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Aktueller Online-Flyer vom 29. März 2024  

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Lokales
Mülheimer Bürger vor folgenschwerem Bürgerentscheid
Gegen Privatisierung – Ja oder Nein?
Von Peter Kleinert

Ein gemeinsames, etwas alt aussehendes Baby haben SPD, CDU und FDP mit einer "Zukunftsinitiative für Mülheim an der Ruhr“ in die Welt gesetzt. Unterstützt von WAZ, NRZ und einer Werbeagentur soll das in diesen Tagen per Postkarte an 84.000 Haushalte verteilte Kind die wahlberechtigten Mülheimer dazu bringen, gegen ihre eigenen Interessen zu votieren. „Dein Nein rettet meine Schule!“ behauptet es frech. Fallen genügend Mülheimer darauf herein, ließe sich eine von SPD-OB Dagmar Mühlenfeld am 9. September befürchtete Mehrheit für einen Bürgerentscheid gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums verhindern, hofft sie als Baby-Mutti.



Dagmar Mühlenfelds Werbe-Baby: Nein zu Privatisierungen? „NEIN!“ 
Quelle: SPD Mülheim

Wende von Grünen und ver.di hin zur Privatisierung
 
Die einen Monat vor dem 9. September gestartete Anti-Kampagne zum zweiten Mülheimer Bürgerentscheid ist nicht nur ein gemeinsames Kind von SPD, CDU und FDP. Wie diese Drei lehnen inzwischen auch die Grünen den vor allem von der Bürgerinitiative „Mülheim bleibt unser“ und der MBI-Fraktion im Stadtrat erfolgreich vorangetriebenen Bürgeraufstand gegen sogenannte öffentlich-private-Kooperationen (PPP) ab. „Das heißt nicht“, beteuert Grünen-Sprecher Thomas Behrendt, der mit seiner Fraktion 2005 den ersten erfolgreichen Bürgerentscheid noch mitgetragen hatte, „dass wir nun Privatisierungsfans sind.“ Beweis: An der Baby-Kampagne von SPD, CDU und FDP würden die Grünen ja nicht teilnehmen. Behrendt: „Da wäre uns die Nähe zur FDP und Teilen der CDU, die hemmungslose Privatisierung wollen, zu groß.“
 

Mülheims OB - auch wegen RWE-Aufsichtsratszuwendungen umstritten 
Quelle: Ruhrbania

Strikt gegen Privatisierungen und Unterstützer des 2005 erfolgreichen Bürgerentscheids waren damals auch die im öffentlichen Dienst beschäftigten Mülheimer ver.di-Gewerkschafter. Diesmal jedoch ließen Vertreter der verdi-Vertrauensleute die Bürger über WAZ- und NRZ-Artikel wissen, dass sie - wie die Grünen - nicht länger mit von der Partie sein würden. Sie seien zwar weiter gegen Privatisierung, doch habe „die Renovierung einer Schule mit Daseinsvorsorge zunächst nichts zu tun“, behauptet ihr Personalratsvorsitzender Bittscheidt, der wie die OB Mühlenfeld SPD-Mitglied ist, in der NRZ. Reaktion von MBI-Sprecher Lothar Reinhard gegenüber den ehemaligen Unterstützern: „Was Herr Bittscheidt zu Schulen sagt, das grenzt im Zusammenhang mit PPP eher an aktive Vernebelung und erinnert sehr an die schizophrene Mülheimer SPD - siehe ihren Ratsantrag oder das Plakat in ihrem Fenster.“  


Es war einmal - Plakat am Mülheimer SPD-Büro in der Auerstraße 
Quelle: MBI

Man habe es nicht wieder einfach „laufen lassen“ wollen wie 2005, freut sich denn auch SPD-Geschäftsführer Arno Klare in der WAZ über solche Erfolgsmeldungen unter der Überschrift „SPD, CDU und FDP räumen Fehler beim Bürgerentscheid von 2005 ein“. Diesmal, so Klare, halte die SPD „klar dagegen" und gehe „fest davon aus, dass wir am 9. September deutlich vorne liegen“. Dazu beitragen soll vor allem das „Sag Nein!“-Baby, das demnächst auch auf Großplakaten an den belebtesten Knotenpunkten der Stadt erscheinen soll.
 
