyer Nr. 112  vom 12.09.2007

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