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Wirtschaft und Umwelt
Ecuador: Marsch von tausend Awá-Indianern nach Quito brachte Erfolg
Regenwald vorerst vor Spekulanten gerettet
Von Klaus Schenk

Etwa tausend Awá-Indianer sind eine Woche lang Richtung Ecuadors Hauptstadt Quito marschiert. Ausgerüstet mit ihren traditionellen Lanzen und geflochtenen Körben auf dem Rücken boten die aus dem Küstentiefland kommenden Regenwaldbewohner ein ungewohntes Bild auf der panamerikanischen Landstraße im kahlen Andenhochland und in der Hauptstadt. Ihr Ziel, der Regierungspalast, wo sie schließlich von Vizepräsident Lenin Moreno und Innenminister Gustavo Larrea empfangen wurden und mit ihren Forderungen Gehör fanden.

Grund des Protestmarschs war ein seit Monaten mit der Regierung schwelender Landkonflikt. Streitpunkt: ein mehr als 23.000 Hektar großes Regenwaldgebiet in den Provinzen Esmeraldas, Carchi und Imbabura. Nach Klagen einer kleinen Gruppe von Landhändlern hatte die ecuadorianische Umweltministerin Ana Albán Anfang Januar für dieses Gebiet ein „Co-Management“ zwischen den Awá-Indianern und Afroecuadorianern erklärt. Doch diese haben in dem Gebiet nie gelebt.

Leben seit Jahrtausenden im und vom Regenwald

Dagegen fühlen sich die Awá-Indianer in sechs dort gelegenen Dörfern in ihrer Existenz bedroht. Sie leben seit Jahrtausenden im und vom Regenwald, ohne diesen zu zerstören. Überdies gehört der Regenwald zur so genannten Bioregion des Chocó, die einen weltweit einzigartigen Artenreichtum und eine besonders hohe Zahl an endemischen Tier- und Pflanzenarten aufweist.


Marsch der Awá durch die Provinz Ibarra am 5. Juli

Hinter den Landhändlern stecken Holz- und Palmölfirmen – so die Vermutung. Die Küstenregenwälder im Norden der Provinz Esmeralda sind seit Jahrzehnten das wichtigste Holzeinschlagsgebiet Ecuadors. Die fünf großen Sperrholzfabriken des Landes beziehen von dort die begehrten Urwaldstämme. Doch nach Jahrzehnten des Raubbaus sind die Regenwälder fast verschwunden. Nur der Urwald der Awá steht noch und ist ins Visier der Holzfäller geraten.

Biokraftstoffprofiteure schüren ethnische Konflikte

Außerdem haben sich seit zehn Jahren ein Dutzend Ölpalmfirmen zehntausende Hektar Regenwaldflächen im Norden von Esmeraldas und direkt angrenzend an das Awá-Territorium angeeignet. Anstatt Urwald dehnen sich dort nun industrielle Ölpalmenplantagen aus, eine Folge des weltweiten Biokraftstoffbooms. Die dort vorher ansässigen Afroecuadorianer wurden um ihr Land gebracht und verdrängt. Um nun auch an das Holz und Land der Awá zu kommen, versuchen die Holz- und Palmölfirmen einen ethnischen Konflikt zwischen Indigenen und Afroecuadorianern zu entfachen.

Im April 2006 hatte das ecuadorianische Umweltministerium den Awá-Indianern Landtitel für einen Großteil ihres traditionellen Territoriums ausgestellt. Dreißig Jahre lang hatten die Awá für die rechtliche Anerkennung ihres Regenwaldgebiets gekämpft. Bereits in den 80er Jahren war das Gebiet von verschiedenen Regierungsinstitutionen vermessen und als Awá-Reservat den Indigenen zuerkannt worden. Die Awá wollen nun von der Regierung neben der Lösung des aktuellen Konflikts Garantien für die dauerhafte Anerkennung ihres Territoriums fordern.

Regierung Correa korrigiert ihre Haltung

Der Protestmarsch der Indianer kam für die Correa-Regierung ungelegen, weil sie erst Ende 2006 die Präsidentschaftswahlen mit einem Programm gewonnnen hatte, das sich angeblich besonders für die armen und sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten einsetzen wollte. In den vergangenen Wochen sind aber in vielen Indigenengebieten des Landes zum Teil gewalttätige Konflikte mit Holz-, Bergbau- und Ölfirmen neu entflammt.


Ankunft der Awá-Indianer in Quito am 10. Juli

Als die Awá nach einer Woche am 10. Juli in der Hauptstraße eintrafen, schwirrten Reporter aller Zeitungen und Fernsehsender mit Foto- und Fernsehkameras unter ihnen herum, um die richtige Perspektive für Schnappschüsse zu erhaschen, während über ihnen ein Polizeihubschrauber kreiste. Die Indigenen rückten derweil unbeirrt unter gleißender Sonne und über glühenden Asphalt in ihren Gummistiefeln in Richtung Stadtzentrum vor, obwohl die meisten von ihnen zum ersten Mal in die Hauptstadt kamen. Die Regierung gab endlich letztendlich nach und korrigierte ihre Haltung.

Sicherung der Rechte der Indigenen

Nach Verhandlungen mit einer 40-köpfigen Indianerdelegation traten die Regierungsvertreter auf den Balkon des Präsidentenpalastes und verkündeten den davor versammelten Awá und den Medien des Landes ihre Entscheidung. „Die Regierung bekennt sich zur Sicherung der Rechte der Indigenen und ihrer Territorien“, so Vizepräsident Moreno. „Den Awá wird schriftlich die unverzügliche Rücknahme der umstrittenen Beschlüsse bezüglich ihres Territorium zugesagt.“


Awá-Demonstration zum Präsidentenpalast
Fotos: Klaus Schenk

„Wir brauchen den Regenwald zum Überleben“, hatte zuvor Olindo Nastacuaz, der gewählte Vertreter der Awá-Indianer erklärt. „Unser Regenwald ist der letzte an der gesamten ecuadorianischen Pazifikküste. Hinter den Landspekulanten stecken die Sperrholz- und Palmölfirmen. Die wollen jetzt auch noch unsere Bäume fällen und unser Land in Palmölplantagen umwandeln. Doch wir verteidigen unseren Wald, für uns, unsere Kinder und Enkel, für die gesamte Menschheit!“

Spekulanten drohen mit Besetzung des Awá-Territoriums

Beobachter befürchten jedoch, der Konsum in den Industrieländern werde die Awá auch weiter bedrohen. Jeweils die Hälfte der ecuadorianischen Sperrholz- und Palmölproduktion geht in den Export - Tendenz steigend, nicht zuletzt aufgrund des weltweiten Booms an „Biokraftstoffen“ aus Palmöl. Der Sprecher der Landspekulanten verkündete bereits, dass sie den Regierungsbeschluss nicht anerkennen, das Awá-Territorium besetzen würden, auch wenn es dadurch zu einem Blutvergießen kommen sollte.

Rettet den Regenwald e.V. unterstützt die Awá-Indianer seit Jahren im Kampf für den Erhalt ihres Regenwalds. Im März hatte der Verein eine Protestbriefaktion wegen des Landkonflikts bei den Awá begonnen, über die fast 10.000 Protestbriefe an den ecuadorianischen Präsidenten verschickt wurden. (PK)

Weitere Informationen unter: info@regenwald.org

Online-Flyer Nr. 104  vom 18.07.2007

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