Katastrophale Privatisierungsergebnisse
 
Die Stadt gehe mit den von den Mülheimern 2005 mehrheitlich abgelehnten PPP-Verträgen „kein Risiko ein", behaupten Mülheims Stadtdirektor Steinfort und sein Kämmerer Bonan. Dass sie auf dieser Grundlage, wie alle PPP-Fans vor ihnen, zum Nachteil ihrer Städte und zum Vorteil von Investoren und Konzernen entscheiden würden, beweisen nach Ansicht des Mülheimer Filmemachers und Mitinitiators des Bürgerbegehrens Reinald Schnell und des MBI-Fraktionsvorsitzenden Lothar Reinhard inzwischen bekannte katastrophale PPP-Ergebnisse bei den Hamburger Kliniken, den Frankfurter Schulen, dem Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen, der U-Bahn in England undundund…


Filmemacher Reinald Schnell - will Privatisierungen verhindern 
Foto: privat


Informationsveranstaltungen
 
Nähere Informationen bieten eine Reihe Veranstaltungen, die allerdings, folgt man Steinfort und Bonan in der WAZ, die Bürger „mit Unwahrheiten füttern“. So zum Beispiel am
 
- Samstag, 18. August: MBI-Sommerfest in den Ruhranlagen /Höhe Delle/Casino ab ca. 15 Uhr
- Sonntag, 19 August: WIR-Sommerfest ab 14.30 Uhr in der Feldmann-Stiftung, Augustastraße,
- Montag, 20. August: In der Holzhütte, die wieder auf der Schloßstraße aufgestellt wird, vor der sogenannten Bürgeragentur, Höhe Löhberg. Die Hütte bleibt als Infostand dort bis zum 9. September stehen.
- Sonntag, 26. August: Matinee im Kino im Forum um 14 Uhr mit dem Dokumentarfilm von Florian Opitz: „Der große Ausverkauf" zu Privatisierung und ihren Folgen
- Mittwoch, 29. August: Veranstaltung von OB Dagmar Mühlenfeld zum Thema PPP im Schulwesen in der Stadthalle
- Mittwoch, 5. September: Experten-Hearing der BI „Mülheim bleibt unser" um 19 Uhr im Handelshof, voraussichtlich mit Werner Rügemer, Prof. Arno Klönne und Harald Klimenta (im wissenschaftlichen Beirat von Attac und Autor von „Das Gesellschaftswunder", darin die Kapitel "Privatisierung: Verkauft die öffentliche Hand ihre Pflichten?" und das Fallbeispiel: "Eine Stadt wird geplündert - Mülheim")
 
26 Wahllokale, Briefwahl oder frühere Abstimmung
 
Am Sonntag, 9. September, werden 26 Wahllokale von 8 bis 18 Uhr für die Abstimmung über den Bürgerentscheid geöffnet sein. 136.000 MülheimerInnen werden durch Benachrichtigungen aufgerufen, sich daran zu beteiligen. Briefwahl ist möglich, ebenso eine  Stimmabgabe an den Tagen vorher im Raum 111 im Mülheimer Rathaus.
 
Abgestimmt wird im Bürgerentscheid über die Frage: „Soll die Stadt Mülheim es in Zukunft unterlassen, in Bereichen der Daseinsvorsorge Gesellschaftsanteile und/oder deren Betreibung an nicht gemeinnützige Private zu übertragen?" Die Initiatoren, die bereits 8.000 Unterschriften beim vorausgegangenen Bürgerbegehren gesammelt haben, meinen „Ja“. OB Mühlenfeld, SPD, CDU, FDP, Grüne, ver.di-Vertrauensleute, Baby und die Werbefirma, nicht zuletzt Baufirmen wie Hochtief und Investoren wie Reggeborgh sind für „Nein“.
Die NRhZ (nicht zu verwechseln mit der oben wiederholt zitierten NRZ) wird nach dem 9. September über den Ausgang des Bürgerentscheids berichten. Der von 2005 ergab ein eindeutiges Votum gegen Privatisierung. (PK)
 
Mehr über OB Mühlenfeld und ihre Verdienste um die Stadt Mülheim erfahren Sie in den NRhZ-Ausgaben 54, 55, 60, 91, 100, 104, 106.      



Online-Flyer Nr. 108  vom 15.08.2007

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